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Das gute Stück.

© Reuters

Legendäres Schmuckstück: Der Fluch des blauen Diamanten

Dieser Edelstein ist gut 150 000 000 Euro wert. Nicht, weil er größer oder schöner ist als jeder andere. Sondern weil er eine schauerliche Geschichte hat. Seit 1958 liegt der „Hope“-Diamant in einem Museum.

Das Unglück ereilte den Postboten James Todd ein Jahr nach der verhängnisvollen Lieferung. „Briefträger des Hope-Diamanten von Tragödie befallen“, titelte die „Washington Post“ am 21. August 1959. Innerhalb weniger Monate, so hieß es in dem Artikel, sei die Frau des 34-jährigen Todd an einem Herzinfarkt verstorben, er selbst wurde von einem Lastwagen angefahren und sein Bein schwer verletzt. Schließlich brannte auch noch sein Haus ab. Tragischer Zufall? Oder hatte die wertvolle Lieferung ein Jahr zuvor etwas mit Todds Schicksalsschlägen zu tun?

Am Vormittag des 8. November 1958 hatte der amerikanische Postbote eine außergewöhnliche Sendung an das Smithsonian Museum in Washington, D.C., geliefert. Verpackt in braunes Papier, 1,7 Kilogramm schwer, frankiert mit 145,29 Dollar, versichert für eine Million: der Hope-Diamant – der wohl berüchtigtste Edelstein der Welt, aber auch einer der begehrtesten. 45,52 Karat, tiefblau, walnussgroß, gefunden vor rund 360 Jahren. Der Hope beunruhigte die Menschen: Juweliere und Journalisten, die wechselnden Besitzer des Diamanten, sogar Personen, die den Edelstein nie getragen hatten, warnten vor dem unheilvollen Stein und seinem fatalen Einfluss. Doch was ist dran am Mythos des verfluchten Diamanten? Und wie ist er entstanden?

Kein anderer Träger des Hope-Diamanten wurde so häufig von tragischen Schicksalsschlägen heimgesucht wie Evalyn Walsh McLean. 36 Jahre besaß sie das Schmuckstück, 36 Jahre, die gezeichnet waren von Verlust, Alkoholsucht und Tod. Dabei waren die McLeans vor dem Kauf des Diamanten gewarnt worden.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörten Evalyn und ihr Ehemann Edward den obersten gesellschaftlichen Kreisen Amerikas an. Beide kamen aus schwerreichen Familien, sie war die Tochter eines Goldgräbers, Edwards Familie gehörte die „Washington Post“. Die McLeans waren ein eigenwilliges Paar. Beide tranken und feierten gerne, sie liebten es, ihr Geld zu verprassen. Das junge Ehepaar war gerade 22 und 24 Jahre alt, als es im September 1910 im Pariser Bristol Hotel auf Pierre Cartier traf.

Emotional aufgeladen wie der Verlobungsring von Lady Di

Der französische Juwelier hatte Evalyn bereits zuvor opulenten Schmuck verkauft. Dieses Mal, im Bristol, trug der geschickte Verkäufer eine mit Wachs versiegelte Box bei sich. „Er verhielt sich höchst mysteriös“, sollte Evalyn später in ihr Tagebuch schreiben. Der Juwelier erzählte dem jungen Ehepaar eine grausame Geschichte: In der Box befände sich ein blauer Edelstein, den ein französischer Diamantenhändler einst einer Hindu-Gottheit in Indien gestohlen haben soll. Dafür sei er verflucht worden. Nachdem er den Edelstein an den französischen König verkauft habe, sei der Händler von wilden Hunden zerfleischt worden und der König unter der Guillotine gestorben.

Eine Schauergeschichte. Eine, die ihre Wirkung nicht verfehlte. „Steine mit einer Geschichte üben eine besondere Faszination aus“, sagt Heinrich Graf von Spreti. Der Präsident des Auktionshauses Sotheby’s in Deutschland kennt zahlreiche Schmuckstücke, deren dramatische Vergangenheit das Interesse leidenschaftlicher Sammler weckt. „Sei es der Verlobungsring von Lady Diana oder die Flamingobrosche der Herzogin von Windsor – es gibt Sammlertypen, die suchen eben solche emotional aufgeladenen Stücke, sie sind fasziniert von der Tragik, dem Romantischen.“ Meist übersteigt dann der Liebhaberwert eines Stücks den Marktwert. Eine Tatsache, auf die vermutlich auch Pierre Cartier spekulierte.

