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Foto: Stuart C. Wilson/Getty Images

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Der britische Starkomiker John Cleese: „Hunde sind doch alle kleine Nazis“

John Cleese isst gern Gans, sammelt Plüschtiere und sieht in David Cameron einen Papagei. Nur zwei Dinge bedauert er: einen Witz über Oscar Pistorius und seine 20-Millionen-Dollar-Scheidung.

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Mister Cleese, Tiere nehmen eine zentrale Rolle in Ihrem Leben ein, privat wie beruflich. Ein Sketch spielt im Zoogeschäft, da wird ein Papagei immer wieder auf den Ladentresen geschmettert …

Den Vogel haben wir nicht gequält, der war definitiv vorher mausetot.

… und in dem Film „Ein Fisch namens Wanda“ werden lebende Goldfische gegessen.

Selbstverständlich.

In „Ritter der Kokosnuss“ tritt ein aggressives Killer-Kaninchen auf. Mal ehrlich: Sie hassen Tiere.

Nein, nein, im Gegenteil. Ich behaupte sogar, sehr sentimental zu sein, was Tiere angeht, sie haben mich von jeher wahnsinnig interessiert. Ich erinnere mich gut an meinen ersten Besuch im Londoner Zoo, da tat sich ein völlig neues Universum auf. Ich liebte es, die Viecher zu beobachten. Studieren Sie mal das Sozialverhalten auf einem Affenfelsen, die Hierarchie, der Big Boss, die Jungen, die Weibchen. Das hilft Ihnen auch, mit Menschen zurechtzukommen. Etwas mit Tieren hätte ich mir gut beruflich vorstellen können, oder Psychologie – aber nur eine rein akademische Laufbahn. Ich will doch meine Zeit nicht mit Leuten verbringen, die emotionale Probleme haben.

Davon hatten Sie stets selbst genug.

Das können Sie laut sagen.

Sie behaupten, als Kind habe Sie ein Kaninchen angeknabbert. Ein Trauma?

Da habe ich wohl leicht übertrieben, das Kaninchen hat eher an mir geleckt. Jedenfalls bin ich umgeben von Tieren aufgewachsen.

Hunde kommen in Ihrer Autobiografie wenig vor.

Ich mag sie nicht so sehr wie Katzen. Hunde sind fordernd, wollen Aufmerksamkeit, Katzen sind einfach da. Wir haben drei Katzen, zwei davon aus amerikanischer Zucht, Maine Coon. So etwas haben Sie noch nie gesehen, eine bringt zehn Kilo auf die Waage. Vom Gewicht her fast ein Hund.

Man nennt die Maine Coon auch Hundekatze.

Ja, sie ist aber nur b-e-i-n-a-h-e ein Hund, sie ist viel aufregender. Hunde sind doch alle kleine Nazis. Sie tun, was ihr Herrchen verlangt. Man wirft ein Stöckchen, sie rennen hinterher und bringen es zurück. Wie blöd sind die denn? Eine Katze würde sagen, was soll das mit deinem dämlichen Stock, hol’ ihn dir gefälligst selber!

Dafür liebt und umschmeichelt Sie ein Hund.

Sag ich doch, alles kleine Nazis. Sie müssen immer einen Führer haben, den sie bewundern können.

Von Ihnen gibt es ein Kinderfoto, da haben Sie einen Teddybären im Arm. War der wichtig?

Extrem. Ich traue mich das kaum auszusprechen, weil es so kindisch ist: Ich hatte immer eine außergewöhnliche Beziehung zu Plüschtieren. Ich sammle sie, sie bringen mich zum Lächeln, wenn ich sie sehe, dann muss ich sie haben. Meine Kollektion ist schon verdammt umfangreich.

Die jüngste Errungenschaft?

Moment, das letzte Tier war … Gestern schenkte mir die Frau vom Verlag eine bayerische Kuh. Aber selbst gekauft? Ah, ein Schneeleopard, so hoch wie dieser Esstisch hier, ich sah ihn in einem Schaufenster in der Oxford Street als Dekoration. Ich sagte zu Jenny …

Ihrer vierten Ehefrau.

