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Daniel Rybakken.

© Deike Diening

Lichtdesign: Meister Lampe

Die dunkle Jahreszeit schreckt den Norweger Daniel Rybakken nicht. Er entwirft Tageslicht-Illusionen und wird dadurch berühmt.

Der Mann genießt, was man gemeinhin „einen Lauf“ nennt. Kaum der Ausbildung entsprungen, entwirft Daniel Rybakken seit fünf Jahren ein Licht-Design nach dem anderen, wofür man ihm einen Preis nach dem anderen verleiht. Er ist jetzt 29 Jahre alt. „Ich muss mein Tempo drosseln“, sagt er.

Denn er ist ja schon angekommen, jedenfalls in der größten Licht-Ausstellung der Gegenwart, „Lightopia“ im Vitra Design Museum in Weil am Rhein, wo er nun gegenüber den Schließfächern an einem weiß reflektierenden Tisch Platz nimmt und mit den Augen knispelt, weil die Deckenfluter so fluten.

„Sehen Sie hier“, sagt er und wischt auf seinem leuchtenden Bildschirm 15 Jahre zurück, bis zu seinem alten Jugendzimmer in Oslo. „Darauf geht alles zurück.“ Das Bild zeigt sein Zimmer, bevor es renoviert werden sollte. „Der schönste und hässlichste Raum zugleich.“ 

Hässlich, wenn ihn nachts bei geschlossenen Vorhängen nur eine Deckenlampe erleuchtet: „Die Kontraste sind niedrig, Man fühlt sich eingeengt, einsam und abgeschnitten von der Welt.“ Tagsüber jedoch strahle das Licht diffus durch den zugezogenen Vorhang hindurch: „Sobald das Tageslicht hereinkommt, verbindet es dich mit dem Draußen.“ Der Raum wird im Prinzip kaum heller, aber sehr viel größer. „Es geht darum, einsam zu sein oder mit der Welt verbunden. Um Isolation oder Gemeinschaft.“

Der 16-jährige Rybakken nennt sein altes Zimmer „Case Study Room“, und von nun an ist es das Tageslicht und seine Wirkung, das ihn fasziniert. Nicht in einem medizinischen Sinne, wie man es gegen Winterdepressionen verschreibt, nicht im Sinne von Farbtemperaturen und empfohlener Bestrahlungsdauer, sondern vor allem mit seinen psychologischen und unbewussten Effekten.

„Ist ein Raum angenehm von Tageslicht erhellt, fällt es zum Beispiel von der Seite durch die Fenster ein.“ Nicht von oben. Deshalb versteht er nicht, warum in Büros fluoreszierende Tageslicht-Lampen an den Decken installiert werden. In der Tat fühlt man sich unter diesen Strahlern ungeschützt ausgesetzt. Dabei kommt selbst draußen in der Natur das Licht nur mittags schattenlos von oben. In den scheinbar gesundheitsfördernden Tageslicht-Büros jedoch ist den ganzen Tag High Noon.

Rybakken ist ein weicher Mensch von argumentativer Schärfe. Einer, der seine professionelle Silhouette über die Negativauswahl findet: Weil ihm etwas nicht gefällt. Weil ihm etwas fehlt. Weil er etwas beweisen will. Seine Überlegungen sind grundsätzlicher Natur. Und lichtempfindlich ist er auch.

Die Lightopia-Ausstellung im Vitra-Museum umreißt die Entwicklung des elektrischen Lichts als prägenden Faktor der Moderne. Natürlich werden auch die „Ikonen aus der Leuchtensammlung“ gezeigt, die notorische Wagenfeld-Leuchte, Artemide-Schreibtischleuchten, postmoderne Experimente. Aber Rybakken geht es nicht um die Leuchte. Die Leuchte ist er selber. Ihm geht es um Licht.

