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Andreas Austilat.

© Doris Spiekermann-Klaas

Meine Frau, ihr Garten und ich: Aus der Tiefe des Rasens

Als ich neulich nach Hause kam, fiel mir gleich neben der Tür dieser Strauch auf. Mit kleinen grünen Blättern, einen knappen Meter hoch.

Von Andreas Austilat

Das Besondere: Er hatte ungeheuer viele leuchtend rote Blüten produziert. „Was ist das denn für einer?“, fragte ich also drinnen. „Azalee“, antwortete meine Frau, „die kommt von hinten.“

Von hinten bedeutet in diesem Fall, dass es sich um einen der Umsiedler handelt, der seinen Platz in der Bestlage hinter dem Haus verloren hat. Die Azalee hatte dort zwei Jahre vor sich hin gemickert, nun entwickelt sie sich prächtig. Offenbar war es ihr hinten zu sonnig, Azaleen haben es wohl lieber halb schattig.

Bisher hatte ich mich für den wenig imposanten Strauch kaum interessiert, das war nun anders. Schnell lernte ich, dass es sich bei der Azalee um ein Gewächs aus der Gattung des Rhododendrons handelt, die aus China und Japan stammt und um 1800 nach Europa kam.

Sehr genau lässt sich die Ankunft für die indische Azalee Rhododendron simsii bestimmen, die als Zimmerazalee in Europa Karriere machte. Sie erreichte den englischen Hafen Portsmouth am 1. Juli 1808 an Bord der „Cuffnells“. Der Segler hatte eine lange Reise im Auftrag der britischen Ostindienkompanie hinter sich.

Die „Cuffnells“ hatte England bereits am 26. Februar 1807 verlassen. Ihr Captain war Robert Welbank. Zuerst hatten sie die Koromandelküste angesteuert, so wurde damals die Südostecke Indiens genannt. Doch obwohl man auch von der „indischen Azalee“ spricht, kam die Pflanze erst in China an Bord. Zurück in England kümmerte man sich in den königlichen botanischen Gärten von Kew um die Azalee.

Auf englischen Familienforschungsseiten fand ich ein bisschen mehr über Captain Welbank heraus. Mit 15 Jahren hatte er bei der Ostindienkompanie angeheuert. Mit 28 wurde er zum Kapitän befördert. Ende September 1808, er war inzwischen 30, heiratete er die vier Jahre jüngere Sarah Rohde. Entweder hatte sie ihn gerade erst kennengelernt oder, was wahrscheinlicher ist, sie hatte lange auf ihn gewartet, war er doch erst im Juli nach 17 Monaten aus China zurückgekehrt.

Welbank schrieb Gärtner-Geschichte. Von seinen nächsten Asien-Reisen brachte er nämlich noch die Wisteria sinensis sowie diverse Kamelien nach Europa mit. Eine wurde sogar nach ihm benannt: Camelia japonica „Welbankiana“.

1816, nach 23 Jahren auf See, hatte Welbank offenbar genug. Er blieb für immer an Land und wurde ranghohes Mitglied in der britischen Leuchtturmverwaltung. Vielleicht war er da aber auch schon ein bisschen zu oft und zu lange weg gewesen. Jedenfalls scheint die Ehe kinderlos geblieben zu sein. Nach seinem Tod 1857 nahmen nur die Ehefrau und zwei Neffen an der Testamentseröffnung teil.

Hätte nichts geschadet, wenn auch nach Sarah irgendeine Blume benannt worden wäre.

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