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Die Galeristin Monika Sprüth

© Thilo Rückeis

Die Galeristin Monika Sprüth über ihre Fußballleidenschaft: „Ich gehe ins Stadion, um zu observieren“

Für Fußball hat sie sich schon immer interessiert, die Kunst kam später dazu: Die Galeristin Monika Sprüth über Spielsysteme und den Wert junger Talente.

Monika Sprüth wollte eigentlich Kunst studieren, den Eltern zuliebe sattelte sie auf Architektur um. Nach dem Studium in Aachen arbeitete sie einige Jahre als Stadtplanerin in Oberhausen, bevor sie ein kurzes Intermezzo als Lehrerin gab und 1983 ihre Galerie in der Kölner Südstadt eröffnete, mit einer Ausstellung von Andreas Schulze. Von Anfang an vertrat sie ein internationales Programm, mit Fischli/Weiss oder George Condo – und vielen Künstlerinnen, die heute zu den Stars der Branche gehören: Rosemarie Trockel, Barbara Kruger, Cindy Sherman, Jenny Holzer, Louise Lawler... 1998 tat sich „die Frau, die alle um ihre Künstler beneiden“ („FAZ“) mit Philomene Magers zusammen, mit der sie die Galerie Sprüth Magers in Berlin-Mitte, in der Oranienburger Straße, und in London betreibt.
In diesem Februar eröffneten die beiden ihre neue Galerie am Wilshire Boulevard in Los Angeles, gegenüber vom großen Los Angeles County Museum of Art.

Frau Sprüth, Sie sind eine der wichtigsten Galeristinnen Deutschlands – und großer Fußballfan. Überschneiden sich diese zwei Welten je?

Sicher. Bei Museumseröffnungen probiere ich es nach einer gewissen Zeit gern mit dem Thema Fußball. Der größte Teil der Gäste ist dann genauso froh wie ich, dass wir mal das Thema wechseln können. In unserer Galerie stellen wir Reinhard Mucha aus, der den Ruf hat, ein schwieriger Künstler zu sein. Ich habe keine Probleme mit ihm. Vielleicht auch, weil wir beide „Kicker“-Leser sind. Mucha ist Fan von Fortuna Düsseldorf, der hat alles mitgemacht, bis in die tiefste Regionalliga hinein.

Dieses Wochenende geht die Bundesliga-Saison wieder los. Sie selbst sind Anhängerin des 1. FC Köln. Kein leichtes Schicksal.

Ein typisches Fan-Schicksal. Aber der Fußball entspannt mich und ermöglicht mir so, Energie in meinen Beruf zu stecken. Außerdem bin ich nur halber FC-Fan, ich mag auch andere Mannschaften wie Energie Cottbus und FC St. Pauli. Mich interessiert das Spiel als solches, und weil ich in Köln lebe, kenne ich auch Fortuna und Viktoria Köln sehr gut. Würde ich immer in Berlin leben, würde ich mir regelmäßig diese Zeitung kaufen ...

... Sie ziehen die Berliner „Fußball-Woche“ aus Ihrer Handtasche!

Die habe ich mir vorhin am Kiosk geholt. Bei Hertha spielt ja jetzt Mitchell Weiser, den kenne ich noch von der FC-Jugend. Ganz genau sogar. In der B-Jugend war er super, bis er einen Höhenflug gekriegt hat, in der A-Jugend wurde es schwierig. Dann ist er zu Bayern, und jetzt konnte er hier neu anfangen. Er füllt seine etwas defensivere Position mit dem Zug nach vorne bei Hertha sehr gut aus.

Bap-Sänger Wolfgang Niedecken, Kölner wie Sie, hat mal gesagt: „Ich hasse die Winterpause und die Sommerpause, an den ersten spielfreien Wochenenden laufe ich wie Falschgeld durch die Gegend.“ Sind Sie froh, dass die Bundesliga wieder begonnen hat?

Ach, der Niedecken macht sich’s einfach. Der guckt ja nur Bundesliga. Ich bin breiter aufgestellt. Mich interessiert auch: Wie verstärken sich die Jugendmannschaften, welche Talente werden da hochgezogen?

In Ihrer Generation war das ungewöhnlich für eine Frau: Wann hat es angefangen mit der Faszination?

