zum Hauptinhalt
Barbara Schmidt, Chefdesignerin bei Kahla

© Mike Wolff

Chefdesignerin von Kahla: „Es musste erst Klick machen"

Sie hat revolutionäre Ideen – und damit einer Thüringer Firma zum Erfolg verholfen. Barbara Schmidt über Porzellan, DDR-Design und einen anstößigen Phallus.

Barbara Schmidt, 46, entwirft als Chefdesignerin bei Kahla in Thüringen Porzellan. Das Bauhaus-Archiv ehrt die gebürtige Ost-Berlinerin derzeit mit einer Werkschau. Und an der Kunsthochschule Weißensee wird sie jetzt Professorin für Design und Experiment. Schmidt wohnt mit Mann und zwei Kindern in Pankow

Frau Schmidt, Sie haben für Ihr Design mehr als 40 Preise gewonnen und werden jetzt im Berliner Bauhaus-Archiv mit einer eigenen Werkschau gewürdigt – normalerweise muss man tot sein, um da geehrt zu werden.

Nicht unbedingt, aber es kann schon sein, dass ich da zu den Jüngsten zähle.

Sie sind ein Anachronismus, denn Sie entwerfen seit 20 Jahren Geschirr als Angestellte derselben Firma. Wissen Sie, wie viele Menschen von Ihren Tellern essen und aus Ihren Tassen trinken?

Ich bin kein Zahlenmensch, aber neulich wurde mir gesagt, dass zwischen 1999 und 2012 weltweit 50 Millionen Teile von mir verkauft wurden. Da war ich selbst baff.

Trotz aller großen Erfolge kennt Ihren Namen außerhalb der Branche kein Mensch. Schmidt klingt auch nicht wie Colani, Boss, Missoni oder Starck.

Ach, ich lebe schon so lange ganz gut mit Barbara Schmidt. Ich hätte ja bei der Heirat den Namen meines Mannes annehmen können, nur: Der heißt Müller. Ich habe von einem Paar gehört, das den Doppelnamen Müller-Schmidt gewählt hat. Dass so was überhaupt erlaubt ist …

Auf dem Weg zu Ihnen hier in Pankow sind uns jede Menge Leute begegnet mit einem Pappbecher Kaffee in der Hand. Macht Ihnen das Sorgen?

Überhaupt nicht. Beim stationären Kaffeetrinken greifen die meisten noch immer lieber zum Porzellan. Es wird ja auch schon lange prophezeit, unsere Ernährung würde sich so dramatisch verändern, dass wir irgendwann nur noch Astronautenpaste essen oder 3-D-gedruckte Pseudo-Lebensmittel. Genauso lange heißt es, Kunststoff würde keramische Materialien ersetzen. Klar hat der Pappbecher Vorteile, wenn man unterwegs ist, er ist leicht, kann nicht zerbrechen.

Benutzen Sie selber welche?

Ich reise beruflich viel, schon weil Kahla in Thüringen sitzt, und ich in Berlin lebe. Früher habe ich mir morgens in die Bahn auch mal einen Kaffee in Pappe mitgenommen. Das habe ich mir abgewöhnt, heute gehe ich in den Speisewagen. Jeder denkt ja, ach, so ein Becherchen, was macht das schon? Doch in der Summe produzieren wir jeden Tag riesige Berge an Müll. Außerdem finde ich diesen Papprand an den Lippen unangenehm.

Bei einem Ihrer gerühmten Entwürfe haben Sie die Tasse zur Seite geschoben, sie steht nicht mehr in der Mitte des Untertellers. Ein Gag?

Nein. So ist mehr Platz für ein Plätzchen, ein Stückchen Schokolade, das nicht gleich schmilzt: Der Abstand zur heißen Tasse ist größer.

Sie gelten als Revolutionärin des Geschirrs, Sie haben den Aufruf des finnischen Designers Kaj Franck „Zerschlagt das Service!“ in die Tat umgesetzt.

Ich bin ja selber damit aufgewachsen und habe das im Studium so gelernt: Zu einem richtigen Geschirr gehören Kaffeekanne, Zuckerdose, Sahnegießer, Suppenterrine, Sauciere, man hat die gleichen Teller und Tassen für 12 oder sogar 24 Leute. Die Kaffeekanne war die Mutter des Ganzen, von ihr wurde beim Entwerfen die Form abgeleitet und auf die anderen Teile dekliniert. So habe ich auch noch meine ersten Geschirre gestaltet.

