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Katrin Bauerfeind hat ein neues Buch über die Liebe geschrieben.

© Mike Wolff

Interview mit Katrin Bauerfeind: "Ein Ring im Sektglas ist Körperverletzung"

Ihre Oma kann „Ich liebe dich“ nicht sagen – nur backen. Katrin Bauerfeind über das größte aller Gefühle, übergriffige Komplimente und wann sie Schluss macht.

Frau Bauerfeind, Sie haben mit „Alles kann, Liebe muss“ ein Buch über Ihre Erfahrungen mit dem Thema geschrieben. Eine Episode fehlt: Wann haben Sie das erste Mal „Ich liebe dich“ gesagt?

Krass …

Da müssen Sie nachdenken?

Ich weiß das wirklich nicht. Lustigerweise weiß ich genau, wann ich es zum ersten Mal gehört habe.

Nämlich?

Das war in Italien. Mario war 16, Stracciatellalächeln, Vespa, kein Helm. Nach vier Tagen und acht Ramazzotti sagte Mario mir beim Knutschen auf dem Campingplatz: „Ich muss eine Wasserwaage haben.“ Es stellte sich raus, er meinte: „Ich mussa di wassa sage.“ Und ich: Nee, das ist nicht gut. Wahrscheinlich gesteht er mir jetzt, dass er verheiratet ist oder es mag, wenn man ihm die Füße leckt. Doch er sagte: Ich liebe dich.

Und Sie?

Ich wusste, ich kann dem nichts antworten. Das hatte ja nichts mit Liebe zu tun. Man ist 16 und rafft nix, vor allem nicht, wie viel man verträgt, aber selbst in dem Alter weiß man ja, es gibt einen Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe. Und bei der Liebe darf man nicht lügen.

In der Liebe und im Krieg ist doch alles erlaubt ...

Es gibt noch so ein paar Sachen im Leben, da darf man nicht bescheißen. Du kannst wirklich alles machen, wenn du verknallt bist, aber Liebe, da darf man nicht lügen.

Dabei wird der Begriff heute inflationär benutzt.

Das war ja auch einer der Anlässe, das Buch zu schreiben: Edeka liebt Lebensmittel, VW baut „aus Liebe zum Automobil“, Instagram ist überhaupt nichts anderes mehr, jeder liebt alles, es wird mit Herzen um sich geworfen. Das zeigt aber nur, dass es da ein unfassbar großes Bedürfnis gibt. Doch man kann die Liebe nicht der Werbung überlassen oder dem Schlager.

Ihr Job ist also neben der Arbeit im Fernsehen und auf der Bühne die Ehrenrettung der Liebe?

Hass und Wut gelten als ernst, die Liebe immer sofort als kitschig. Keiner hat ein Problem damit, zu sagen: Du bist ein Arschloch. Liebe rüberzubringen ist oft sehr viel schwerer, weil sie wirklich schmerzhaft sein kann. Da draußen setzen viele Leute nur noch auf Eskalation. Ich fühle mich auch oft wie eine Dreijährige im Körper einer 35-Jährigen und will mit dem Fuß aufstampfen, wenn was nicht läuft. Aber man weiß ja, wohin Eskalation führt: zu noch mehr Eskalation. Man muss nur mal auf die Straße gucken.

Wie meinen Sie das?

Ich habe neulich bei einer Freundin halb legal auf dem Bürgersteig geparkt. Schnell rein, hallo, was abholen, Tschüß. Bis ich zurück bin, habe ich einen Zettel dran: „Sie parken faktisch vor einer Einfahrt. Beim nächsten Mal: Spiegel ab, Arschloch.“ Von „macht mir nichts“ bis „ich raste gleich aus“ sind nur knapp zehn Minuten vergangen. Kurze Zeit später werde ich selbst eingeparkt und schreibe auch so eine Hassnachricht. Es stellt sich raus, ich bin von ’ner Mutter zugestellt worden, die ihr fiebriges Kind aus der Kita holen musste. Dann stehst du da und hättest gern eine Rückspultaste für dein Leben.

Was haben Sie auf den Zettel geschrieben?

Ich weiß nicht, ob man das in der Zeitung schreiben kann …

Versuchen wir es mal!

„Parkpimmel“. Ich war wirklich sehr wütend. Und dann habe ich gedacht, vielleicht ist es dem Mann, der mir geschrieben hat, genauso ergangen. Vielleicht sollten wir Zettel dabei haben mit der Aufschrift: „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und Liebe und alles Gute.“ Mir ist klar, dass das total naiv klingt, weil wir so die Welt nicht retten, aber vielleicht die Stimmung für ein paar Stunden, und es kann doch sein, dass das am Ende den Unterschied macht.

Erinnern Sie sich an Ihr erstes Verliebtsein?

Klar. Mit zwölf. Ich dachte, den heirate ich. Wir waren im Kino. Er hat meine Hand an sich gerissen und während des ganzen Films nicht mehr losgelassen. Wir saßen da und keiner traute sich, sich zu bewegen, aus Angst, alles mit dieser Bewegung kaputt zu machen.

Geheiratet haben Sie ihn offensichtlich nicht.