Dabei steckte in seiner Schauergeschichte ein wahrer Kern. Tatsächlich haben Wissenschaftler des US-Forschungsinstituts Smithsonian die Herkunft des Hope-Diamanten bis ins Jahr 1653 zurückverfolgen können. Aus den Minen Golkondas in Indien brachte der Diamantenhändler Jean-Baptiste Tavernier einen 112-karätigen, herzförmigen Diamanten nach Frankreich. „Klar und von einem wunderschönen Blau“, beschrieb er ihn in seinen Notizen. Unter welchen Bedingungen er den Edelstein erstand, ist nicht bekannt. Tavernier starb mit 84 Jahren eines natürlichen Todes. Zuvor kaufte König Louis XIV. den Stein und ließ ihn von seinem Hofjuwelier umschleifen. Fortan gehörte „Le Bleu de France“ zu den Kronjuwelen. Zwei Könige später brach die Französische Revolution aus, die Aufständischen beschlagnahmten den königlichen Schatz – und mit ihm den blauen Diamanten. Die Juwelen sperrte man im Lagerhaus des Königshauses weg, dort wurden sie allerdings dilettantisch bewacht. Eine Bande Plünderer schaffte es, mehrere Nächte hintereinander mit einer einfachen Leiter in das Lagerhaus einzusteigen und einen Großteil der Kronjuwelen zu stehlen. Fünf der Diebe wurden später für ihre Tat hingerichtet. Der blaue Diamant aber war verschwunden. Seine letzten Besitzer, König Louis XVI. und seine Frau Marie Antoinette, starben unter der Guillotine.

„Lassen Sie mich das Ding sehen.“ Im Hotel Bristol war Evalyn Walsh McLean inzwischen ungeduldig geworden. Cartiers Erzählung, so beschrieb sie es in ihrer Autobiografie, hatte sie neugierig gemacht. Als der Juwelier das Schmuckstück endlich auspackte, zeigte sich Evalyn jedoch enttäuscht. Sie fand die Fassung des Diamanten altmodisch und bieder. Cartier ließ sich nicht abwimmeln. Wenige Wochen später reiste er nach Washington zum Anwesen der McLeans und hinterlegte den leuchtend blauen Diamanten für zwei Tage. Er hatte für den Stein eine neue Fassung anfertigen lassen, 16 kleine, klare Diamanten umgaben den blauen Klunker, den Evalyn nun als Kopfschmuck oder an einer Kette tragen konnte.

„Das Juwel starrte mich stundenlang an“, schrieb sie in ihr Tagebuch. „Irgendwann in dieser Nacht begann ich, das Ding haben zu wollen.“ Nach diesem Wochenende kauften die McLeans das berüchtigte Schmuckstück für 180 000 Dollar – heute mehr als drei Millionen Euro. Im Kaufvertrag vermerkte Cartier eine Besonderheit: Er sicherte den Umtausch des Diamanten zu, „sollte der Familie Edward B. McLean in den nächsten sechs Monaten ein tödliches Unglück geschehen.“ Tatsächlich sollte es acht Jahre dauern, bis das Unheil über Evalyn McLean hereinbrach.

Nicht nur Taverniers Geschichte hatte die McLeans vorsichtig werden lassen. Auch andere Besitzer des Hope waren vom Pech verfolgt worden. Einer von ihnen war Lord Francis Hope, dessen Namen der Diamant bis heute trägt. 1887 erbte der Lord das Schmuckstück, da war er gerade 21 Jahre alt. Der blaue Diamant gehörte seit fast 60 Jahren zum Besitz der Hopes, einer reichen, englischen Kaufmanns- und Bankerfamilie. Lord Francis pflegte einen ausschweifenden Lebensstil, er aß, trank und zockte gern und umgab sich am liebsten mit schönen Showgirls. Innerhalb weniger Jahre hatte er horrende Schulden angehäuft, als er 1894 eine Burlesque-Tänzerin heiratete, war er fast bankrott. 1898 versuchte der Lord erstmals, das Erbstück zu verkaufen. Seine Familie verhinderte das und zog vor Gericht. Die Richter verboten den Verkauf.