Und dann?

Habe ich gemerkt, so leben die Menschen nicht mehr, an die Stelle der Großfamilie ist die Patchworkfamilie getreten, man will mobil sein, wer eine Espressomaschine hat, braucht keine Kaffeekanne mehr. Und: Ich selber benutze das ja alles gar nicht. Ich war 24, hatte eine eigene Wohnung, Teller und Tassen hatten sich irgendwie so nach und nach eingefunden bei mir. Selbst wenn ich die finanziellen Mittel gehabt hätte – es wäre mir komisch vorgekommen, alles perfekt einzurichten. Ich benutze am liebsten Schalen, die schmiegen sich an die Hand, daraus kann ich trinken, Salat essen, Dessert, Suppen, alles. Große flache Teller sind praktisch nur noch für Schnitzel und Steaks unverzichtbar. Ich habe mich gefragt: Was ist wirklich essenziell? Die Antwort war: wenig. Plötzlich war mein eigenes Verhalten der Maßstab für meine Entwurfsarbeit. Das scheint so auf der Hand zu liegen, es klingt so banal – doch es musste erst mal Klick machen im Kopf!

Als der Deckel gleichzeitig Untertasse war

Und Ihr Chef meinte: Frau Schmidt, was soll das?

Oh nein, seine Parole war: Design oder Nicht-Sein. Eher hieß es: Ein paar Teller und Schalen, das ist alles? Ich hatte für die Serie „Update“ mit einem Basis-Set aus acht Teilen angefangen, was man eben so braucht, um einen Haushalt einzurichten. Kaffeebecher, Deckel, mittlere Schale mit Deckel, flacher Teller, eine runde Backform, um etwas im Ofen warm machen zu können und …

… alles ist kombinierbar und multifunktional: Der Deckel ist gleichzeitig Untertasse.

Das war zentral, ganz wichtig, ja.

Zu DDR-Zeiten hatte der VEB Feinkeramik 17 Produktionsstätten und 18 000 Mitarbeiter, die Firma Kahla als Nachfolgerin hat 300 Beschäftigte. Hatten Sie als junge Designerin da einen Plan B?

Nein, ich war glücklich, dass mir 1991 gleich nach dem Studium eine Stelle angeboten wurde. Andererseits war das eine bizarre, traurige Situation. Es gab auf dem Werksgelände einen direkten Gleisanschluss an die Bahn, da rollten früher die Waggons rein, wurden befüllt und geradewegs nach Moskau geschickt. Der erste Privatisierer nach der Wende hat noch darauf gesetzt. Doch es wurde schnell klar, das geht nicht mehr, dieser Export ist komplett weggebrochen.

Die europäische Porzellanindustrie beklagt sinkende Umsätze, Traditionsfirmen wie KPM oder Wedgwood gingen den Bach runter. Kahla hingegen, bei der 1993 ein ehemaliger Rosenthal-Manager einstieg, gilt als deutsch-deutsches Wirtschaftswunder. Können Sie den Erfolg erklären?

Die Lage als Ostfirma war prekär. Rosenthal oder Hutschenreuther konnten noch eine Weile von ihrem historischen Erbe leben, sie hatten Klassiker im Programm, Cashcows, die das Ganze trugen. Kahla hatte nichts. Da musste einfach etwas Neues passieren! Schon 1997 haben wir die erste schwarze Null geschrieben.

Im Katalog zu Ihrer Ausstellung im Bauhaus-Archiv heißt es über die Arbeit des Designers in der DDR, dass er alle „mittels Gestaltung von Räumen und Gegenständen zu glücklicheren, vulgo besseren Menschen machen will“. So was wurde Ihnen im Studium auf Burg Giebichenstein in Halle beigebracht?

Klar. Ganz fremd ist das auch in der heutigen Design-Ausbildung nicht. Wir fragen ja nie, wie maximiere ich den Profit eines Herstellers, wo sind Marktlücken? Bei allen Überlegungen steht der Mensch im Mittelpunkt. Was ich mich im Studium eher gefragt habe, war: Würden meine Entwürfe als Gestalter in der Industrie jemals in Produktion gehen? Die Aussichten waren gering.

Warum?

