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Ein furchteinflößender Kerl: der Riesenseeadler.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (66): Der Riesenseeadler

Diesen Vögeln sollte man nicht zu nahe treten. Sie haben die größten Schnäbel unter den Greifvögeln, erreichen eine Flügelspannweite von fast drei Metern und jagen schon mal Robben.

Alles an diesem Vogel sagt: Komm mir nicht zu nahe. Die Weibchen können mehr als einen Meter groß werden, bis zu neun Kilogramm wiegen und dabei eine Flügelspannweite von 2,80 Meter erreichen. Doch besonderer Respekt gilt dem bananengelben Schnabel, der größte unter Greifvögeln, fast so groß wie der Rest des Kopfes. Den brauchen die Riesenseeadler, um die zähe Haut der Lachsfische, die sie so gern verspeisen, aufzureißen, Kadaver von Walen zu zerkleinern oder sogar Robben zu erbeuten.

Mit diesem Schnabel können die Raubvögel auch kräftig schreien. Das Weibchen in der Voliere am Hang ruft aufgeregt „Kra-kra-kra“, als sich der Vogelkurator des Tierparks, Martin Kaiser, nähert. „Riesenseeadler sind wie Wachhunde“, sagt er. Und wie diese können sie recht ungemütlich werden. „Sie sind ziemlich aggressive Vögel“, sagt Kaiser.

Wenn eines der Tiere in der Voliere untersucht werden muss, braucht man dafür drei Personen: Eine drückt das Tier mit einem Besenstiel auf den Boden, die anderen beiden halten Schnabel und Krallen fest. Denn Riesenseeadler, die am Boden liegen, versuchen mit ihren sichelförmigen Klauen nach dem Angreifer zu schlagen.

Auf jedes weitere Tier in der Voliere muss eine Person aufpassen, damit es keine Überraschungsangriffe gibt. „Als wir die beiden Jungvögel in diesem Jahr beringt haben, brauchten wir sechs Leute dafür“, erzählt Martin Kaiser.

Je länger der Biologe über die Tiere redet, desto mehr gerät er ins Schwärmen. Schließlich hat ihm einer dieser Vögel zu einem „Karriere-Highlight“ verholfen, wie er sagt. In der Fachwelt hatte man gedacht, ein Weibchen wie das im Tierpark gebe es gar nicht mehr. Eine zoologische Seltenheit wie für den Briefmarkensammler eine „Blaue Mauritius“.

Das wundersame Weibchen im Tierpark

Ausgewachsene Riesenseeadler haben eine weiße Stirn, weiße Schultern, weiße Federn an den Beinen und weiße Schwanzfedern. Der Rest ist schwarzbraun gefiedert. Nur bei diesem Weibchen ist das anders. Bis auf den weißen Stoß, so nennen Zoologen die Schwanzfedern, ist es komplett dunkel gefärbt.

Lange Zeit nahmen Wissenschaftler bei derart gefiederten Exemplaren an, es handle sich um eine eigene Art – um Korea-Adler, die so heißen, weil die meisten dieser schwarzbraunen Tiere dort vorkamen. 1968 wurde der Letzte seiner Art in freier Natur gesichtet.

Bis das Weibchen 2001 in einer Falknerei in Bayern schlüpfte – weit weg von den Heimatgefilden am Nordostpazifik. Das Küken, das bald in den Tierpark umzog, war der erste in Deutschland geborene Riesenseeadler. Ab dem vierten Lebensjahr wechseln die Vögel in ihr schwarz-weißes Erwachsenenkleid. Sie blieb, wie sie war, schwarzbraun, und begann, mit ihrem Partner zu balzen und ein Nest zu bauen.

Es war reichlich seltsam: Rund 40 Jahre, nachdem die Art als ausgestorben galt, war nun ein dunkelbraun gefiedertes Tier in Deutschland aufgetaucht. Martin Kaiser hat darüber einen wissenschaftlichen Aufsatz geschrieben. Für ihn war dieses Weibchen der lebende Beweis, dass es sich bei ihm nur um eine Farbvariante des Riesenseeadlers handeln konnte. Fazit: Der Korea-Adler war also gar nicht ausgestorben – es hatte ihn nie gegeben.

RIESENSEEADLER IM TIERPARK

Lebenserwartung:  30 bis 40 Jahre

Fütterungszeiten:  keine festen Zeiten

Interessanter Nachbar: Bartgeier, Takin

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