Ich war immer schon Fußballfan – lange, bevor an eine Galerie zu denken war. Ich vermute, los ging es, als ich fünf war, mit der WM 1954. Unsere Familie hat das Finale am Radio gehört, da gibt es noch Fotos von, ich erinnere mich zwar nicht, aber in meinem Unterbewusstsein muss das etwas ausgelöst haben. Mich hat auch Leichtathletik interessiert. Ich weiß noch, bei Olympia 1960 habe ich gebannt die Übertragung gehört, als Armin Hary die Goldmedaille im 100-Meter-Lauf gewonnen hat.

Damals gab es ein vertrautes Bild am Samstagnachmittag: Die Männer wuschen ihre Autos und hörten Fußball dabei.

Die Konferenz im Radio habe ich auch immer gehört. Während des Architektur-Studiums, 1968 bis 1974, lebte ich in einer WG. Da habe ich samstags um 15.30 Uhr immer vorgegeben, dass ich mich auf ein Referat vorbereiten muss, um in Ruhe die Fußballkonferenz zu hören.

Dass Sie nach Ihrem Studium Stadtplanerin in Oberhausen wurden, war das Ihr Wunsch?

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Ich bin eine typische Vertreterin der ’68er-Generation. Die Frage, welche Rolle Architektur gesellschaftlich spielt, war mir immer sehr wichtig. Mitte der 70er Jahre war die Zeit des Strukturwandels im Ruhrgebiet, deshalb bin ich mit einigen Kollegen bewusst dorthin gegangen. Wir haben zusammen in Gelsenkirchen gelebt und in Duisburg, Essen, Dortmund, Gelsenkirchen, Bochum und eben in Oberhausen gearbeitet.

So richtig hübsch ist es dort immer noch nicht. Haben Sie aufgehört, weil Sie nichts bewirken konnten?

Nein, wir konnten durchaus ein Umdenken einleiten, die Politiker sensibilisieren für die Qualität dieses alten Industriestandorts. Doch mir wurde schnell klar: Um wirklich etwas zu bewirken, hätte ich aktiver in der Lokalpolitik sein müssen. Das war nicht meine Lebensperspektive.

Sind Sie 68erin geblieben?

Je älter ich werde, desto klarer wird mir, wie wichtig diese politische Sozialisation für mich war. Weil sie mich gelehrt hat, gesellschaftliche Phänomene und Strukturen zu analysieren. Bei der Entscheidung für einen Künstler stelle ich mir immer die Frage: Haben seine Kunstwerke eine gewisse Chance, eine über unsere Zeit hinausgehende kulturelle Bedeutung zu erlangen? Und beim Fußball, gerade in der Jugendarbeit, geht es darum, inwieweit ein Spieler mit seiner Persönlichkeit in das System, in das Denken eines Vereins passt. Es ist interessant: Vereine, die erfolgreich sind, begreifen diese Zusammenhänge. Ich denke da etwa an Norbert Elgert, den U19-Trainer von Schalke.

"Die Stimmung im Stadion ist zweitrangig"

Philomene Magers (links) und Monika Sprüth führen gemeinsam die Galerie Sprüth Magers in Berlin, London und L.A.
Philomene Magers (links) und Monika Sprüth führen gemeinsam die Galerie Sprüth Magers in Berlin, London und L.A.

© Dagmar Schwelle

Für den Architekten Volkwin Marg haben Stadien die Anmut von Kathedralen, er spricht jedoch auch von „Hysterieschüsseln“. Empfinden Sie das auch so?

Architektur ist mir sonst sehr wichtig. Nur bezogen auf den Fußball? Weniger. Ich gehe ins Stadion, um die Mannschaften zu observieren und zu sehen, ob sie sich weiterentwickelt haben. Die Stimmung ist mir zweitrangig, die stört mich manchmal sogar.

Dann können Sie doch gleich daheim vorm Fernseher schauen!

Nein, nein! Beim Fernsehen wird der Blick durch die Kamera geleitet. Um das ganze Spiel in all seinen Facetten zu erfassen, muss man schon selbst entscheiden können, wo man hinguckt. Ich sitze immer auf halber Höhe, ungefähr Mittellinie – dort, wo man sein sollte, um das Spiel gut zu sehen. Doch jetzt hocken hinter mir Fans, die permanent reden und Kommentare abgeben, ich kann mich gar nicht mehr konzentrieren.