Es gab Gestalterteams, die haben den Trabant weiterentwickelt und immer neue Modelle entworfen. Nur gebaut wurden diese Autos nie.

Aber mit den falschen Entwürfen konnte man richtig Ärger kriegen. Einer Ihrer Lehrer hat das erlebt.

Ja, Hubert Petras ist mit zylindrischen Vasen so angeeckt, dass seine berufliche Existenz bedroht war. Die Vasen waren zu schlicht, zu geradlinig, hatten kein Ornament. Es hieß, unsere Menschen wollen so was nicht! Hedwig Bollhagen, die solche Vasen in Keramik gemacht hat, wurde genauso angegriffen. Der ganze Bauhaus-Funktionalismus war bei den Kulturpolitikern der frühen DDR nicht erwünscht.

Andere Designer entwerfen heute einen Glastisch und morgen einen Holzstuhl. Sie dagegen arbeiten schon Ihr ganzes Berufsleben lang mit Porzellan. Erklären Sie mal, was daran so faszinierend ist.

Wo soll ich anfangen? Es ist hart wie Stahl, weiß, glatt, kühl, dabei aber auch sehr sinnlich. Und gleichzeitig hygienisch: Für Lebensmittel ideal, weil es geschmacklos ist und dicht – weder Wasser noch Dreck können da eindringen. Außerdem klingt es schön, wenn man mit dem Finger dagegenschnippt. Porzellan altert kaum, so dass es von Generation zu Generation weitergegeben werden kann. Kunststoff dagegen wird spröde und brüchig, er ist auch so leicht hochzuheben, das finde ich unbefriedigend. Das gefällt mir gerade am Porzellan: dass es eine fühlbare Schwere hat, da hält man was in der Hand. Dünnes Porzellan wiederum ist transluzent, wird durch das hindurchdringende Licht warm getönt. Und es kann Strukturen und Texturen tragen. Dass etwas so wahnsinnig Widerstandsfähiges andererseits in einer einzigen Sekunde kaputt gehen kann, das berührt mich sehr. Porzellan hat für mich etwas von einem Wunder.

Von diesem Wunder kostet, bei KPM zum Beispiel, eine einzelne Tasse schon mal 400 Euro. Das ist doch übergeschnappt.

Wenn Sie daraus trinken, genießen Sie das mit einem ganz besonderen Gefühl. Aber eigentlich ist so eine Tasse auch eher etwas, was man sich in die Vitrine stellt. Da steckt ein unglaublicher Aufwand an Handarbeit drin. Bei KPM werden die Farben mit einem Schwämmchen gestupft, so t-t-t-t-t, man sieht an der Oberfläche noch eine leichte Textur. Das ist etwas für Kenner.

Ihr Geschirr bleibt meist weiß.

Da haben sich die Verhältnisse auf den Kopf gestellt: Früher waren 70 Prozent des Geschirrs bemalt und verziert, heute ist es umgekehrt.

Wie viele Menschen an einer Tasse arbeiten

Bei Ikea gibt es die Tasse für einen Euro. Bei Kahla von etwa fünf Euro aufwärts.

Eine Tasse für einen Euro in Deutschland zu produzieren, das geht nicht. Nur in China oder Bangladesch, und von dem Euro geht wohl das meiste für Transport und Werbung drauf. Was verdienen denn dann die Menschen, die das produzieren? Mit gutem Gefühl kann man so etwas nicht kaufen. Ich wundere mich oft, wie wenig die Leute wissen über die Herstellung der Dinge, die sie jeden Tag nutzen. Bei Betriebsführungen staunen die Besucher, durch wie viele Hände selbst in der industriellen Fertigung so eine Tasse geht.

Und?

Massehubel in die Maschine einlegen, gedrehte Tasse entnehmen, Henkel gießen ... Mindestens neun Menschen nehmen so eine Tasse in die Hand.

Sie modellieren sogar von Hand. Wäre der Computer nicht einfacher?

Die Arbeit an einem Modell in der Werkstatt ist für mich ein direkter, sinnlicher Zugang beim Entwerfen. Da kann ich intuitiv arbeiten. Ich schnitze jeden Henkel aus Gips, vier, fünf verschiedene für eine Tasse. Ich kann dann spüren, wie er sich anfühlt. Ein Henkel ist ja eine Einladung: Fass mich an. Ich finde es unbefriedigend, dreidimensionale Sachen am Bildschirm zu konstruieren, dann lange warten zu müssen, bis sich das vergegenständlicht. Ich bin überzeugt davon, dass die Arbeit mit Händen den Gedankenfluss aktiviert und mich inspiriert. Das ist beim Werkeln in der Küche genauso.