… sorry, es muss sein, und kaufte ihn. Und ein Kamel dazu. Wir haben auch einen fast lebensgroßen Bären. Sie müssen wissen, meine Frau sammelte selbst schon Plüschtiere, ehe sie mich kannte, wir brachten beide eine Menge Viehzeug in die Ehe ein. Jenny hat eine Vorliebe für Kaninchen. Wir haben einen extra Raum für sie, mit einem Himmelbett mit Baldachin, da sitzen die alle drauf oder drumherum. Ich fürchte, ich könnte niemanden lieben, der keine Plüschtiere oder Haustiere mag, da würde eine wichtige Verbindungsschraube fehlen. Tierliebe ist für mich ein Beleg für Güte. Nach unserem Tod werden wir diese Sammlung dem Königreich vermachen.

"Ed Miliband ist eine Gans, David Cameron ein Papagei"

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John Clese, 75, Mitbegründer der britischen Komikertruppe Monty Python

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Das Königreich musste sich gerade entscheiden: Ed Miliband oder David Cameron. An welche Tiere erinnern Sie die beiden?

Miliband ist eine Gans, Cameron ein Papagei.

Vor der Wahl gab sich der feine Premierminister Cameron volksnah, aß öffentlich einen Hotdog, aber mit Messer und Gabel, wofür er verspottet wurde. Nun gewann er die absolute Mehrheit. Merkwürdig?

Nun ja, in den 60er Jahren dachte man, das Klassensystem wäre dem Untergang geweiht. Stattdessen floriert es. Unsere Regierung ist voll mit Absolventen der Eliteschule Eton.

Sie wurden als Schauspieler mit Ihrem kuriosen Gang berühmt, in der Rolle eines Beamten vom „Ministry of Silly Walks“ oder in der Serie „Fawlty Towers“, als Sie deutsches Marschieren persiflierten. Hatten Sie da ein Tier vor Augen?

Nicht wirklich. Was ich gut draufhatte, war Timing. Da habe ich nichts improvisiert, alles genau choreografiert, vier Schritte dahin, Drehung, drei Schritte dahin. Ich war äußerst diszipliniert, um lustig zu sein. Wenn ich allerdings mit meinem Freund Graham Chapman auf Tour war, haben wir uns oft gelangweilt, dann machten wir uns scherzhaft gegenseitig vor, wie sich Tiere bewegen. Du bist jetzt eine Giraffe! Du gibst eine Antilope! Vielleicht hat das geholfen, meine körperliche Geschicklichkeit zu verbessern, mag sein.

Im Buch beschreiben Sie sich mal als Flamingo, mal als Stabheuschrecke.

Weil ich so elendig lange, dünne Beine hatte. Als ich mich das erste Mal im Fernsehen sah, wollte ich es gar nicht glauben: Waaaas, das bin ich?

Ihr Lieblingstier auf dem Teller?

Gans. Oder Ente. Ich finde beide sehr schmackhaft und weiß auch nicht, warum man sie nur zu Weihnachten serviert. Wir essen alle viel zu selten Ente und Gans. Schön im Ofen gebraten, begleitet von einer fruchtigen, süßen Soße. Mmmmmh!

Fleischlose Küche ist total im Trend, haben Sie je überlegt, Vegetarier zu werden?

Oh ja. Ungefähr drei Sekunden lang. Wenn Gott gewollt hätte, dass wir Menschen keine Tiere essen, warum hat er sie dann aus Fleisch gemacht? Den Witz habe ich bei einem Schauspieler aus London geklaut, er hat ihn auf Menschen und Kannibalismus bezogen, aber er funktioniert mit Tieren auch gut, finde ich. Ganz im Ernst, raffiniert zubereitetes Gemüse schmeckt absolut delikat, aber ich esse nun mal gerne Fleisch. Moralisch ist das nicht zu rechtfertigen, ich weiß.

Eine ganz kurze, komische Szene nennen Sie einen „Quickie“. Erzählen Sie den besten?

Da fällt mir die wunderbare Aimi MacDonald ein in „At Last the 1948 Show“. Aimi sprach immer mit so einer dümmlichen Stimme (Cleese imitiert sie): „Ich interessiere mich für Astrologie. Ich gucke immer in die Zeitungen, was die Astrologie rät. Ich bin Fisch. Ich gucke also, was steht heute da für den Fisch? Ohhh, das ist gut, da steht: Dein Name ist Aimi MacDonald und du wirst dein Horoskop im Fernsehen vorlesen.“ (Cleese schwillt an, wird rot, dann bricht er in hustendes Lachen aus.) Ist das nicht lustig? Sehr lustig!

