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Pudern wie die Kaiserin – und dank Zentralheizung sich privilegiert fühlen.

© Austria Trend Hotels

Eine Nacht im Schloss Schönbrunn: Schlafen wie ein Kaiser

Er aß Tafelspitz zum Nachtmahl, stand früh um drei auf, sortierte Akten – und seine Sisi war mal wieder nicht da. So residierte Franz Joseph in Schönbrunn. Unser Autor hat in seinem Bett übernachtet und ihm alles gleich getan. Fast.

Es geht los, als es für alle anderen endet: am frühen Abend. Noch ist es hell, ein letzter Rest Sonne scheint aufs Schloss, das sich ockerfarben in den Pfützen im Garten spiegelt. Du lieber Himmel, ist das schön!, so denkt man, und dann daran, wer schon alles vor einem hier war: Mozart, Napoleon und vor allem der österreichische Kaiser, also der einzig wahre von vielen österreichischen Kaisern, Kaiser Franz Joseph. Und Sisi natürlich. Wenn’s die Sisi nicht mögen, müssen’s hier gar nicht herkommen, nach Schönbrunn, dem schönsten Schloss Wiens.

„Wiederschaun!“, sagen die blitzblanken Schlosswärter zu den Italienern, den Deutschen und den Japanern, die gerade das Gelände verlassen, weil die Besuchszeit für Touristen vorbei ist. Und „Grüß Gott“ zum Übernachtungsgast.

1441 Räume fasst Schloss Schönbrunn. Manche haben pompöse Namen wie „Gobelinsalon“ oder „Vieux-Laque-Zimmer“. Im „Stiegenkabinett“ schrieb Sisi Tagebuch, im „Napoleonzimmer“ nächtigte der französische Herrscher, im schlichten „Arbeitszimmer“ begann Franz Joseph den Ersten Weltkrieg. Dann gibt es noch eine Suite im Ostflügel, dritter Stock. Da brennt Licht, und da kann man schlafen, als einziger Gast im Franz-und-Sisi-Schloss.

Geht das, sich fühlen wie der Kaiser?

Schlafen wie Franz und Sisi. Wie nah kommt man den beiden, mehr als 100 Jahre nach dem Tod des Kaisers? Geht das, sich fühlen wie der Kaiser von Österreich, eine Nacht lang?

Zwei Dinge braucht man für dieses Experiment: eine Begleitung, die die Sisi spielt, und den Schlüssel zur Suite. Erstere steht ungeduldig vor dem Schloss und letzteren bringt ehrerbietig ein Portier im Frack mit einer ordentlichen Portion Pomade im Haar. Man wünscht sich nun ein bisschen Wienerisch von diesem Herrn, ein bisschen Schmäh, um anzukommen, aber daraus wird nichts. Der Mann kommt aus Sachsen. Dafür glänzen die Schlüssel goldfarben. Es baumelt ein Anhänger dran mit dunkelroten Fransen. Es seien die Schlüssel zu einer unvergesslichen Nacht, sagt der Mann und beginnt, einen Vortrag über die Suite zu halten.

Königlicher Blick aus dem Schlafzimmer auf die Gloriette, in der Franz Joseph gerne frühstückte.
Königlicher Blick aus dem Schlafzimmer auf die Gloriette, in der Franz Joseph gerne frühstückte.

© Austria Trend Hotels

Bis vor wenigen Jahren lebte dort eine alte Dame, Nachfahrin der Habsburger. Doch der Frau wurden die Stiegen zu steil, ihre Zimmer zu einsam und die Italiener, Japaner und Deutschen zu nervig, weil die jeden Tag kommen, sommers wie winters. 3,8 Millionen waren es allein 2017, die Zahlen steigen seit Jahren. Also zog die Dame fort. Eine Hotelkette kaufte die Zimmer, investierte 400 000 Euro in den Umbau und eröffnete die Suite.

Die Stiegen sind wirklich steil, winden sich drei Stockwerke aufwärts. Einen Aufzug dürfe es auf Schönbrunn nicht geben, sagt der Exilsachse, das gebiete der Denkmalschutz. „Gerade deswegen kommen die Gäste ja nach Schönbrunn, wegen der Ursprünglichkeit, den Erinnerungen an die Kaiserzeit.“

Sisi liebte die freistehende Badewanne

Man hat sich zur Vorbereitung natürlich die Filme nochmal angesehen, besonders den alten Streifen von 1955 mit Romy Schneider als Sisi. Eine junge Prinzessin aus Bayern bekommt darin einen Brief von der Mutter des österreichischen Kaisers. Die junge Dame, sie heißt Helene, solle sich bei Hofe vorstellen, der 23-jährige Kaiser suche eine Frau. Sie reist nach Österreich, mitsamt ihrer Mutter und der kleinen Schwester Elisabeth. Ausgerechnet die trifft nun bei einem Angelausflug auf den Kaiser, der Angelhaken verfängt sich im kaiserlichen Kostüm, und das ist durchaus symbolisch gemeint: Franz Joseph verliebt sich in die 15-jährige Elisabeth, genannt Sisi. Er sagt’s ihr bei einem Ausflug in den Forst; Franz als schneidiger Jäger, Sisi im Ballkleid. Es scheint eigentlich die ganze Zeit die Sonne in diesem Film, und er endet mit einer Traumhochzeit in Schönbrunn.

Könnte es sein, dass die Hochzeitsnacht der beiden damals in exakt jener Suite vonstatten ging, die der Portier gerade aufsperrt? „Man darf sich das gerne so vorstellen“, sagt er.