Konfrontation mir einem "Schöner Wohnen"-Mitarbeiter

Es ist ihm ein Rätsel, wieso Designer das Basteln von Lampenschirmen mit Lichtgestaltung verwechseln. Auf Messen sieht er das regelmäßig: „Spektakuläre, skulpturale Entwürfe – dann platzieren sie in der Mitte eine Glühbirne und nennen es Licht. Es ist aber nur ein Lampenschirm.“ Dekoration. Er sieht auch viele Spielereien, die Leute deshalb machen, weil sie möglich sind. Technikverliebte Lampen kommen dabei heraus, die häufiger bunt sind, seit es farbige LEDs gibt. Das Geschäft mit Lampendesign läuft blendend. Blendend vor allem. Weshalb Rybakken seine Sonnenbrille hauptsächlich in Innenräumen trägt.

Im Jahr 2008 fährt Rybakken zum ersten Mal selbst zur Möbelmesse nach Mailand. Im Gepäck hat er einen kleinen, schlichten schwarzen Tisch, um den es aber gar nicht geht – der Clou ist der Lichtfleck darunter, der den Eindruck vermittelt, von irgendwoher scheine Sonne auf den Tisch. Rybakken fürchtet, dass sein Beitrag als eine Art Lampendesigner-Insider-Witz verstanden wird, doch weit gefehlt. Offenbar hatte er etwas getroffen, das jeder sofort verstand. Die Form erschien zwar neu, aber die Wirkung liebte jeder. Poetisch, pointiert, überraschend, minimalistisch, jubeln die Kritiker.

Offenbar war sein Gedanke nicht nur ein Witz, auch wenn er wie eine Pointe daherkam. Ermutigt gestaltete er 2009 das tageslichtlose Treppenhaus eines Stockholmer Bürogebäudes und machte aus einem verliesartigen Gelass mit Hilfe von in die Wand eingebauten Sonnenschatten, einem reflektierenden Boden und einer schnittigen Schattenkante ein glamourös-einladendes Entrée.

2012 entwarf er einen kleinen, rechteckigen Spiegel aus poliertem Stahl, den man im rechten Winkel zur Wand befestigt. Der reflektiert das vorhandene Licht in schräg wandernden Strahlen an die Wand. „Und wo bitte,“ fragte ihn ein „Schöner Wohnen“-Redakteur, „kann man das ausschalten?“

Rybakkens Illusion eines Sonnenflecks wird auch in der Lightopia-Ausstellung gezeigt (siehe Foto oben): Das Licht wird nicht auf die Wand projiziert, das würde zu viel Energie verbrauchen, sondern die Quelle liegt direkt hinter der opaken Scheibe, eingebaut in die Wand, weshalb viele Leute irritiert sind, die mit der Hand vor dem Fleck herumwischen, ohne dass ein Schatten entsteht. Viel Arbeit hat Rybakken darauf verwendet, dass der Lichtfleck an den Rändern sonnenecht diffus ausfranst. So einen Flecken, soll er echt wirken, kann man natürlich nicht einfach einstöpseln, sondern muss ihn nahtlos in die Wand einbauen.

Rybakken sagt, er würde „Lob des Schattens“, den einflussreichen Essay des Japaners Tanizaki Jun’ichiro von 1933, nicht kennen. Und das ist erstaunlich. Denn darin scheint schon alles zu stehen: Die Bedeutung natürlicher Lichtverhältnisse für das Empfinden, die Freude am Halbdunkel, die Kunst der Andeutung eines Außenraums, die Herleitung ästhetischer Prinzipien aus den Erfahrungen der Kindheit, das unangenehme Gleißen westlicher Badezimmer. Allerdings hatte Jun’ichiro eine japanische Kindheit.

Möglich, sagt der Norweger Rybakken, dass an dem alten Vorurteil etwas dran ist, dass die Bewohner der nordischen Länder mit ihrer saisonalen Sehnsucht nach Sonne auf Licht reagieren wie hochempfindliche Filme. Dass der nordische Lichtmangel die Lampenproduktion überhaupt und seine Ideen im Speziellen fördert.

In Schweden, sagt er, mögen sie die schrägen, wandernden Lichtflecken, die die Sonne über den Tag durch die Fenster schickt, so sehr, sie haben dafür einen eigenen Namen gefunden: „Solkatt“, Licht-Kätzchen. Und als vor sechs Monaten Rybakkens Tochter geboren wurde, haben die Eltern sie „Sol“ genannt: Sonne. Was denn sonst.

Die Ausstellung „Lightopia“ im Vitra Design Museum läuft noch bis zum 16.04.2014

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