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Dr. WEWETZER: Vitamin contra Alzheimer

Die Hoffnung, ein gut wirksames Medikament gegen geistigen Verfall durch die Alzheimer-Krankheit zu finden, hat bislang getrogen.

Gerade in jüngster Zeit wurden hochgespannte Erwartungen an neue Wirkstoffe enttäuscht, einmal mehr erwies sich Alzheimer als stärker. Umso überraschender, dass kürzlich eine Substanz wieder positiv ins Gespräch kam, die manche schon abgeschrieben hatten. Die Rede ist vom Vitamin E.

Das fettlösliche Vitamin gilt hauptsächlich als zellschützender „Radikalenfänger“. Also als Substanz, die aggressive Moleküle namens „freie Radikale“ entschärft und damit das Entstehen potenziell schädlicher Sauerstoffverbindungen bremst. Da das Gehirn großen Sauerstoffhunger hat und die Nerven fetthaltige Hüllen besitzen, könnte das Organ ein Fall für Vitamin E sein, das die Zellen vor Attacken der freien Radikalen bewahrt. So weit die Theorie.

Amerikanische Ärzte testeten Vitamin E über gut zwei Jahre im Vergleich zu dem Alzheimer-Medikament Memantin und zu einem wirkstofffreien Scheinmedikament, einem Placebo. Teilnehmer der Studie waren 613 Patienten (überwiegend Männer), bei denen eine leichte bis moderate Alzheimer-Krankheit festgestellt worden war. Die Wissenschaftler um Maurice Dysken vom US-Veteranen-Gesundheitssystem in Minneapolis setzten mit täglich 2000 Internationalen Einheiten (IE) auf hoch dosiertes künstliches Vitamin E. Für den täglichen Bedarf sind 25 IE natürliches Vitamin E mehr als ausreichend.

Wie die Forscher im Fachblatt „Jama“ berichten, wurde in der Gruppe der Patienten, die Vitamin E einnahmen, der Abbau von alltagspraktischen Fähigkeiten wie Ankleiden und selbstständiges Baden verlangsamt und damit Pflegende entlastet. Das Alzheimer-Medikament Memantin (es ist eigentlich für spätere Alzheimer-Stadien vorgesehen) und das Placebo erwiesen sich als wirkungslos.

Die Behandlungserfolge durch das Vitamin waren zwar nur bescheiden und verbesserten hauptsächlich Krankheitszeichen, vermutlich nicht Alzheimer selbst. Aber ernsthafte Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet, zudem ist Vitamin E billig. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass man Vitamin E empfehlen kann, um Aktivitäten des täglichen Lebens zu verbessern, und das bei allen Alzheimer-Stadien“, sagte Mitautorin Mary Sano von der Mount Sinai School of Medicine in New York der Internetseite Medscape.

Das Ergebnis bestätigt eine Vitamin-E-Studie mit Patienten im moderatem bis schwerem Alzheimer-Stadium, die zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen war. Allerdings hat sich auch herausgestellt, dass Vitamin E nicht zur Alzheimer-Vorbeugung bei Gesunden oder Menschen mit leichter geistiger Beeinträchtigung taugt (ebenso wenig wie zum Vorbeugen von Herz- und Gefäßleiden oder Krebs). Zudem gibt es ernst zu nehmende Hinweise aus früheren Untersuchungen, dass hoch dosiertes Vitamin E (über 400 IE) das Sterberisiko erhöhen kann. Es wäre also keine gute Idee, blindlings auf den Radikalenfänger zu setzen.

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