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Illustration: Andree Volkmann

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (46): Das Fettsteißschaf

Sie sind die Kamele unter den Schafen. Warum die Hissarfettsteißschafe so ein ausladendes Gesäß haben .

Das Gehege der Tadschikischen Hissarfettsteißschafe ist derzeit ein Kindergarten. In den vergangenen Wochen wurden drei Lämmer geboren, schwarz glänzend wie Seide. Ersatzpapa René Viete prüft ihre weichen Bäuchlein. Prall gefüllt mit Milch müssen sie sein. Besorgt blökt Püppi nach ihrem Baby, das im Stroh döst. Söckchen schreckt hoch, springt auf Stöckelbeinen zu ihr. Dabei schwingt sein rundes, mit Fett gefülltes Polster wie Wackelpudding. Die Wölbung am Gesäß erinnert an einen gewindelten Baby-Po.

Sie sind die Kamele unter den Schafen. Ihren bis zu 15 Kilo schweren Energievorrat, genannt „Kurdjuk“, tragen Hissarschafe nicht am Rücken, sondern – optisch etwas unvorteilhaft – am Steiß. Wenn Pärchen am Gehege vorbeikommen, fallen hin und wieder „ein paar nicht so nette Vergleiche mit der Partnerin“, beobachtet der Tierpfleger. Jedes Schaf erkennt er am Hinterteil: Beim einen liegt das gewölbte Polster höher, beim anderen tiefer. „Je mehr sie zum Fressen bekommen, desto mehr Fett lagern sie ein“, erklärt Florian Sicks, Kurator für Säugetiere.

Unter dem Energiespeicher blitzt nackte Haut. Die Genitalien bleiben frei vom groben Wollkleid. Im namensgebenden Hissargebirge, im südwestlichen Tadschikistan, trotzten die robusten Haustiere darin Temperaturen von 50 Grad unter null. In dem kargen Gebiet konnten sie nur aufgrund des Energiespeichers überleben – und die Bauern wiederum nur aufgrund des Schaffleisches. Sie kochten den Fettsteiß zur Suppe. Doch mit den Jahren der Modernisierung flüchteten viele Landbewohner in die Stadt. Neue Züchtungen verdrängten die zähen Schafe. Heute sind sie stark bedroht.

Wachsam und seiner Verantwortung bewusst steht der mächtige Bock neben seiner Herde. Jährlich deckt er alle verfügbaren Damen. Gäbe es einen Konkurrenten, würden die hornlosen „Köppe“ knallen, sagt René Viete. Bis zu 150 Kilo bringen männliche Vertreter einer der größten Schafrassen auf die Waage. Fettsteißschafe sind genügsam, ernähren sich von Gras, Heu, Silage. Früher lebte die Herde im Streichelzoo. Doch vor allem Erwachsene benahmen sich daneben, setzten sich auf trächtige Tiere. Zu viel Stress für die empfindsamen Schäfchen. Ihr Fettsteiß schrumpfte. Darum zogen sie in ein ruhiges Gehege um. Ein Blick auf die voluminösen Hinterteile verrät: Alles gut.

Genüsslich kauen die Schafe am ausrangierten Christbaum. „Dicke“, „Nummer 6“, „Süße“ nennt Viete sie. Von einigen muss er sich bald trennen. Auch die Lämmer sind vorbestellt. „Es gibt schon schwarze Schafe. Wir suchen nur vernünftige Besitzer aus, Tiergärten oder Hobbyzüchter“, sagt Kurator Florian Sicks. Einige halten sie zum Abweiden ihrer Wiese, andere machen Käse aus der Milch oder schlachten sie. Die Schur hingegen könnten sich die Besitzer sparen: Zum einen werfen die Tiere die dunkle Wolle selbst ab, zum anderen gilt die als minderwertig, filzig, nur für Teppiche geeignet. Im Tierpark wird einmal im Jahr nachfrisiert. Mit der abgeschorenen Wolle legen die Pfleger Geruchsspuren für Raubtiere, wickeln Futter für die Waschbären ein. Und im Frühjahr picken Vögel auf dem Schafrücken Fell für den Nestbau. Isabel Stettin

FETTSTEISSSCHAF IM TIERPARK

Lebenserwartung:  10–15 Jahre
Jungtiere:  Seit 1983 züchtet der Tierpark die gefährdete Haustierrasse.

Interessanter Nachbar: Maskenschwein

Isabel Stettin

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