Natürlich nicht. Zwei Wochen später war es schon wieder vorbei. Aber die Geschichte ist ja eigentlich, dass die Erwachsenen immer sagen, wenn du klein bist, hast du keine Ahnung von Liebe.

Stimmt nicht?

Ich bin überzeugt, dass diese zarten Anfänge auch Liebe sind. Gerade am Anfang rennt man rum ohne diese Abwehrmechanismen und ohne die ganzen Sachen, die man glaubt zu brauchen, um nicht nochmal verletzt zu werden.

"Bei uns in der Familie machte die Liebe immer einen Umweg"

Katrin Bauerfeind stand zusammen mit Christian Kohlund für die ARD-Serie "Borcherts Fall" vor der Kamera.
Katrin Bauerfeind stand zusammen mit Christian Kohlund für die ARD-Serie "Borcherts Fall" vor der Kamera.

© pa/Michael Heitmann/dpa

Muss eine Beziehung überhaupt für die Ewigkeit sein, damit sie die große Liebe ist?

Ich habe das lange gedacht. Am Ende ist Liebe immer eine Momentsache. Wenn man älter wird, merkt man, dass man diese romantische Vorstellung durchaus haben kann, es in der Realität aber trotzdem nur selten so geschieht.

Glauben Sie als Scheidungskind an die Ehe?

Ich hab’ noch nie an die Ehe geglaubt und mich noch nie auf einen Altar zulaufen sehen im weißen Kleid. Ich war als Kind sicher, Heiraten ist eine Selbstverständlichkeit, die jedem passiert. Als ich gemerkt habe, dass das nicht so ist, habe ich gedacht: Ja super, dann mache ich das nicht.

Das muss befreiend gewesen sein.

Da, wo ich herkomme, in Schwaben, braucht man ohne Mann und Kind ab 30 eigentlich ein Attest. Insofern ja, ich bin froh, dass ich das heutzutage selbst entscheiden kann.

Wie alt waren Sie, als Ihre Eltern sich haben scheiden lassen?

So 13. Also mitten in der Pubertät.

Ein Schock?

Ich hab’ das schon verstanden. Ich finde, Kinder sind auch in katastrophalen Situationen oft sehr cool. Aber man kann natürlich nicht abschätzen, was es bedeutet. Mein Leben wäre anders verlaufen, wenn meine Eltern zusammengeblieben wären. Vielleicht tu ich mich deswegen schwer mit Romantik. Zumindest mit der Form, wie sie in Filmen angeboten wird oder am Valentinstag. Ich bin auch ein großer Hasser des Verlobungsrings im Sektglas. Ich halte das für Körperverletzung.

Ein Trennungsgrund?

Aber hallo! Und Tschüß!

Sie schreiben, „in Frankreich sind die Herzen aus Camembert, Träumen und Chansons, in Schwaben aus Muskeln und Bindegewebe.“ Kann man mit solchen Erbanlagen überhaupt lieben?

Ich kenne das von zu Hause so, dass man Liebe hauptsächlich durch Sorge äußert. Man schimpft Liebe: „Ah, bisch wieda so schpäd heim komma, hasch wieder soviel trunka.“ Und Essen natürlich! Meine Oma kann nicht sagen, „Ich hab dich lieb“, das kann sie nur kochen oder backen. Wenn da ein Kuchen steht, weiß ich schon, ich muss jetzt mindestens vier Stücke essen, sonst versteht sie nicht, dass ich sie auch lieb habe.

Glücklich sehen Sie nicht aus, wie Sie das erzählen.

Naja, klar wäre mir lieber, die würden einfach sagen: „Hab dich lieb!“ Fertig. Ich stand mal bei einem Geburtstag von einer Freundin, die Geschwister hatten Videos aufgenommen, um ihr zu sagen, wie toll sie ist, die Eltern haben gesungen. Alle haben sich gefreut, alle waren glücklich. Und ich wurde traurig, weil ich dachte, bei uns in der Familie kennt man das nicht. Bei uns macht die Liebe immer einen Umweg.

Sie schreiben, die Leute hätten so viele Probleme mit der Liebe, weil sie ihnen nie beigebracht wird.

Ja, das finde ich einen Skandal! Es ist doch ein Witz, dass man in der Schule lernt, wie Osmose funktioniert, aber nicht, wie man mit Zunge küsst.

Die Liebe ist doch auch gerade deshalb so etwas Großes und Bedeutendes, weil sie eben ein Geheimnis ist.

Ich glaube, dass das eine dem anderen nichts wegnehmen würde. Die erklären einem im Aufklärungsunterricht ja auch, wie Sex funktioniert, und man sitzt da später nicht und denkt, jetzt, wo man mir gesagt hat, wie’s geht, ist der Reiz weg.

Lieben Sie Ihren Beruf?

Ich finde, Liebe ist das falsche Wort. Es ist das, was ich immer machen wollte. Und ich weiß gar nicht, was ich sonst machen sollte. Ich bin glücklich damit, vielleicht ist das auch schon Liebe.

Jeder, den Sie treffen, hat schon ein Bild von Ihnen. Das macht es sicher schwierig, die Liebe zu finden.

