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Elena Senft schaltet nie ab: Tücken und Tricks bei Mails und SMS

Flüchtigkeitsfehler beim Tippen von Mails und SMS können passieren, und man kann sich dafür sehr schämen.

Das weiß ich, seitdem ein früherer Freund im noch sehr jungen Stadium unserer gerade erblühenden Beziehung eine Geburtstags-SMS an meine Schwester schrieb, ein Leerzeichen vergaß und das Auto-correct-System seine förmlich-höfliche Verabschiedung „Liebe Grüße“ in ein unangebracht ranschmeißerisches „Liebesgrüße“ verwandelte. Seitdem lese ich bei jeder SMS noch einmal kurz Korrektur.

So konnte ich dafür sorgen, dass der Gruß an den Vater kurz vor der OP auch wirklich „Viel Glück, Papi“ lautete und nicht dank des SMS- Schreibsystems T9 „Viel Glück, Sarg“.

In meinen ersten Jahren mit Handybesitz habe ich Hunderte von SMS mit dem Inhalt „Droge Weihnachten“ versendet. Auch „kommt vorbei, ich habe Bier“ klingt noch deutlich besser als „kommt vorbei, ich habe Aids“.

Anstatt um korrekte Rechtschreibung geht es vielen Menschen in privaten und geschäftlichen Mails scheinbar vor allem darum, klarzumachen, wie unheimlich beschäftigt und auf dem Sprung sie gerade sind.

Man selber überprüft sein E–Mail-Postfach mindestens alle fünf Minuten auf einen neuen Eingang und geht an manchen Abenden mit der tristen Bilanz heim, dass außer dem neuen „Brigitte“-Newsletter-Rezept („Schoko-Bananen-Torte“) und der Zalando-Aufforderung zur Bewertung der kürzlich erworbenen Laufschuhe niemand den wichtigen Kontakt gesucht hat. Und schaut ungewollt beeindruckt auf Menschen, die Mails mit einem Inhalt, der in aller Kürze mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden könnte („Steht unsere Verabredung am Mittwoch noch?“) erst nach Tagen oder gar Wochen beantworten.

Die Antwort wird dann eingeleitet mit „Sorry, hier wieder Land unter, komm erst jetzt endlich mal dazu, meinen Mailstapel abzuarbeiten.“ Als Empfängerin frage ich mich, ob beim anderen beruflich oder privat etwas im Argen liegt, denn die Antwort „ja“ oder „nein“ hätte auch bei voller beruflicher Auslastung höchstens 15 Sekunden gedauert. Ach was, zehn!

Ein ebenfalls böser Trick, um dem anderen das Gefühl zu geben, sehr viel beschäftigter zu sein als man selber, ist die gnadenlose Abkürzung von Wörtern, obwohl das Tippen dieser abgekürzten Wörter ungefähr exakt so aufwendig sein dürfte wie das Ausschreiben derselben. Trotz mittlerweile fast flächendeckender Diffamierung von Anglizismen erreichen einen weiterhin Mails, die etwa so klingen: „Jochen, won't make it for tomos drinks job brennt und mo back to muc viel spaß und spk soon chris.“ Wieder ein Grund, an der eigenen Auslastung zu zweifeln, in der man es sogar noch schafft, Satzzeichen und Groß- und Kleinschreibung zu berücksichtigen, während bei Chris offenbar einfach nur total die Hütte brennt.

Wie unglaublich unterbeschäftigt man selber sein muss, wenn man drei Minuten lang überlegt, ob die Verabschiedungsvariante „beste Grüße“, „schöne Grüße“ oder doch eher „viele Grüße“ an den neuen Vorgesetzten die richtige ist. Und ist der Vorgesetzte ein „Lieber ...“, ein „Sehr geehrter ...“ oder reicht mittlerweile schon ein joviales „Hallo ...“?

Ob sich der Verfasser der folgenden Verabschiedung solche Gedanken gemacht hat, weiß ich nicht. Letzte Woche erreichte mich nämlich eine berufliche Mail eines von mir bislang immer für außerordentlich seriös und eloquent gehaltenen Redakteurs, der seine Mail mit der Verabschiedung „Es winkt ganz doll: der Martin“ beschloss. Das gehört in jedem Fall auf der Stelle verboten.

Und zwar asap.

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