In Köln ist das Stadion immer voll.

Stimmt. Selbst wenn die noch so katastrophal spielen. Da geht es weniger um den Sport, das könnte auch irgendein anderes Event sein. Das Kölner Publikum ist anfällig für Karnevalsatmosphäre.

Hat die Begeisterung auch damit zu tun, dass die Kölner sich extrem mit ihrer Stadt identifizieren?

Kann sein. Ich bin ja keine echte Kölnerin, obwohl ich hier schon lange lebe.

Sie klingen so Kölsch.

Wirklich? Ich bin in Memmingen geboren, meine Eltern kamen aus Berlin und Schlesien. In der Schulzeit war ich in den USA und Frankreich, Abitur habe ich in der Pfalz gemacht. Für Köln als Standort der Galerie habe ich mich in den 80er Jahren bewusst entschieden, die Stadt war neben New York das wichtigste Kunstzentrum der Welt.

Sie blieben, als Ihre Galerie nach Berlin umzog.

Wir haben noch viele Künstler in der Region: Rosemarie Trockel, Walter Dahn, Andreas Schulze, Reinhard Mucha, Andreas Gursky. Auch jüngere Künstler, die bewusst dort bleiben wollen, wie Michail Pirgelis und David Ostrowski. Bei mir hat es einen anderen Grund: Es ist angenehmer, nicht in der Stadt zu leben, wo ich meine Galerie habe.

Frau Sprüth, ist Fußball auch eine Form von Kunst?

Ich bin öfter gefragt worden, ob ich nicht eine Ausstellung über Fußball machen will. Beim Nachdenken kam ich immer zu dem Schluss: Das geht gar nicht. Das wird weder meinem Anspruch an die Kunst noch an den Fußball gerecht. Das eigentliche Kunstwerk ist das Spiel: das Können eines Spielers, die Taktik, die man auf dem Spielfeld ablesen kann.

In der „FAZ“ haben Sie mal gesagt, aus Ihrer Sicht sei der Trainer ein Künstler.

Was mir imponiert, ist, wenn es einer mit einem vielleicht nicht optimal zusammengestellten Kader schafft, ein erfolgreiches Spielsystem zu kreieren. So wie Lucien Favre, als er in Mönchengladbach die Mannschaft von Frontzeck übernahm.

Gefallen Ihnen Trainer, die sich als Künstler inszenieren?

Nein. Jürgen Klopp zum Beispiel hat sich in den ersten Jahren medial zu sehr in den Vordergrund gestellt und mich deshalb nicht so interessiert. Was er in Mainz und Dortmund geschafft hat, dafür hat er natürlich meinen höchsten Respekt.

Sie als Galeristin, sind Sie Trainer für den Künstler?

Nein. Meine Rolle ist eher die des Beraters oder Managers. Der Galerist ist Dienstleister gegenüber dem Künstler.

"Eine Perversion unserer Welt"

Fußballfan Monika Sprüth
Fußballfan Monika Sprüth

© Thilo Rückeis

Kunst wie Fußball sind heute auf dramatische Weise kommerzialisiert.

Beide sind ganze Wirtschaftszweige geworden. Ich denke, für die Kunst war die Entwicklung noch schädlicher. Es gibt viele Ähnlichkeiten. Wenn Sie sehen, wie junge Talente zu schnell vermarktet werden. Im Fußball war es früher so, dass 22-Jährige aus Südamerika hierher geholt wurden, die hatten schon eine bestimmte sinnvolle Sozialisation als Straßenfußballer erlebt. Jetzt kommen sie als Kinder nach Deutschland. Seitdem Kunst auch ein Investment ist, werden junge Künstler früh vermarktet und angehalten, für den Markt zu produzieren. So nimmt man ihnen die Chance, sich in Ruhe weiterentwickeln zu können, ihren künstlerischen Weg zu finden. Für die Entwicklung junger Talente in Fußball und Kunst scheint mir mehr Ruhe und Unaufgeregtheit extrem wichtig zu sein.

Gerade ist der Franzose Paul Pogba für die Rekordsumme von 105 Millionen Euro von Juventus Turin zu Manchester United gewechselt. Empört Sie das?

Ich finde es fragwürdig, wenn ein junger Spieler frühzeitig aus seinem gewohnten Umfeld herausgerissen wird. So wie Leroy Sané, der für 50 Millionen Euro von Schalke zu Manchester City wechselte.