Man merkt im Laufe der Jahre, ob jemand nur Interesse hat, weil er einen aus dem Fernsehen kennt. Man sieht das irgendwann am Blick. Und ich finde meinen Job so gut, dass ich privat noch nie das Gefühl hatte, verzichten zu müssen. Wenn ich auf eine Party eingeladen war, aber arbeiten musste, hab’ ich noch nie gedacht: Scheiße, dass ich nicht auf den Geburtstag gehen kann.

"Wenn du sagst: Ich bin gerne Single, glaubt dir keiner"

2007 moderierte Bauerfeind das Magazin „Polylux“ im Ersten. Sie sprang damals für Tita von Hardenberg ein, die eine Babypause einlegte.
2007 moderierte Bauerfeind das Magazin „Polylux“ im Ersten. Sie sprang damals für Tita von Hardenberg ein, die eine Babypause einlegte.

© imago/Metodi Popow

Für die Männer in Ihrem Leben ist das sicher nicht so einfach.

Ja, einige finden es blöd, dass man dauernd unterwegs ist. Man fällt im gemeinsamen Alltag aus: Am Wochenende grillt die Saskia, vorher Brunchen bei den Meiers, und du bist einfach nur jeden vierten Sonntag da, weil du drehst oder tourst.

Hat der Beruf Sie zum Single gemacht?

Ich habe gar nicht gesagt, dass ich Single bin.

In dem Buch liest sich das so …

Ich sag’ da erstmal nix zu. Das Problem am Singledasein ist ja vor allem, dass es einen schlechten Ruf hat. Wenn du sagst: Ich bin gerne Single, glaubt dir keiner. Dabei hat es auch viele Vorteile. Ich kann 32 Youtube-Videos von niedlichen Igeln gucken und keiner fragt: Sag mal, was machst du da eigentlich?

In einer Beziehung muss man mit Mitte 30 Kompromisse machen, schreiben Sie. Welchen würden Sie nicht machen?

Wenn mich jemand in meiner Freiheit einschränken will, das funktioniert nicht.

Männer anzusprechen dürfte für Sie kein Problem sein.

Ich lasse lieber ansprechen. Da bin ich altmodisch. Ich bin für Emanzipation. Aber nur, weil man emanzipiert ist, heißt das nicht, dass Männer kein Benehmen mehr haben sollten.

Türe aufhalten?

Super Sache! Aber im Anschluss auch bitte zuerst ins Restaurant reingehen. Machen ja viele falsch.

Was ist ein guter Kennenlernspruch?

Keine Ahnung. Meine Mutter hat schon früher immer gesagt: „Katrin, du koasch gar ned flirda …“. Man lernt sich ja oft bei der Arbeit kennen, und da fragt man eher Dinge wie: „Na? Noch ’nen Kaffee?“ Am Ende muss es aber laut Studien gar nix Spezielles sein. Was ganz Normales wie „Hey, wie geht’s?“ ist völlig ausreichend. Zumindest für den Anfang. Ein bisschen was sollte dann aber natürlich schon noch kommen.

Über die Spielregeln gibt es gerade eine große Debatte in …

sind wir jetzt endlich bei #MeToo? Ich bin ein großer Freund der Debatte, und ich denke nicht, dass da nur Leute was schreiben dürfen, die rechtliche Schritte gegen irgendwen einleiten müssten. Ich finde gerade gut, dass einmal alles dasteht und wir auch das diskutieren, was oft als Kleinigkeit abgetan wird.

Als Sie am Anfang Ihrer Karriere bei Harald Schmidt zu Gast waren, sagte der in wenigen Minuten gleich zweimal: „Sie sehen ja super aus.“

Ich freu’ mich tierisch, wenn Leute denken, ich sehe gut aus, aber es ist gleichzeitig befremdlich, weil man ja denkt, man wurde eingeladen, weil man was gut kann.

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Wie geht man damit richtig um?

Man kann damit nicht richtig umgehen. Das merken wir jetzt wieder an der Debatte. Wenn Männer einem was Nettes sagen, soll man sich bitte freuen. Und wenn sie einem sagen, man sei jetzt nicht so ganz der heiße Scheiß, soll man sich nicht so anstellen. Als Frau kommst du aus der Nummer eigentlich nie raus. Am Ende siehst du dich da wieder sitzen und es einfach weglachen. Das ist so gelernt. Wenn ich zu Harald Schmidt gesagt hätte: „Entschuldigung, hackt’s? Ich mache auch was und das nicht schlecht“, würden alle denken: „Wat is’ die denn für ’ne Zicke, was hat die denn jetzt für ’n Problem?“

Haben Sie bei der Recherche über die Liebe eigentlich etwas Praktisches gelernt?

Ich halte mich an die Wissenschaft, und die sagt: Drei Mal täglich 90 Sekunden aufmerksam mit dem Partner beschäftigen. Das reicht, um eine Beziehung stabil zu halten.

Schon ausprobiert?

Seit ich das gelesen habe, versuche ich, mich daran zu halten und rechne auch schon mal nach: Halt, wie viel habe ich schon?

Also doch nicht Single?

Tja …

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