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Sirshasana: So heißt der Kopfstand beim Hatha Yoga

© imago/imagebroker

Katja Demirci macht sich beim Yoga locker: Die Angst schwitzt mit

Das Schöne am Yoga ist die Achtsamkeit. Aber wehe, es geht an den Kopfstand. Ein Leidensbericht

Es ist nicht allzu lange her, da kündigte meine Yogalehrerin an, heute werde der Kopfstand geübt. Für alle, die das schon aus dem Effeff können: allein. Für Menschen wie mich: gemeinsam. Bei der Suche nach einem Partneryogi hielt ich mich sehr zurück, studierte konzentriert einen Fleck auf meiner Yogamatte, trank einen Schluck Wasser, bis, huch, keiner mehr für mich übrig war.

Erleichtert übte ich ein bisschen allein herum, setzte meine Kopfkrone auf die Matte und passte auf, dass meine Füße jederzeit den Boden berührten. Über meine Angst vor dem Kopfstand und einen dadurch ausgelösten plötzlichen Genickbruch habe ich hier schon einmal geschrieben. Es hat sich leider nichts daran geändert. Ich schäme mich auch etwas dafür. Andererseits muss man sich nicht allen Ängsten im Leben bedingungslos stellen.

Zufrieden mit meiner Kopfstandvermeidungstaktik krabbelte ich zurück in den Schneidersitz, als eine drahtige Yogini mich ansprach: „Ich kann dir gerne Hilfestellung geben, dann kommst du ohne Probleme in den Kopfstand.“ Och nö, sagte ich, danke, passt schon. „Ist wirklich kein Problem“, insistierte sie und lächelte mich an, bis ich ihr gestand: Ich hab’ ehrlich gesagt Angst davor. Ihr eben noch lächelnder Mund verzog sich zu einem unausgesprochenen Tutmirleid, als sie sich wieder wegdrehte und sagte: „Oh.“ Danach klappte bei mir erst mal gar nichts mehr. Wie fies ich das fand! Oh.

Liebe verbreiten

Dabei ist das Schöne am Yoga doch auch die viel gerühmte Achtsamkeit. Sich selbst und anderen gegenüber. Liebe verbreiten – so nennt das mein lieber C. Und, ja, ich versuche es. Manchmal sind selbst die Zeilen dieser Kolumne so von Liebe durchzogen, dass sich die Karmapunkte nach Abdruck verdoppeln. Drei Freundinnen habe ich bereits fürs Yoga gewinnen können, ein treu Korrektur lesender Kollege denkt noch darüber nach, ob er sich auch mal traut.

Für Männer mag die Hemmschwelle größer sein. Wenn jemals ein Mann etwas über meine Kolumne sagte, dann meist: Meine Frau liest sie. Die mir bekannte Ausnahme ist ein ehemaliger Kollege aus Bonn, den ich an dieser Stelle herzlich grüßen möchte.

Die noch kurze Yogakarriere zweier meiner Freundinnen verfolge ich zurzeit gespannt. Denn ein bisschen fühle ich mich auch verantwortlich. Als Freundin K. sich am Tag nach der ersten Stunde bei mir meldete und verkündete, sie könne zwar vor lauter Muskelkater ihre Arme nicht mehr bewegen, sei jedoch sehr zufrieden, war ich es auch. Entgegen ihren Befürchtungen hatte sie nicht unkontrolliert kichern müssen und war auch nicht die unbeweglichste Person im Raum gewesen. Vor allem aber betonte sie, wie außerordentlich fit und super sie sich nach der Stunde gefühlt habe – „zum Bäumeausreißen“. Ich nickte wissend.

Ooommm

Natürlich kam ihr manches gewöhnungsbedürftig vor. Doch da konnte ich sie beruhigen: Ging mir am Anfang genauso. Das gemeinschaftliche „Ooommm“-Singen fand ich erst befremdlich, dann schön; die Tiernamen der Yogapositionen erst verwirrend, dann einleuchtend; den Geruch von Räucherstäbchen erst penetrant, dann heimelig; das Schnarchen der männlichen Yogis bei der Endentspannung ... nein, musste ich zugeben, das habe ich nie erlebt. K. kicherte. Hatte sie mich vor ihrer ersten Yogastunde noch hektisch angesimst – „Brauche ich Turnschuhe?“ –, so war sie zwei Wochen später, leichtfüßig und strahlend, kaum noch für ein Gespräch zu greifen. Sie werden so schnell groß, diese Yogis.

Ich wette, in ein paar Monaten kommt sie an und erzählt mir etwas von Kopfstand. Kann sein, dass mir dann nichts anderes mehr einfällt als: Oh.

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