Man sieht der Küche an, dass sie genutzt wird. Da drüben liegen Kräuter, Gurken, Kohlrabi, Tomaten ...

Ich koche jeden Tag. Der Herd ist meine Werkbank, da kommen mir Ideen fürs Porzellan. Wenn man Gemüse schneidet, sieht man plötzlich etwas im Inneren, das eben noch verborgen war. Wenn Sie eine Birne hinstellen und bohren oben ein Loch rein, haben Sie eine Vase, wenn Sie unten waagerecht schneiden, haben Sie ein Schälchen und …

… so sieht eine Zuckerdose von Ihnen aus. Der Löffel steht im verjüngten Teil der Birne versteckt. In den USA konnte das nicht verkauft werden. Ein Phallus!

Ja, so haben es die Amerikaner gesehen. Doch in den Gesprächen mit unseren Vertriebsleuten haben sie sich derart geziert, dass ihr Problem gar nicht zu verstehen war. Bis es explizit ausgesprochen wurde. Dann musste ein neuer Deckel her.

Und wie sieht der aus?

Flacher Deckel auf bauchiger Dose, die Kastration einer Zuckerdose. Seltsam.

Wenn gleich unangemeldeter Besuch kommen würde, was kochen Sie dann?

Eine Suppe. Kürbis, Zucchini, das geht schnell. Oder Kartoffelsuppe, Eintopf, das essen auch die Kinder gerne. Die ganz große Kochakrobatik, so kompliziertes Zeug, liegt mir nicht so. Aber scharf darf es bei mir sein.

Die DDR galt, von Westen aus betrachtet, als grau, trist und unförmig. Was gab es an Design, das Sie heute noch toll finden?

Die Bauten von Ulrich Müther, seine Strandwachehäuschen auf Rügen und andere Schalenbeton-Freiformen. Auch das Ahornblatt in der Leipziger Straße, das nach der Wende abgerissen wurde. Es ist erstaunlich, dass er das alles bauen konnte, denn damit war er nicht auf der offiziellen DDR-Linie – im Sozialismus wurde anfangs Stein auf Stein gemauert. Erst als das Wohnungsproblem nicht anders gelöst werden konnte, wurde Beton als Material rehabilitiert. Vieles betrachte ich heute mit anderen Augen. Das DDR-Stapelgeschirr von Margarete Jahny und Erich Müller ist richtig schön. Das Problem war nur, dass solche Sachen, wie die Mitropa-Tassen, so omnipräsent waren, es gab nur das eine und das überall, sodass man sie einfach nicht mehr sehen konnte. Meine Eltern haben versucht zu kaufen, was es Gutes gab, das war nicht einfach. Der Schrank da drüben …

… oben und unten Holz, dazwischen Glasvitrine …

… ist Hellerau, das läuft jetzt unter DDR-Moderne. Eschenfurnier. So bunte Plastikdinge, die man als Kind liebt, kamen bei uns nicht ins Haus. Eher etwas von den Großeltern.

In der Vitrine steht allerlei altes Geschirr.

Moment, ich hole was. Das hier ist eine Tasse vom Urururgroßvater, Carl-Christian Handtmann, der war Hofgärtner in Sanssouci. Mit kleinen goldenen Ranken und Spalier, er soll sie dem englischen Gesandten abgekauft haben. Das war zweite Wahl von KPM, das gab’s damals schon. Am Tassenboden sind winzige Flecken, die sie liebevoll mit Insekten übermalt haben. Dass Porzellan über mehrere Generationen weitergegeben werden kann, hat mich schon als Kind berührt, wenn mein Vater diese Tassen für uns aus dem Museumsschrank genommen hat. Da habe ich mir gewünscht, später Porzellanmalerin zu werden. Wissen Sie übrigens, was ich aus der DDR vermisse?

Erzählen Sie’s.

