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Hugh Jackman, 45, wurde mit „X-Men“ weltberühmt. Kürzlich in San Sebastián blieb er lange unerkannt – dann entstand dieses Bild.

© AFP

Hugh Jackman: Muss dieser Mann den Müll rausbringen?

Er moderierte die Oscars, er war der „Sexiest Man Alive“, Hugh Jackman ist ein Hollywoodstar. Zum Glück hat er eine Frau, die ihn kräftig in den Hintern tritt.

Mr. Jackman, wie kommt es, dass Sie so früh am Tag schon so munter sind?

Sorry, ich bin kein Morgenmuffel! Als ich gestern in San Sebastián ankam und den Wunsch äußerte, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden, da sagte man mir: „Tun Sie das nicht! Man wird Sie ständig belästigen!“ Doch ich habe mich in aller Herrgottsfrühe aus dem Hotel geschlichen, ging schwimmen und surfen und war zwei Stunden lang mit dem Fahrrad unterwegs – und das alles völlig ungestört, weil noch kein Mensch auf den Beinen war. Mein Tipp: Wenn Sie in Spanien Ihre Ruhe haben wollen, dann stehen Sie einfach früh auf!

Sie bekommen hier einen Preis für Ihr Lebenswerk – eine schöne Gelegenheit, auf Ihre Karriere zurückzublicken. Ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass Sie ausgerechnet als Wolverine berühmt wurden, als aggressiver, aufbrausender Einzelgänger? Privat wirken Sie stets wie ein umgänglicher, besonnener Menschenfreund – also wie das Gegenteil von Wolverine.

Tatsächlich fühle ich mich unter Menschen sehr wohl, und meine Frau meint auch immer, ich sei eine typische ausgeglichene Waage. Ja, ich denke, zwischen Wolverine und mir gibt es keinerlei Gemeinsamkeiten. Mein Sohn bringt das noch etwas knackiger auf den Punkt. Er sagt: „Papa, du bist echt null Wolverine – du bist weder tough noch cool!“

Im Gegensatz zu Wolverine verfügen Sie auch über makellose Umgangsformen. Ungewöhnlich für australische Männer, die oft etwas ungehobelt daherkommen …

Das verdanke ich meinem Vater, einem Engländer, der mir beigebracht hat, mich zu benehmen und anderen Menschen mit Respekt zu begegnen. Als ich mit der Schauspielerei begann, hatten alle meine Kollegen so eine Leckt-mich-Attitüde – sie gebärdeten sich besonders rotzig und durchgeknallt. Ich fand das schon immer albern. Aber schreiben Sie bloß nicht, dass ich ein netter Kerl wäre, sonst ist meine Wolverine-Karriere im Eimer!

Gut, dann verraten Sie uns doch mal Ihren schlimmsten Charakterzug.

Ich kann nicht Nein sagen und neige dazu, mein Leben total zu überbuchen. Das führt zu ständigen Reibereien mit meiner Frau, die mir vorwirft, ich würde unsere Familie vernachlässigen. Doch ich liebe nun einmal meinen Beruf, umso mehr, seitdem man mir endlich interessante Rollen anbietet.

Welche Ihrer Filmfiguren steht Ihnen besonders nahe?

Gar keine. Ich wähle bewusst Rollen, die möglichst weit weg von mir sind. Weil ich selbst ein eher gemäßigter Typ bin, habe ich ein Faible für temperamentvolle Figuren. Das hat mich wohl auch an meiner Frau so angezogen: dass sie so heißblütig ist, so impulsiv, so explosiv.

Wie sind die Rollen bei Ihnen zu Hause verteilt?

Ich koche gerne, aber in handwerklichen Dingen bin ich leider völlig unbegabt. Meine Frau kann ein Lied davon singen, dass ich zwei linke Hände habe.

In „Prisoners“ spielen Sie einen Schreiner. Haben Sie bei der Vorbereitung auf Ihre Rolle nichts Praktisches gelernt?

Doch, ich kann jetzt eine Bandsäge bedienen. Meine Schnitte sind allerdings meistens schlangenlinienförmig. Und ich wüsste auch nicht, wie ich diese neu erworbenen Fähigkeiten im Haushalt gewinnbringend einsetzen sollte.

