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Martin und Katharina Winkelmann, Malermeister Uwe Walter (v.l.) vor dem BVB-Haus.

© Björn Rosen

BVB und Schalke: Ein Stadion im Miniaturformat

Ruhrgebiet und Fußball – da ist das Herz stärker als der Verstand. Manche malen sogar ganze Häuser in den Farben ihres Klubs an. Glückauf!

Nur mit der Wiese vor dem Haus hat es noch nicht geklappt. Sobald die Winkelmanns einen Gärtner gefunden haben, soll die sich in ein Dortmunder Stadion im Miniaturformat verwandeln. Der Rasen getrimmt, darauf gekalkte Linien, Buchsbäume als Torpfosten und am Rand die Südtribüne: Statt der leidenschaftlichsten Fans der Borussia stünden dort Pflanzen in den Vereinsfarben Schwarz und Gelb.

Als sie die echte Tribüne das erste Mal sah, 1999, beim Bundesligaspiel gegen 1860 München, „da habe ich Tränen in die Augen gekriecht“, sagt Katharina Winkelmann. „Dat isses!, habe ich gedacht. Dieser Eindruck ist so überwältigend, da ist man für immer mit Leib und Seele Süd.“

15 Jahre später mag die gebürtige Recklinghäuserin vielleicht nicht der größte Fußballfan Deutschlands sein, aber sicher derjenige mit dem bekanntesten Zuhause. Winkelmann, die die Tiefkühlabteilung eines Supermarkts leitet, hat ein Facebook-Profil für ihr Wohnhaus eingerichtet und sogar Visitenkarten drucken lassen, „Katja Winkelmann – das BVB Haus“ steht darauf, und wenn sie nicht ans Telefon geht, meldet sich der Anrufbeantworter der Familie mit: „Sie haben das BVB-Haus erreicht.“

Das Haus, in dem es insgesamt vier Wohnungen gibt, ist nicht zu übersehen: dreistöckig, knallgelb, und über der Eingangstür hängt eine kreisrunde Plane mit dem BVB-Logo, 2,50 Meter im Durchmesser. Mit der Straßenbahn braucht man eine halbe Stunde vom Dortmunder Hauptbahnhof bis hierher. Brackel, im Norden der Stadt gelegen, war früher ein Bauerndorf. Im Zentrum verläuft eine Einkaufsstraße, links und rechts davon stehen Ein- und kleine Mehrfamilienhäuser, nicht weit entfernt liegt das Trainingsgelände von Borussia Dortmund.

Die Eigentumswohnung von Katharina und Martin Winkelmann liegt im Erdgeschoss, beide sitzen in BVB-Trikots auf dem Sofa. Neben ihnen hat Uwe Walter Platz genommen, der Malermeister, der das Haus 2011 schwarz-gelb gestrichen hat – kostenlos. Weil er auch BVB- Fan ist, und weil die Aktion, er gibt das gern zu, ein Werbegag für seine Firma war.

200 Liter Farbe waren nötig, die Südtribüne an der Seitenwand musste allerdings wieder überstrichen werden. Ein Nachbar mochte das ganze Projekt nicht. „Müssen wir jetzt nicht drüber sprechen, gibt bloß wieder böses Blut“, sagt Frau Winkelmann, springt auf und öffnet die Tür zur Kammer, in der die Waschmaschine rumpelt. Die Wand: gelb, mit einer schwarzen Dortmunder Skyline.

Dann führt sie in den Keller, zum schwarz-gelben Fitnessraum, ein Überraschungsgeschenk für ihren Gatten. Der ist in Brackel groß geworden und seit seiner Kindheit BVB-Fan. „1978/79, mit elf, war ich das erste Mal im Stadion“, erzählt er. Wer von beiden der besessenere Fan ist, lässt sich kaum sagen. Die Idee mit dem Hausanstrich stammt von Martin Winkelmann: Als es in der Saison 2010/11 schon gut aussah für den BVB, beschloss er, man müsse im Falle der Meisterschaft etwas Außergewöhnliches tun. Aber seine Frau war es, die sofort eine Zeitungsanzeige schaltete, um einen Maler aufzutreiben.

