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Blick ins Bistro. Nur ein schmaler Garten (rechts im Bild) trennt das Hotel von den Luxuswohnungen auf der anderen Seite.

© promo

Hotelkolumne: In fremden Federn: Die Reichen in Kreuzberg schauen nur fern

Als Tourist in der eigenen Stadt Hackepeterbrötchen zum Sauvignon Blanc genießen und Nachbarn vis-à-vis beobachten. Wer braucht noch Kino, wenn er „The Yard“ hat.

Die Reichen sind anders als du und ich, hat F. Scott Fitzgerald einmal erklärt. Jetzt weiß ich: Sie schauen auch nur fern. Ich habe ihnen dabei zugeguckt, vom Logenplatz aus im Hotel, einer gepolsterten Nische im großen Fenster zum Hof. Der Flachbildschirm in der Wohnung vis-à-vis ist so groß wie das Ölbild daneben, der Fernseher läuft um des Laufens willen, wie in mediterranen Bars, der Herr des Hauses läuft ebenfalls herum, die Dame liegt auf dem Sofa. Im Fernsehen wird gekocht. Und in der Nachbarwohnung geraucht, die großen Balkone schreien danach, Vorhänge wehen davor, ein Hauch japanischer Architektur.

Wer braucht noch Kino, wenn er „The Yard“ hat. So heißt das Ensemble, Hotel auf der einen, Luxuswohnungen auf der anderen Seite, dazwischen ein schmaler Landschaftsgarten. Die Birken leuchten, im Dunkeln werden sie angestrahlt. Wie still es ist! Und das mitten in Berlin, ein paar Schritte vom offiziellen geografischen Zentrum entfernt. Alexandrinenstraße, unhippes Kreuzberg, noch. Jede Menge Nachkriegs-Wohnblöcke, einige 15 Stockwerke hoch, renovierungsbedürftig, manche werden gerade saniert. Früher hätte man sie hässlich geschimpft, heute ist man froh, dass es sie gibt. Bezahlbarer Wohnraum. Die Gegend ändert sich, aus der Kirche St. Agnes wurde ein „Kreativquartier“, aber ganz wird es hier wohl nie kippen.

Der Koch pfeift in der Küche

Ein schäbiger Abend, zu ungemütlich, um rauszugehen. Wohin auch, an Restaurants mangelt es drum rum noch. Wieso auch raus. Skandinavisch freundlich ist es drinnen, viel helles Holz und ebenso helles Grau, große Fenster, kleine Sessel, gepolsterte Bänke. Glaskugeln als Lampen verleihen dem Ganzen zusätzliche Leichtigkeit. Im Bistro werden Hackepeterbrötchen zum Sauvignon Blanc serviert. Der Koch pfeift in der Küche. Draußen rollen die Gäste mit ihren Koffern an den bodentiefen Fenstern des Lokals vorbei. Sehen und gesehen werden. Später, zurück auf dem Zimmer, läuft der Fernseher gegenüber immer noch. Am nächsten Morgen ebenfalls.

Das neue Hotel klebt am einst kaiserlichen Patentamt, ein Bau, so wuchtig wie eine Burg, das zweitgrößte Gebäude Berlins. An der Gitschiner Straße führt die Hochbahn vorbei, man könnte hier im Laden Kronleuchter kaufen. „Antisemitismus schadet der Seele“, warnt eine Fahne. Langgezogene Laster schlafen am Wegesrand.

Beim Frühstück guckt man der Alexandrinenstraße beim Aufwachen zu, im Café „Mahlzeit“ brennt Licht, im Kinderladen sind die Rolläden noch unten. Bauarbeiter palavern. Blick auf Altbaufassaden, mit echtem Kreuzberger Gewerbehof. Der Yard von einst.

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