Im Film werden Sie buchstäblich zum Tier, nachdem Ihre Tochter entführt wird. Wie war es für Ihre Frau, Sie in dieser krassen Rolle zu erleben?

Das war hart. Als wir uns „Prisoners“ gemeinsam ansahen, hielt sie anfangs meine Hand fest umklammert. Irgendwann ließ sie los und zog ihre Hand irritiert zurück. Ich glaube, sie war entsetzt und fragte sich: „Wer ist dieser Typ da neben mir? Welche finsteren Abgründe lauern in ihm?“

Haben Sie sich das auch gefragt? Haben Sie überlegt, wie weit Sie selbst gehen würden, um Ihre beiden Kinder zu beschützen?

Ja. Doch die Antwort darauf weiß man erst, wenn man in der entsprechenden Situation ist. Im Prinzip bin ich, wie gesagt, ein ruhiger Typ; insofern hoffe ich, dass ich mit Bedacht reagieren würde. Nachdem meine Frau weitaus feuriger ist, fürchte ich, sie könnte im Ernstfall zur Furie werden. Bei meiner Recherche für den Film habe ich gesehen, zu welch grauenhaften Verbrechen die Eltern von entführten Kindern fähig sind. Seitdem weiß ich: In solchen Momenten ist dein Verstand ausgeschaltet, da reagierst du nur noch aus einer animalischen Wut heraus. Das hat nichts mit Machismo zu tun, das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen.

Hat diese Recherche Sie zu einem ängstlicheren Vater gemacht?

Ich kam dadurch ins Grübeln: War ich bis jetzt etwa zu lax? Zu naiv? Sollte ich meine Kinder strenger beaufsichtigen? Habe ich sie nicht genug auf das Böse im Leben vorbereitet? Als mein Sohn einmal in einem Supermarkt verschwunden war, rutschte mir sofort das Herz in die Hose. Es dauerte 40 Minuten, bis wir ihn fanden – doch es fühlte sich an wie fünf Stunden. Inzwischen ist er 13, und ich lasse ihn in New York allein zur Schule gehen. Meine Frau macht sich dann oft große Sorgen, aber ich möchte nicht, dass meine Kinder paranoid durch die Gegend laufen. Sie sollen möglichst furchtlos die Welt entdecken – so wie ich früher.

Wie sind Sie denn aufgewachsen?

Mein Vater hat meine vier älteren Geschwister und mich ganz allein großgezogen – und uns dabei an der langen Leine gelassen. Mit meinem eigenen Nachwuchs würde ich das am liebsten auch so handhaben, weil es dazu führt, dass die Kinder selbstständig werden. Mir hat es zumindest nicht geschadet, obwohl ich meine Freiheiten gehörig ausgenutzt habe.

Inwiefern?

Mit 18 habe ich monatelang als Rucksacktourist die ganze Welt bereist. Warmes Wasser gab es für mich nur auf den Toiletten in irgendwelchen McDonald’s-Filialen – da habe ich mich gewaschen wie ein Penner. Ich lebte von der Hand in den Mund und schlief meistens auf Bahnhöfen oder in abgestellten Zügen. Das war vielleicht ein bisschen leichtsinnig, aber ich war so aufgeregt und neugierig, dass ich gar keine Zeit hatte, mich zu fürchten. Dieses wunderbare Lebensgefühl würde ich meinen Kindern gerne vermitteln.

Haben Sie auf diesen Reisen keine schlechten Erfahrungen gemacht?

Doch, viele sogar. Ich bin bestohlen und ausgeraubt worden. Nie werde ich vergessen, wie ich in Nizza eines Nachts hochschreckte, als ein paar Jugendliche einem Kumpel von mir den Rucksack klauten. Wir sprangen auf und lieferten uns mit den Dieben eine Verfolgungsjagd quer über die Bahngleise, aber sie entkamen. Am nächsten Abend sagte mein Kumpel: „Heute schnapp’ ich mir die Dreckskerle!“ Er legte sein goldenes Feuerzeug, das sein Vater ihm geschenkt hatte, auf seine Brust und tat so, als ob er schliefe. Doch dann schlummerte er tatsächlich ein, und als er aufwachte, war das Feuerzeug weg. Sie sehen: Rache zahlt sich nicht aus!