Wie das Schalke-Haus in Gelsenkirchen aussieht

Das Schalke-Haus der Familie Bajda in Gelsenkirchen.
Das Schalke-Haus der Familie Bajda in Gelsenkirchen.

© Björn Rosen

„Wir sind bei jedem Spiel im Stadion“, sagt Katharina Winkelmann. „Ja gut, wenn man mal im Urlaub ist...“, sagt ihr Mann – „Wann soll das denn gewesen sein, Schatz? Wir fahren doch nicht in Urlaub, wenn Borussia spielt!“

Schaulustige kommen regelmäßig, nur auf Trainer Jürgen Klopp warteten sie bisher vergeblich. Den Keller haben sie sogar mal einem polnischen Fernsehteam gezeigt. „Komm ich von der Arbeit, steht hier ’ne dicke Kamera“, erinnert sich Frau Winkelmann. „Und letztens“, sagt ihr Mann, „war ein ganz Verrückter aus England da, ein Stadionhopper, der ist mit seinen Kumpels vorgefahren und ums Haus herumgelaufen.“ Zwei dänische Journalisten hatten sie zu Besuch, Sky, Sat1 und „11 Freunde“, die Ruhrnachrichten und den WDR sowieso. „So was wie unser Haus gibt’s nicht nochmal“, sagt Katharina Winkelmann.

Na ja, eigentlich schon. Selbstverständlich auch im Ruhrgebiet, wo Fußball, wie es so schön heißt, gelebt wird. Und gewohnt offenbar auch. In Gelsenkirchen-Buer, nicht weit entfernt vom Stadion, in dem Schalke 04 spielt, hat Ulrich Bajda seine Hälfte eines Hauses in einen Liebesbeweis für den Erzrivalen des BVB verwandelt. Die Fassade ist blau und weiß bemalt, das Schalke-Logo an einer Seitenwand in ein Herz gefasst. „Seit 2007 sieht das so aus“, erzählt Bajda. „Wir mussten wegen der neuen Wärmedämmung streichen. Beige wollte meine Frau nicht. Das hat jeder, hat sie gesagt.“ Obwohl sich das Haus in einer ruhigen, grünen Seitenstraße versteckt, kam Besuch von überallher. „Jemand hat mal Fotos ins Internet gestellt. Mittlerweile ist das Interesse geringer geworden.“

Bajda ist Maler, auch im Stadion hat er schon gestrichen. Sein erstes Schalke-Spiel erlebte der 57-Jährige mit 13 in der Glückauf-Kampfbahn. Heute sehe er Fußball meist nur noch im Fernsehen. „Unsere Nachbarn sind alles Blau-Weiße, meine Verwandtschaft auch – nur meine Schwiegertochter kommt aus einer schwarz-gelben Familie.“ Zeitgleich zur Geburtstagsfeier der Enkeltochter spielte der BVB mal gegen S04. „Da saßen die alle in schwarz-gelben Trikots im Schalke-Haus“, erzählt Bajda amüsiert. „Für mich ist das aber kein Problem.“

Am kommenden Samstag treffen beide Vereine wieder aufeinander, für viele Fans von Schalke und Dortmund ist es der Höhepunkt des Fußballjahres. Ulrich Bajda wird sich das Spiel auf jeden Fall live im Bezahlfernsehen anschauen, „die Spannung ist größer als sonst“, sagt er. Und die Winkelmanns werden früher ins Stadion aufbrechen, um die Atmosphäre zu genießen.

Letzte Frage: Stimmt es, dass am BVB-Haus ein Schalke-Fan mitgearbeitet hat? „Ja, einer unserer Nachbarn. Der hat geholfen, das Logo aufzuhängen“, sagt Katharina Winkelmann. Später bekam der Mann erst „solchen Ärger“, dann eine BVB-Tasse geschenkt, und heute, erklärt die resolute Frau Winkelmann, „hat er eine Borussia-Flagge draußen hängen“.

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