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Ewiger Herrscher. Der Löwe in dieser italienischen Villa ist eines der wenigen Tiere, die ausgestopft fotografiert wurden.

© Henk Van Rensbergen

Bildband von Henk Van Rensbergen: Als die Tiere den Wald verließen

Ein Löwe im Palast, eine Kuh in der Mall. Wenn der Mensch nicht mehr da ist, übernehmen sie dann seinen Platz? Ein Fotograf fantasiert.

Endlich herrscht er wieder über sein Reich. Zu lange war ihm der Platz an der Spitze durch den Menschen streitig gemacht worden. Gejagt, gezähmt, eingesperrt, zur Schau gestellt – gedemütigt hatten sie ihn. Doch nun sind sie fort. Der König ist tot, lang lebe der König. Vielleicht sind das die Gedanken, die dem Löwen durch den Kopf gehen, als er aus dem Fenster blickt, auf eine Welt post Homo sapiens.

Fotograf Henk Van Rensbergen will die Tiere in seinem Bildband „No Man’s Land“ als denkende, fühlende Erben der Menschen zeigen. Diese wurden durch eine nicht näher definierte Katastrophe ausgelöscht. Schlangen, Giraffen und Hühner streifen nun durch die verlassenen Krankenhäuser, Hotels und Universitäten.

Der Belgier lichtet schon seit 30 Jahren verlassene Orte auf der ganzen Welt ab. Italienische Paläste und Kirchen, nie vollendete Baustellen in Mexiko. „Wenn Leute meine Fotos ansehen, glauben sie oft, ich sei der erste, der diese Plätze nach Jahrzehnten betritt. Das stimmt nicht. Andere Reisende, Obdachlose, Jugendliche aus umliegenden Dörfern hinterlassen ihre Spuren.“ Menschen sind immer nah – darum dachte Van Rensbergen sie sich für sein aktuelles Projekt einfach weg. Es bleiben: die Tiere.

Die Tiere haben Namen bekommen

Sie fotografierte er in Zoos, auf Farmen oder auf der Straße. Kleinarbeit, denn sie mussten zu dem für sie ausgewählten Raum passen. Und Tiere machen nun mal nicht, was der Künstler will.

In einen Raum voller verschmutzter Betten, eine Art Lazarett, montiert Van Rensbergen einen Affen. Er lugt verängstigt Richtung Kamera. Sein Fell schwarzgrau. Die Betten weißgrau. Licht, Atmosphäre und Farben entscheiden darüber, welches Tier der Fotograf dort einziehen lässt.

Die Fotos entstanden unter anderem in Deutschland, Belgien und den USA. Tier und Raum können dabei ganze Kontinente trennen. Der Orang-Utan vom Cover lebt in einem amerikanischen Zoo, sein verfallenes Haus steht in Japan.

Wo genau, verrät Van Rensbergen nicht. Denn ohne Menschen gibt es auch deren Art, die Welt zu kartografieren, nicht mehr. Die Tiere haben alle Namen bekommen, aufgelistet am Ende des Buches. Der königliche Löwe heißt Jeroen, Innocentius ein Schwein, zwei Hasen werden Kevin und Alice genannt. Sie sollen dadurch eine Identität bekommen, wie sie Menschen vorbehalten ist. Immerhin leben sie nun dort, wo die einst existierten.

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