Als ich in Kapstadt ausgeraubt wurde, habe ich mich am meisten darüber geärgert, dass ich in den folgenden Tagen den Leuten auf der Straße mit Misstrauen begegnet bin.

Meine negativen Erfahrungen haben aus mir keinen anderen Menschen gemacht: Ich glaube unerschütterlich an das Gute. Ja, man hat mich ausgeraubt, aber deswegen bin ich nicht heulend heimgekehrt. Ja, man hat mir auch das Herz gebrochen, doch ich habe mich trotzdem wieder aufs Neue verliebt. Nun bin ich seit 17 Jahren glücklich verheiratet!

Was ist für Sie das Geheimnis einer guten Ehe?

Ganz einfach: Heiraten Sie den richtigen Partner! Im Übrigen bin ich selbst am glücklichsten, wenn meine Frau glücklich ist. Wir Menschen mögen zwar von Natur aus eher egoistisch veranlagt sein, doch wenn du jemanden liebst, dann ist dir dessen Wohlergehen plötzlich viel wichtiger als dein eigenes.

Stimmt es, dass Ihre Frau von Ihnen einst zum Geburtstag 300 Rosen bekam, die Sie an Luftballons gebunden hatten? Und dass Sie ihr mal in einer venezianischen Gondel ein Ständchen gebracht haben?

Ja, allerdings nur, weil der Gondoliere so eine grauenhafte Stimme hatte! Er war natürlich stinksauer auf mich. Aber meine Frau ist wirklich das Tollste, was mir je passiert ist. Es tut mir gut, dass sie mir ab und zu kräftig in den Hintern tritt, und dass sie mich, wenn es sein muss, stets auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

Wann und wie zum Beispiel?

Im Dezember 2008, als ich mit ihr auf „Australia“-Werbetour in London war. Nach der Premierenfeier rief mich jemand im Hotelzimmer an und fragte, ob ich Lust hätte, die Oscars zu moderieren. Ich dachte, einer aus meinem Team wollte mich verarschen, aber der Anruf kam tatsächlich aus dem Büro von Steven Spielberg. Nach meiner Zusage saß ich minutenlang in Schockstarre auf meinem Bett und fragte mich, was zum Teufel mich geritten hat. In diesem Moment kam meine Frau zur Tür herein und sagte: „Alles okay bei dir?“ Ich erwiderte: „Du wirst diese Nacht mit dem Moderator der 81. Oscarverleihung verbringen.“ Sie strahlte mich begeistert an und meinte: „Wirklich? Billy Crystal ist auch hier?“

Und was hat Ihre Frau gesagt, als Sie zum „Sexiest Man Alive“ gewählt wurden?

Sie hat herzhaft gelacht. Und meine Freunde verhöhnten mich: „Das ist ja wohl ein Witz! Sogar meine Turnschuhe haben mehr Sexappeal als du!“ Einige meiner Bekannten schickten mir kompromittierende Fotos, auf denen ich extrem unattraktiv aussah – sie drohten damit, die Bilder an die Presse zu verscherbeln, wenn ich ihnen nicht sofort 100 Dollar zahlen würde. Und ich ärgerte mich darüber, dass die Ehrung zum falschen Zeitpunkt kam: Als ich noch ein jugendlicher Single war, hat nämlich kein Schwein gesagt, ich sei sexy. Damals hätte ich das wirklich gut brauchen können. Jetzt, nachdem ich verheiratet bin, nutzt es mir nichts mehr!

Findet Ihre Frau Sie nicht sexy?

Doch, schon. Das hoffe ich zumindest – wer weiß? Sie ist schließlich Schauspielerin … Jedenfalls beeindruckt es sie überhaupt nicht, dass man dem Mann an ihrer Seite den weltweit größten Sexappeal bescheinigt hat. Wenn ich sie dezent darauf hinweisen würde, dann würde sie nur sagen: „Ja, ja, schon gut. Trag endlich den Müll raus!“

Marco Schmidt

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