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Immer noch nah. Bei der EM 2008 begann die zarte Romanze zwischen Merkel und Schweinsteiger.

© Achim Scheidemann/dpa

Moritz Rinkes Erinnerungen an die Gegenwart: Merkels letzter Brief an Schweinsteiger

Vor Jahren schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel in dieser Zeitung Briefe an einen jungen Fußballer. Seitdem ist viel passiert, auch in Bastian Schweinsteigers Leben. Nun hat die Kanzlerin wieder einmal zum Stift gegriffen.

Vor Jahren schrieb die Bundeskanzlerin in dieser Zeitung Briefe an einen jungen Mann, den sie in Wien im Ernst-Happel-Stadion kennengelernt hatte. Er trug wasserstoffblondes Haar, hatte bei der Euro 2008 ein tolles Tor gegen Portugal geschossen, dann bekam er eine rote Karte und saß im nächsten Spiel auf der Tribüne neben der Kanzlerin, worauf die Republik fortan rätselte, was Angela Merkel 90 Minuten lang so intensiv mit jenem jungen Mann zu besprechen hatte.

Am Tag darauf gab es eine Presseerklärung, „dass die Bundeskanzlerin die offene und frische Art von Herrn Schweinsteiger schätzt“, danach schrieb die Kanzlerin, längst zum „du“ gewechselt, ihre Briefe an Schweinsteiger unter ihrem Privataccount angie@freenet.de.

Die sind leicht zu finden, wenn man „Rinkes Love Letters“ in die Suchmaschine eingibt.

Seitdem ist viel passiert. In der vergangenen Woche setzte sich die Kanzlerin wieder mal hin, um Schweinsteiger einen letzten Brief zu schreiben.

Lieber Bastian,

ich habe in der „Bunten“ gelesen, dass du vergangene Woche in Venedig eine Tennisspielerin geheiratet hast, während ich beim Nato-Gipfel in Warschau saß. Dazu alles Gute. Mir fiel auf, dass an der Hand, mit der du den Elfmeter verschuldet hast, nun der Ehering steckt. Ich hoffe, dass das kein schlechtes Omen für die Ehe ist, uns hat es immerhin den EM-Titel gekostet, die Portugiesen hätten wir nämlich geschlagen. Als ich dich beim zweiten Spiel gegen die Ukraine sehen wollte, sagte ich zu meinem Mann: Schalt mal um, das ist ja Richard Gere, wir wollten doch jetzt EM schauen.

„Das ist die EM“, sagte mein Mann – und der täuscht sich nie, er ist Physiker – „dein Schweinsteiger hat zwar gerade ein überraschendes Tor geschossen, ist aber faktisch grau.“ Lieber Basti, an uns allen nagt der Zahn der Zeit, außer an mir. Du musst wahrscheinlich bald zurücktreten, ich bin immer noch Kanzlerin, auch weil bei mir die Gegner nicht Antoine Griezmann heißen.

Ich habe mir dein tragisches Handspiel mehrmals angesehen, in meinem Büro im Kanzerlamt. Ja, es war Hand. Ich war auch wütend, aber man hätte in so einem wichtigen Spiel keinen italienischen Schiedsrichter mit blauen Strümpfen nehmen dürfen, die Italiener haben doch schon den Bundestrainer heimlich gefilmt, als er sich mal kurz in die Hose griff, ich finde das nicht schlimm. Was meinst du, was ich da auf den Gipfeln so erlebt habe, gerade die italienischen Regierungen, die haben sich immer da gekratzt und mir danach die Hand geschüttelt.

Wenn du nun manchmal traurig deine Hand anschauen solltest, dann denk an meine, die Despoten und Regierungsvertreter berühren musste, die sich in Blut wuschen oder sonstwo kratzten. Manchmal denke ich, ich darf an meiner Hand gar nicht mehr riechen.

Das Italienspiel war toll. Da hast du zwar einen Elfmeter verschossen, aber danach hatten wir trotzdem den Fluch besiegt, danach war die Vergangenheit nur noch kalter Espresso. Das habe ich Jogi Löw gesimst, ich simse ja gern und viel, besser als Händeschütteln und lange rumquatschen.

Ich muss Schluss machen, ich muss Irans Atomprogramm kritisieren. Erst deinen verschuldeten Handelfmeter, dann Irans Atomprogramm. Was willst du nun in Zukunft tun? Willst du Bundespräsident werden? Ich suche noch einen, und dich habe ich immer gemocht. Ein blonder Blitz, der in mein Leben kam, so stand’s in meinem ersten Brief. Mach’s gut.

Deine Bundeskanzlerin

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