Mittlerweile kriselte Lord Francis’ junge Ehe, nach sieben Jahren brannte seine Frau mit einem anderen Mann durch. Seine finanzielle Situation wurde immer desolater, und so versuchte er erneut, mit dem blauen Diamanten seine Schulden zu begleichen. Erfolglos. Erst seinen dritten Antrag an das Gericht akzeptierten seine Angehörigen. Lord Francis, der zuvor schon fast sein komplettes Erbe samt kostbarer Kunstsammlung und mehrerer fürstlicher Anwesen veräußert hatte, verkaufte den Unglücksedelstein 1901 für 16 000 Pfund, heute etwa 1,4 Millionen Euro. Über sein weiteres Leben ist lediglich bekannt, dass er bald wieder heiratete, drei Kinder bekam und im Alter von 75 Jahren starb.

Die neuen Besitzer, die New Yorker Juweliersfamilie Frankel, erhofften sich von dem blauen Diamanten ein gutes Geschäft. Aber auch die Frankels hatten Pech, neun Jahre lang fand sich kein Käufer für den blauen Edelstein. Die Zeiten für Juweliere und Händler waren schlecht, viele gerieten in finanzielle Schwierigkeiten. Ausgerechnet die „Washington Post“, die Zeitung, die seit 1905 in Besitz der Familie McLean war, berichtete als erste von dem Unheil bringenden Hope-Diamanten. In der Rubrik „Gesellschafts-Tratsch“ hieß es am 9. Januar 1908: „Man sagt, der Diamant im Wert von rund 250 000 Dollar sei teilweise verantwortlich für die Schwierigkeiten von Joseph Frankels Söhnen …“

„Bemerkenswertes Juwel bringt Unglück“, titelte die Zeitung wenige Tage später und brachte einen großen Bericht über die Vergangenheit des Steins. Journalisten in Amerika und Europa griffen die Geschichte auf, der Fluch des Hope-Diamanten verbreitete sich in der ganzen Welt. Nur eineinhalb Jahre später schrieb die Londoner „Times“, der Hope-Diamant habe drei Revolutionen verursacht. Als der Stein 1910 in den Besitz von Cartier gelangte, war es deshalb nicht verwunderlich, dass der französische Juwelier eine Klausel in den Verkaufsvertrag einband, die den McLeans im Falle eines baldigen Todesfalls den Umtausch des Schmuckstücks zusicherte.

Zunächst jedoch geschah nichts. Die McLeans führten ein unbeschwertes Leben, sie amüsierten sich in den gehobenen Kreisen Washingtons und zählten Präsident Warren G. Harding und seine Ehefrau Florence zu ihren besten Freunden. Evalyn faszinierte der ominöse Fluch – sie spottete aber auch oft über ihn. In ihrer Biographie behauptete sie, den blauen Diamanten in einer Kirche in Virginia einem Exorzismus unterzogen zu haben und berichtete von seltsamen Vorkommnissen: „Es blitzte, Donnergrollen erschütterte die Kirche. Ich gebe zu, dass ich Angst bekam.“ Richard Kurin, Wissenschaftler des Smithsonian Museum und Autor, beschrieb Evalyns Verhältnis zur Legende des Edelsteins: „Manchmal schien sie den Fluch wörtlich zu nehmen. Dann wiederum schien es ihr eine amüsante Geschichte zu sein, guter Gesprächsstoff.“

Der Hope wurde Evalyns Markenzeichen: Sie trug ihn auf gesellschaftlichen und politischen Veranstaltungen, bei ihren eigenen glamourösen Partys und sogar Zuhause im Kreis der Familie. Das zeigen die privaten Filme, die Evalyn gedreht hat. In einer Aufnahme zieht und dreht sie spielerisch, fast gedankenverloren, an dem schweren Klunker um ihren Hals. Sie soll ihn sogar dem Familienhund umgehängt haben.