Gibt es einen eigenen Scherz, den Sie bedauern?

Ja, ich habe einen geschmacklosen über Oscar Pistorius gemacht, den beinamputierten Sprinter, der seine Freundin erschoss. Ich sagte im Radio, er sei dafür gar nicht verantwortlich, weil er in diesem Moment „legless“ gewesen sei, das ist ein Ausdruck für hackedicht. Ich meinte das ironisch, andere nahmen es für bare Münze. Kann ich mich nur entschuldigen. Ich war ziemlich oft gemein. Der Schauspieler David Hemmings wirkte immer so hölzern. Der Witz war, dass wir im Abspann einer Sendung schrieben, „Hemmings erschien mit besonderer Genehmigung der Forstverwaltung“ (Cleese prustet los). Obwohl, wenn ich es mir überlege, diesen Scherz bedaure ich doch nicht.

In einem der vielen legendären „Monty Python“-Sketche singt ein Wikinger-Chor „Spam, spam, spam, spam …“, es geht um Dosenfleisch. Das soll der Ursprung sein, warum wir unerwünschte E-Mails heute Spam nennen.

Ich habe das auch gehört. Traditionell hatten wir viele Anhänger unter Computerfreaks, dieser Typus mag so Kram wie „Star Trek“, Douglas Adams’ „Per Anhalter durch die Galaxis“ und „Monty Python“. Möglich, dass es da eine Verbindung gibt.

Einige Ihrer Filme konnten nur realisiert werden, weil Bands wie Queen, Led Zeppelin oder der Beatle George Harrison privates Geld dafür gaben. Warum taten die das?

Die wollten einfach die Filme sehen. Kreative Menschen hatten generell einen Sinn für unsere Arbeit.

Die Mitglieder von „Monty Python“ hatten überraschend angekündigt, nach Jahrzehnten noch mal auf die Bühne zu gehen, die erste Show war nach 43 Sekunden ausverkauft.

Das hätte ich nie erwartet. Wir machten das ja nur, weil wir Geld brauchten. Ein Produzent von „Die Ritter der Kokosnuss“ hatte uns verklagt, das Verfahren zog sich hin, am Ende saßen wir auf einer Million Euro Gerichtskosten. Ein Konzertagent sagte, die schnellste Art, an Geld zu kommen, sei die Wiedergeburt unserer Truppe. Am Ende waren zehn Abende voll. Dabei sollten wir’s belassen.

"Die Amerikaner haben null Gespür für Sarkasmus"

Als Ihre Hotel-Serie „Fawlty Towers“ erstmals in Deutschland ausgestrahlt wurde, verzichtete der Sender auf die Episode „Die Deutschen kommen“, in der Sie sich penetrant über die Krauts lustig machen.

Ich mag die Deutschen und Deutschland, eure Fußballspieler bei der WM in Brasilien haben mich begeistert. Ich wurde gerade von jemandem gefragt, wann meine Zuneigung zu euch begann. Ich sagte, als deutsche Flieger Bomben auf Weston-super- Mare abwarfen, meinen Geburtsort. Wir haben ja schön zurückgebombt. In Wirklichkeit war es furchtbar, doch die Zeit heilt, nach einer Weile kann man Scherze drüber machen.

Ein Satz aus dieser Episode erlangte Kultstatus: „Don’t mention the war.“

Ich stand hier in diesem Hotel in der Lobby, es ist exakt 20 Jahre her, da hörte ich hinter mir jemanden „Hey, John“ rufen. Ich drehte mich um und erblickte einen fülligen, rotgesichtigen Bayer. Er rief: „Don’t mention the war“ – und alle kugelten sich vor Lachen. Dieser Moment hat mich sehr berührt. Ich dachte, darauf können wir aufbauen.

Sie haben sehr lange in Kalifornien auf einer Farm gelebt und sind inzwischen wieder nach England zurückgezogen. Was hatten Sie vermisst?

Cricket, ein großartiges Spiel. Meine Freunde. Die Theater in London. Was ich sicherlich nicht vermisst habe, ist das Wetter. Ich werde da nie wieder einen Februar verbringen, ich habe mir dieses Jahr eine ekelhafte Bronchitis eingefangen.