Es gibt in der Schönbrunn-Suite selbstverständlich ein Ankleidezimmer, auch zwei Badezimmer und einen Flur, auf dem man Tennis spielen könnte. Die Küche nennen sie hier Kitchenette, aber hat Franz Joseph je gekocht? Wichtiger: Man muss sich für eines von zwei Schlafzimmern entscheiden. Da wäre zunächst jenes mit goldenem Bett, schwarz gepolstert, an der Decke ein weißer Kronleuchter. Die Wände sind mit rotem Stoff bespannt, darauf ein Ananasmuster. Ananasdamast nennen Habsburger-Experten das, und wer im Sisi-Film genau hinsieht, erkennt es dort. Von hier geht es weiter ins Badezimmer, in dem frei eine Wanne im Raum steht, weil Sisi die geliebt haben soll.

Sekt für zwei einschenken, Kaviar essen, Stößchen

Franz Joseph und Sisi mit ihren Kindern.
Franz Joseph und Sisi mit ihren Kindern.

© akg-images / De Agostini Picture

Schnell weiter durch die Küche, da wartet ein Häppchenteller mit ziemlich viel Kaviar drauf, und dann durchs Wohn- ins zweite Schlafzimmer, und das ist irre: In der Mitte des Raums steht ein weiß-goldenes Himmelbett mit Baldachin, das einem beherzt angelaufenen Sprung auf die Matratze locker Stand hält. Wie weich diese Decken sind, wie stolz die Kissen! Man liegt, der Blick wandert aus dem Fenster, übers Schlossparterre hinauf zur Gloriette, wo gerade die Sonne untergeht; der Himmel knallt jetzt blau, rot und orange. Hier liegen bleiben und darauf warten, dass die Bediensteten das Nachtessen bringen. Wäre das nicht sehr kaiserlich?

Halt, da schießt’s in den Kopf, faul war er nicht, der Kaiser. Da war doch ein Interview mit dem österreichischen Historiker Manfried Rauchensteiner über den kauzigen Franz. Rauchensteiner leitete mal das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Jeden Morgen um drei Uhr, sagt er, sei der Kaiser aufgestanden, habe sich an seinen Schreibtisch gesetzt und zu arbeiten begonnen. Er trug dabei seinen Morgenmantel, den er Bonjourl nannte. Nur im Winter war der Kaiser nachlässig: Da schlief er bis halb vier.

Also aufstehen, dem inneren Franz gehorchend, etwas tun. Aber was? Franz hätte gewiss Akten sortiert, Korrespondenz mit den Ungarn geführt und ein paar Todesurteile unterschrieben. Alles schwer möglich. Dann doch lieber mal nach der Sisi schauen und zurück ins Badezimmer, Wasser in die Wanne einlaufen lassen, Badekugeln dazu. Sekt für zwei einschenken, untertauchen, Kaviar essen, Stößchen.

Empfehlung des Kaisers: Tafelspitz

Hui, ist das Wasser warm, raus aus der Wanne, Glas leeren. Noch einmal durch die Suite, alle Fenster öffnen, Selfies schießen vor jedem Spiegel. Aufs Sofa steigen, Wohnung von oben anschauen, immer noch schön. Und bisschen fad. Darum: Schloss verlassen, Restaurant suchen.

Auf dem Tisch steht ein Kärtchen mit der Empfehlung des Kaisers: Tafelspitz. Glaubt man dem Kärtchen, hat der Kaiser täglich Tafelspitz gegessen. Auch hier kommt man Franz Joseph kaum bei in seiner Disziplin, bestellt zwei Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat und legt das Tafelspitzkärtchen beiseite. Zum Dessert einen Kaiserschmarrn, immerhin.

Es ist schon ein erhebendes Gefühl, sich im Dunkeln langsam dem Schloss zu nähern, vorbei an der Nachtwache, die freundlich grüßt. Die Kieswege geharkt, die Buchsbäumchen gestutzt, kein Mensch weit und breit. Schließt man die Augen, kann man den Kaiser herbeifantasieren, wie er nächtens ums Schloss läuft, Stiefel im Kies, Kopf voller Fragen: Serbien angreifen oder nicht? Morgen zur Jagd oder zur Audienz? Und wo zur Hölle ist eigentlich Sisi schon wieder?

Um zehn vor neun steht der Portier in der Suite

„Was den Kitsch angeht, kann es einem als Historiker schon den Magen umdrehen“, sagte Rauchensteiner im Interview. Eine Romanze, diese Meinung hat er nicht exklusiv, war das nicht zwischen Franz und Sisi, da flunkert der Romy-Schneider-Film. Früh schaute Franz sich anderweitig um, und Sisi hatte Heimweh. Am Hof galt sie als Landpomeranze, belächelt für mangelnde Manieren. Erst mit der Zeit änderte sich das: Sisi emanzipierte sich, nutzte ihre Zeit zum Reisen, förderte die Liebschaft ihres Mannes mit einer anderen Dame und verehrte den Dichter Heinrich Heine. Franz und Sisi sahen sich selten. Der gemeinsame Sohn brachte sich um. Ob die Herrschaften sich am Ende noch ein Bett teilten?

Man will es jedenfalls nicht ausprobieren, allein im Bett in dieser Suite, dafür ist sie zu groß, das macht Angst. Außerdem, das sagte der Portier zum Abschied, riefen ihn manche Gäste nachts auf der Notfallnummer an, weil sie glaubten, ein spukender Franz sei im Haus. Also lieber zu zweit, Decke bis an die Nase, Wecker auf drei, ach was, auf neun Uhr.

Um zehn vor neun steht der Portier in der Suite, weckt das Kaiserpaar und sagt, dass bereits das Putzteam warte, es tue ihm leid.

Früher hätte man ihn gehenkt.

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