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Tuomas Kyrö.

©  Gehrmann

Finnland: „Hemingway war Finne“

Der finnische Comedian Tuomas Kyrö über die Kunst des Schweigens

Tuomas Kyrö, 40, ist Autor und Satiriker. Sein neuer Roman „Kunkku“ ist bei Hoffmann und Campe erschienen.

Herr Kyrö, wie sieht ein perfekter Tag aus?

Ich würde still frühstücken, dann zur Mittagszeit einen Drink genießen, schweigend, und gegen 16 Uhr wäre es okay, ein erstes kurzes Gespräch zu führen. Warum müssen Südeuropäer immer reden?

Sie meinen Italiener und Spanier?

Für uns Nordeuropäer gehören die meisten Länder zum Süden. Auch Deutschland. Ich gebe zu, dass die Italiener noch mehr sprechen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin gerne unter Menschen. Als Schriftsteller liebe ich es, Leute und ihr Verhalten zu beobachten.

Aber lieber führen Sie kurze Gespräche?

Yep.

Kann man das lernen?

Bei uns ist es sehr leicht, still zu sein. Zwei Finnen fahren eine Stunde lang wortlos mit dem Auto herum – und jeder fühlt sich wohl dabei. Sie könnten sich zum Beispiel ohne Smartphone in ein Café setzen und einfach mal nichts tun. Das mag anfangs seltsam sein, aber es macht wirklich Spaß.

Wie kommt es, dass Sie und Ihre Landsleute eher wortkarg sind?

In unserem flächenmäßig großen Land leben weniger als 5,5 Millionen Einwohner. Der nächste Nachbar ist 76 km entfernt, dafür sind viele Elche und Bären in unserer Nähe. Wie sollen wir in so einer Umgebung den Smalltalk erlernen? Wir müssen eher mit unseren Hunden, Pferden und dem Wald befreundet sein. Reden ist nicht die erste evolutionäre Errungenschaft des finnischen Säugetiers Mensch. Vor einigen Jahren wohnten wir noch in den Sümpfen, auf denen unsere heutigen Städte gebaut wurden.

Gehen bei Ihnen normale Unterhaltungen über das Nicken und kurze Sätze hinaus?

Es gibt immer jemanden, der auch längere Sätze spricht. Dann muss einer eingreifen, der den Unsinn abbricht und sagt, wie die Dinge sind. Man nennt es Rhythmus. Den Rhythmus des Dialogs. Verwende so wenige Adjektive wie möglich. Zeige es, erzähle es nicht. Ich denke, Hemingway war ein Finne.

Es soll Finninnen geben, die von ihren Partnern mehr umschmeichelt werden wollen. Einer sagte zu seiner Frau: „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich liebe. Ich lasse es dich wissen, falls sich daran etwas ändert.“

Ich kann diesen Mann sehr gut verstehen.

Wie muss man sich finnische Romantik vorstellen?

Als ich das erste Mal meine Frau traf, unterhielten wir uns wenig. Wir saßen in einem Nachtzug nebeneinander und hatten ein paar Drinks. Am nächsten Morgen wachten wir zusammen auf – neun Monate später wurde unser erstes Kind geboren.

Wie würden Sie die finnische Art der Unterhaltung beschreiben?

Da wir keine Tradition des Smalltalks haben, kommen wir meistens direkt auf den Punkt. Wenn dort kein Punkt ist, halten wir den Mund. Vielleicht wirken wir auf andere zurückgeblieben oder unhöflich, doch wir wissen dann einfach nicht, was wir sagen sollen. Sorry, Welt.

Was ist der Vorteil des wenigen Sprechens?

Dadurch mehr zu sagen.

Kann es sein, dass Finnen eigentlich gesprächig sind und es nur nicht zugeben wollen?

Absolut.

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