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Dr. WEWETZER: Schall statt Strahl

Deutschland zählt zu den Ländern, in denen viel geröntgt wird.

Die durchschnittliche jährliche Strahlenbelastung aus medizinischen Quellen übersteigt die aus Kernkraftwerken um mehr als das Hundertfache. Gut durchleuchtet ist der Bundesbürger nicht erst seit der NSA-Affäre. So wird jeder Deutsche im Jahr 1,3mal geröntgt, auch das ist natürlich nur ein Durchschnittswert. Vor allem bei Kindern sollte jedes Röntgen wohl überlegt sein, da kindliches Gewebe deutlich strahlenempfindlicher ist. Eine Alternative zum Röntgenstrahl kann der Ultraschall sein, denn diese Untersuchung kommt ohne Strahlenbelastung aus. Wie der Name schon sagt, werden dabei Schallwellen hoher, für den Menschen unhörbarer Frequenz verwendet.

Häufiger Grund für ein Röntgenbild beim Kind ist der Verdacht auf einen Knochenbruch, eine Fraktur, vor allem im Bereich der Arme und Beine. Auch aus juristischen Gründen wollen viele Ärzte auf Nummer sicher gehen und röntgen das betroffene Areal. Allerdings wird nur in etwa vier von fünf Fällen eine Fraktur nachgewiesen, so dass die Röntgenaufnahme eigentlich entbehrlich gewesen wäre. „Vor allem diese Kinder profitieren, wenn wir sie zunächst mit dem Ultraschall untersuchen“, sagt der Kinderchirurg Kolja Eckert vom Essener Elisabeth-Krankenhaus. Eckert hat zusammen mit seinem Kollegen Ole Ackermann vom Evangelischen Krankenhaus in Oberhausen die Ultraschalluntersuchung als Alternative zum Röntgen erprobt. Mit Erfolg. Die Technik erweist sich als ebenso genau, wenn es darum geht, einen Knochenbruch zu entdecken oder auszuschließen.

Bei der Ultraschalluntersuchung wird ein schmaler Schallkopf auf die Haut aufgesetzt. Er sendet den Ultraschall aus und empfängt das Echo, aus dem im Computer ein Bild entsteht. Das Kind kann bei der Untersuchung auf dem Schoß der Mutter sitzen und muss nicht allein vor die Röntgenröhre. Zudem kann ein ultraschallkundiger Unfallarzt das Kind nach der Allgemeinuntersuchung direkt „schallen“, was zusätzliche Wartezeiten vermeidet und Nerven schont.

Häufig verletzen sich Kinder beim Sturz auf die ausgestreckte Hand und brechen sich dabei den Unterarm. In diesen Fällen ist der Ultraschall eine ausgezeichnete Untersuchungsmethode und ebenso sicher wie das Röntgen, haben Eckert und Ackermann festgestellt. Ähnliches gilt auch, wenn der Verdacht auf einen Bruch des Oberarmknochens im Schulterbereich besteht, etwa nach Sturz auf den nach hinten gestreckten Arm.

Häufig sind auch Brüche im Bereich des Ellenbogens. Diese sind nicht selten kompliziert, eine Röntgenuntersuchung ist daher oft unabdingbar. Allerdings kann ein Ultraschall vorab Kinder ohne Knochenbruch entdecken und zumindest diesen das Röntgen ersparen. Und schließlich kann der Ultraschall auch bei den meist harmlosen Schlüsselbeinbrüchen und bei Schädel- und Beinverletzungen hilfreich sein.

Ultraschall als Alternative ist zum Gesprächsthema bei Fachkongressen geworden. Das Umdenken beginnt.

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