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Ein kleiner Räuber: der Waldhund.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (92): Der Waldhund

Von wegen klare Strukturen: Bei den Waldhunden in Tierpark geht es zu wie in einer Hippie-Kommune.

Marina und Peter sind das Alphapaar, der Nukleus, um den sich in der Waldhundfamilie alles dreht. Oder besser: drehen sollte. Biologe Florian Sicks, der im Tierpark für die kleinwüchsigen Raubtiere verantwortlich ist, scheint mit den beiden Wildcaniden nicht sehr zufrieden.

„Nicht dominant genug“, sagt er – und meint damit besonders das Weibchen im Fünferrudel. In der Natur wäre es nie dazu gekommen, dass sie in der Rangfolge ganz oben stünde und sich fortgepflanzt hätte.

Waldhunde sind südamerikanische Urwaldräuber, die gedrungenen Tiere sind katzengroß und marderähnlich. Allein ein Stummelschwanz unterscheidet sie deutlich von ihren Verwandten wie dem Wolf. In Gruppen bis zu zehn Exemplaren jagen die erdfarbenen Hunde selbst größere Tiere, etwa Wasserschweine. Ihre Taktik: Einer schleicht sich von einer Seite an die Beute heran, überrascht sie und jagt sie den anderen Rudelmitgliedern zu. Die stürzen sich dann auf das erschreckte Tier.

Falls es sich um einen Hirsch handelt, greifen alle Waldhunde schon mal von einer Seite an, drängen das Tier in ein nahes Gewässer und erlegen es dort. Die Hundeartigen haben nämlich Schwimmhäute zwischen den Zehen und können sich im Wasser wendiger bewegen als ein Hirsch.

Rivalen wegbeißen

Diese Attacken erfolgen unter der Aufsicht des Alphapärchens. Es hält das Rudel zusammen, beißt mögliche Rivalen weg und tötet sogar Jungtiere rangniedriger Weibchen. Meist passiert es allerdings gar nicht, dass sich diese überhaupt paaren. In einer harmonischen Waldhund-Gruppe ist die Hierarchie so klar wie in der Regierung Nordkoreas.

Nur im Tierpark ist das eben nicht so. Marina setzt sich gegen die anderen Weibchen nicht durch. Von einem lustvollen Zurechtstutzen mit spitzen Zähnen kann keine Rede sein. 2012 kam es sogar zum Eklat: Eine andere Hündin warf Junge. „Dass die sich überhaupt gepaart hat, ist schon ein Skandal“, sagt Florian Sicks.

Schwache Strukturen

Und dass sich das Rudel gemeinschaftlich um den Nachwuchs gekümmert hat, freut zwar den Besucher, aber nicht den Biologen. Es ist ein Zeichen von schwachen Strukturen, die nur in Gefangenschaft eine Chance haben. In Panama, Brasilien oder Venezuela, wo Speothos venaticus lebt, hätte sich längst ein fremdes Paar an die Spitze gebissen. Ein Staatsstreich mit Zähnen und Krallen, und der Führungsanspruch wäre klar formuliert.

Marina quiekt. „Kontaktlaute“ nennt das Sicks, damit orten sich die Hunde. Ganz normales Verhalten. Wo bist du?, fragt sie, oder auch: Was machst du da gerade? Die akustische Kommunikation ist bei den Waldhunden sehr wichtig, beinahe alle Töne erklingen im Hochfrequenzbereich.

Wie eine Alarmanlage

Noch eine gute Nachricht: Marina markiert ordentlich. So wie es sich für ein Waldhund-Weibchen gehört. Sie positioniert sich an einen Stamm, stellt sich auf die Vorderbeine wie bei einem Handstand und stützt die hinteren Gliedmaßen am Baum ab.

Dann reibt sie kopfüber ihren Unterbauch am Holz, ihre Drüsen produzieren ein Sekret, das wie eine Alarmanlage bei einem Eigenheim funktioniert und allen herumschnüffelnden Waldhunden mitteilt: Dieses Haus respektive Revier ist besetzt.

WALDHUND IM TIERPARK

Lebenserwartung:  10–12 Jahre

Fütterungszeiten:  keine öffentlichen Fütterungen, nur im Stall

Interessanter Nachbar: Mähnenwolf, Klippschliefer, Afrikanischer Elefant

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