Lassen Sie uns kurz checken, wie britisch oder amerikanisch Sie sind. Scotch oder Bourbon?

Scotch, Single Malt.

Fish and Chips oder Burger?

Weder noch.

Queen oder Präsident?

Er ist gar nicht schlecht, ein Staatsoberhaupt zu haben, das nicht aus dem Politikbetrieb kommt.

Vor 20 Jahren bot Ihnen England die Ehre an, „Commander of the Order of the British Empire“ zu werden, Sie haben abgelehnt.

Es mag Leute geben, die sich da geschmeichelt fühlen, ich find’s dumm und schere mich nicht drum.

Was können Engländer und Amerikaner voneinander lernen?

Die Amerikaner können Ironie von uns lernen, die haben null Gespür für Sarkasmus. Ein Freund von mir hatte deshalb fürchterlichen Ärger mit der Polizei. Sein Kind war etwas verletzt, und die Beamten fragten ihn, ob er sich das erklären könne. Er sagte Nein. Er würde sein Kind nur ein paar Mal am Tag schlagen. Daraufhin haben sie ihn einem ernsten Verhör unterzogen. Wir wiederum können von den Amerikanern lernen, unsere Gefühle zu zeigen. Engländer stellen ungern persönliche Fragen, aus Angst, in einen Fettnapf zu treten. Wie geht es Ihrer Frau? Danke, sie ist vor drei Tagen gestorben. Herrje, wie peinlich.

Ihnen war als Komiker nie etwas heilig, in dem Film „Das Leben des Brian“ machten Sie sich über Gottesverehrung lustig. Darf man heute Witze über Allah oder den Propheten Mohammed machen?

Selbstverständlich. Man muss nur damit rechnen, umgebracht zu werden. Es gab aber in den USA auch schon Bombenanschläge auf Abtreibungskliniken, oder deren Ärzte wurden erschossen, weil Christen sich in ihrer Religiosität gestört fühlten. Die Menschen regen sich über so vieles auf.

Geld war Ihnen immer wichtig, Sie sprechen und schreiben da sehr offen drüber. Litten Sie je unter Geldmangel?

Erst seit meiner dritten Scheidung. Die hat mich 20 Millionen Dollar gekostet. Und auf ziemlich viel von dieser gewaltigen Summe habe ich auch noch Steuern bezahlt. Ich musste die Ranch in Kalifornien verkaufen, das Strandhaus, ein Apartment in London und eines in New York, ach ja, auch das Büro in Santa Barbara.

Sogar Ihre große Kunstsammlung soll weg sein.

Jeder Verkauf half, meine Schulden zu begleichen. Außerdem hatte ich ja keine Wände mehr, an die ich die Bilder hätte hängen können.

Haben Sie bei diesem Rosenkrieg mal Ihren Humor verloren?

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John Clese, 75, Mitbegründer der britischen Komikertruppe Monty Python

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Oh ja, ich war niedergeschlagen.

Sie haben doch Jura in Cambridge studiert und Ihren Abschluss bestanden.

Römisches Recht, Verfassungsrecht. Ich hätte besser Familienrecht und Vertragsrecht studiert, dann hätte ich die Fußangeln des Scheidungsrechts eher gesehen. Meine Ex zog die Sache in die Länge, sie versuchte, Zeit zu schinden, denn nach zehn Jahren Ehe greift das kalifornische Scheidungsrecht, und mir schwante nicht, wie teuer mich das kommen würde.

Ihre jetzige Frau ist 31 Jahre jünger als Sie, haben Sie einen bombensicheren Ehevertrag gemacht?

Nein. Wenn es dieses Mal nicht klappt, wird mich das umbringen.

Mister Cleese, Ihr Vater wurde mit dem Namen Cheese geboren und ließ ihn ändern. Wären Sie als John Cheese unglücklich geworden?

Für einen Comedian wie mich hätte dieser Name sogar ein Vorteil sein können. Ich habe eher darunter gelitten, dass ich Cleese immer umständlich buchstabieren musste, den Namen gibt es ja sonst nicht. Wie heißen Sie, Cleabs? Cleaves? Grease? Nein, C. L. E. E. S. E.

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