{Erfahren Sie, wie das Unglück zuschlug ...

Erst 1919, acht Jahre nach dem Kauf des Hope, schlug das Unglück zu. Am 18. Mai, Evalyn und Edward waren gerade nicht zu Hause, wurde ihr neun Jahre alter Sohn von einem Auto angefahren, schlug mit dem Kopf auf den Asphalt und starb. Evalyn wurde medikamentenabhängig, Edward begann stark zu trinken. Evalyns Filmaufnahmen zeigen ihren Mann oft mit verschlossener Miene und einem Glas in der Hand, mit trübem Blick oder schlafend. Wenige Jahre später starben die Freunde der McLeans: Präsident Warren G. Harding erlag einem Herzleiden, kurz darauf starb seine Frau Florence an Nierenversagen.

Die McLeans standen wegen ihres ausschweifenden Lebensstils schon länger im Fokus der Öffentlichkeit. Als bald darauf ihre Ehe zerbrach, spekulierten die Klatschspalten der Zeitungen erneut über die Macht des unheilvollen Hope-Diamanten. Das eigene Blatt, die „Washington Post“, seit fast drei Jahrzehnten in Besitz der McLeans, litt unter schlechtem Management und der Wirtschaftskrise, 1932 musste die Zeitung versteigert werden. Jahre später schluckte Evalyns einzige Tochter eine Überdosis Schlaftabletten und starb. Trotz all dieser Schicksalsschläge schenkte Evalyn den Legenden um ihr Schmuckstück keinen Glauben. Schon 1936 hielt sie in ihrer Autobiografie fest: „In Gedanken verspotte ich jene, die glauben, dass sich tief in dem Blau des Hope-Diamanten ein Fluch verbirgt.“ Stattdessen sah sie den Ursprung des Unglücks, das ihr und ihrer Familie zugestoßen war, als „die natürliche Konsequenz von unverdientem Reichtum in undisziplinierten Händen.“ Ein Jahr nach dem Suizid ihrer Tochter verstarb auch Evalyn, mit 60 Jahren, an einer Lungenentzündung.

Nach Evalyns Tod kaufte ein New Yorker Juwelier das Schmuckstück und schenkte es 1958 dem Smithsonian Museum. Jahrelang erreichten die Washingtoner Forschungseinrichtung Briefe, die vor dem Fluch des Edelsteins warnten. „Wenn das Smithsonian den Hope-Diamanten annimmt“, schrieb einer, „wird das ganze Land leiden.“

Die Wissenschaftler des Smithsonian haben den Stein mittlerweile gründlich untersucht. Sie beleuchteten ihn mit ultravioletten Strahlen und entnahmen Materialproben von der Oberfläche des Steins. Mit Hilfe computergenerierter Modelle konnten sie erstmals belegen, dass es sich bei Taverniers „Bleu de France“ und dem Hope-Diamanten um denselben Stein in unterschiedlichen Größen und Bearbeitungen handelt. Bei ihren Untersuchungen fanden die Forscher lediglich einige chemische Besonderheiten. Außergewöhnlich ist, dass der Hope unter ultraviolettem Licht tiefrot leuchtet. Dieses Phänomen ist zwar selten, es tritt aber auch bei anderen blauen Edelsteinen auf.

Das Schicksal des Postboten James Todd ist der letzte bekannte Unglücksfall, der dem Hope zugeschrieben wird. Dem Smithsonian, so sagen die Mitarbeiter, habe der Hope eher Glück gebracht, schließlich ziehe der berühmte Stein seit 55 Jahren Besucher in das Museum. Als Ausstellungsstück 217 868 liegt der Diamant heute in einer Vitrine hinter Panzerglas. Seinen aktuellen Wert schätzen Experten auf 200 bis 250 Millionen Dollar, rund 150 bis 185 Millionen Euro – mehr als fünfmal soviel wie ein anderer blauer Edelstein seiner Größe. Was den Hope kostbar macht, ist schon lange nicht mehr der Stein. Es ist seine Geschichte.

Sarah Levy

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