Wird für Spieler wie für manche Kunstwerke zu viel bezahlt?

Ja, es ist eine Perversion unserer Welt.

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Früher war Fußball vielen zu proletarisch.

Das stimmt. Das müssen Sie sich mal vorstellen: Ich, die ich immer Fußballfan war, habe meinen Sohn zum Hockey geschickt! Allerdings hat er nach der WM in Amerika 1994, er war sechs, gesagt: Ich will nicht mehr zum Hockey, sondern zum Fußball.

Haben Sie auch mal gespielt?

Nein, ich habe nie aktiv eine Sportart betrieben.

Interessiert Sie Frauenfußball?

Das ist ein wunder Punkt. Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich mich damit nicht so gut auskenne. Dabei finde ich Frauenfußball extrem wichtig. Besonders weil ich meist mit Männern über Fußball rede, und da die unglaublichsten Vorurteile gegenüber weiblichen Spielern existieren.

Mit Ihrer 1983 eröffneten Galerie waren Sie Vorreiterin für Künstlerinnen – in einer Zeit, als die Szene fest in Männerhand war.

Ich bin es, sagen wir mal, geschickt angegangen. Die erste Ausstellung nur mit Frauen habe ich erst 1985 gemacht, nachdem meine Galerie bereits eine gewisse Akzeptanz hatte. Laut meinen männlichen Kollegen war ja die Benachteiligung der Künstlerinnen keine Frage des Geschlechts – die machten angeblich schlechte Kunst. Dass die Lobby der Männer im Kunstmarkt viel größer war, wurde nicht berücksichtigt. Es ist meiner Geschäftspartnerin Philomene Magers und mir daher sehr wichtig, Künstlerinnen zu unterstützen und ihnen eine weltweite Sichtbarkeit zu geben – wenn sie gut sind! Weibliche „role models“ sind nach wie vor sehr wichtig in unserer Gesellschaft.

Sehen Sie sich selbst auch als Vorbild?

Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass sich etwas verändert hat in den vergangenen 30 Jahren: Künstlerinnen sind sichtbarer im Kunstmarkt und in den Museen. Doch wir müssen vorsichtig sein, denn nur Frau sein alleine macht noch keine bedeutende Künstlerin. Ein wichtiges Kunstwerk muss in Form und Inhalt höchste Ansprüche einlösen.

Sie sind jetzt in einem Alter, in dem andere in Rente gehen – stattdessen machen Sie mit Philomene Magers in L.A. eine riesige Galerie auf. Was treibt Sie?

Mich treibt gar nichts. Philomene und ich spüren eine Verantwortung für die Künstler, die wir vertreten. Und uns ist klar, dass eine weltweite Akzeptanz nicht möglich ist, wenn man eine Galerie nur in Deutschland hat. An Amerika führt kein Weg vorbei.

Und warum L.A.?

Zwei unserer wichtigsten Künstler – John Baldessari und Barbara Kruger – baten uns, ihre Heimatstadt in Erwägung zu ziehen. In Los Angeles gibt es die besten Kunsthochschulen des Landes. Die Stadt ist nicht so wettbewerbsorientiert und neurotisch wie New York, es geht nicht nur darum, wer der Größte und Stärkste ist. Das teuerste Kunstwerk gilt nicht immer gleich als das bedeutendste.

Gibt es Fußballer, die in Ihre Galerie kommen?

Einige. Viele gute Fußballer sind auch Menschen, die sich für mehr als nur den Ball interessieren. Zum Beispiel Lilian Thuram oder Michael Ballack, der eine hervorragende Sammlung hat. Auch Günter Netzer und seine Frau Elvira.

Fußballern wird, sobald sie vom Spielfeld kommen, ein Mikro unter die Nase gehalten, dann sollen sie erklären, was sie gerade gemacht haben...

… schrecklich, ich will es meist gar nicht hören.

Sollten Künstler ihr eigenes Werk interpretieren?

Nein, das ist nicht ihre Aufgabe. Es geht ja darum, was das Werk beim Betrachter auslöst. Die bedeutende Kunstkritikerin der „New York Times“, Roberta Smith, will mit den Künstlern gar nicht reden. Sie schaut sich die Ausstellung an, und siehe da: Bei ihr kommt immer was sehr Vernünftiges raus.

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