Die Graustufen. An die grellen Farben im Stadtbild von West-Berlin mussten sich meine Augen erst gewöhnen. Überhaupt war die Wende eine Herausforderung für die Sinne, so viele ungewohnte Geräusche, Gerüche, Geschmäcker. Ich sehe ja ein, dass Häuser saniert werden müssen, doch ich mochte die Vielfalt der Grautöne in Prenzlauer Berg – sie erinnerte mich an die Ästhetik keramischer Oberflächen.

Der Erfolg des Zwiebelmusters

Ihr Bruder, der Schriftsteller Jochen Schmidt, fragt: „Warum muss es immer Neues geben? Ich liebe meine Zwiebelmustertassen.“

Na ja, die darf man mögen, völlig in Ordnung. Damit sind wir aufgewachsen.

Verstehen Sie den Erfolg des Zwiebelmusters?

Blau-Weiß ist bei Porzellan eine klassische Kombination. Das ist wie bei Jeans, dieses Indigo-Blau ist auch beliebt. Die Jeans ist nicht homogen durchgefärbt, mit der Benutzung wird sie schöner, das Blau bekommt Tiefe. Nun nutzt sich Porzellan nicht ab, und Kobalt ist als Farbkörper chemisch so stabil, dass er irrsinnig hohe Brenntemperaturen aushält. Doch er blutet mit der Glasur ein wenig aus, ist also ein sehr lebendiger Farbstoff. Und dann ist das Zwiebelmuster seit fast 300 Jahren Teil unseres kulturellen Gepäcks. Die Originalmotive kamen aus China, wurden hier kopiert, immer wieder abgewandelt und neu zusammengestrickt. Es spielt also eine große Vertrautheit mit, eine ästhetische Konstante. Und das Muster funktioniert mit vielen Materialien am Tisch, es sieht auf einer weißen Decke gut aus und auf Holz auch.

Was ist denn Schönheit für Sie?

Sicher nicht die reine Harmonie, das hat Arno Breker mit seinen Skulpturen versucht, die sind schon deshalb schlimm, auch ohne seine Verstrickung mit den Nazis. Zur Schönheit gehören Brüche, leichte Disproportionen und Verwunderungsmomente, sogar Hässlichkeit. Ein Beispiel: Ich finde Blumen am schönsten, wenn sie am Verblühen sind, wie die hier auf dem Tisch. Auch in Klarheit und Reduktion liegt für mich Schönheit.

40 Prozent Ihres Geschirrs werden exportiert. Gibt es denn nach Ländern stereotypische Geschmäcker?

Dänen gefällt unser aquablau glasiertes Geschirr, bei den Franzosen darf es golden sein, repräsentativer. Engländer mögen ihre traditionellen Dekore – beides für Kahla eher schwierig. Und bei den Amerikanern muss es groß sein, bei einem Geschirr musste ich einen zusätzlichen Kaffeebecher machen, XXL. Für mich ist das ein Bierhumpen.

Sie haben immer mal wieder eine Auszeit genommen und in Japan, Finnland und Holland gelebt. Welche Lichter sind Ihnen dabei aufgegangen?

Bei den Finnen hat mich die Sensibilität für Material, Handwerk und Ressourcen beeindruckt. Da war Nachhaltigkeit ein Thema, lange bevor das Wort bei uns bekannt wurde. In Japan sah ich viel Liebe zur Qualität, beim Essen und zu Gebrauchsgegenständen. Kontraste statt Einheitlichkeit. Auf dem Tisch stehen feines Porzellan, Gusseisen, Holz, grobe Keramik und Metall beieinander, dadurch entsteht eine abstrakte Bildkomposition mit Essen. Die Niederlande fand ich weltoffen – ein lässiger Umgang mit der kulturellen Mischung, im Design konzeptionelles Denken.

Frau Schmidt, was ist der sinnloseste Gegenstand in Ihrer Küche?

Ein Weinstopfen aus Edelstahl.

Darf eine Fertigpizza auf einen KPM-Teller?

Warum nicht?

Spülen per Hand oder Maschine?

Unsere Arbeitsteilung war: Ich koche, mein Mann wäscht ab. Ich fand, wir brauchen keine Maschine, irgendwann hat er einfach eine gekauft.

Am Polterabend wird Porzellan zerschlagen. Schändung oder ein schöner Brauch?

Mir würde es wohl um das eine oder andere Stück leidtun. Aber Scherben bringen Glück, dieser Spruch hat was Tröstendes.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false