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Auf einer Mountainbiketour radeln Touristen am Chedi Liam Temple in Chiang Mai vorbei.

© Tourism Authority of Thailand

Radtour durch Thailand: Bei 34 Grad mit dem Fahrrad Chiang Mai erkunden

Was für eine abenteuerliche Idee: 200 Kilometer zwischen hupenden Mopeds und Pick-ups radeln. Doch so nah wäre man Wasserbüffeln, Buddhas und Menschen sonst nie gekommen.

Strampelnd biegen die Mountainbikefahrer in die ungepflasterte Dorfstraße ein. Die Räder klappern, als die Gruppe jede Stilregel in Nordthailand bricht: pinkfarbenes Radlerdress, dazu ein Helm, den die Thailänder nicht einmal auf Motorrollern aufsetzen würden. Was für eine unwirkliche Erscheinung! Wie Leuchtbojen tauchen sie zwischen Reisfeldern und Teakholz-Wäldern auf. „Hello!“, rufen Kinder den durchschwitzten Fahrern hinterher. Die „Farang“, so heißen Fremde in Thailand, winken zurück, zunehmend routiniert.

Die Idee entstand im letzten Sommer, bevor der Sohn für knapp ein Jahr ins Ausland ging. Warum nicht mit Schwester und Mutter dort eine Radtour machen, wohin es ihn wenig später verschlagen würde? Von Chiang Mai, dem neuen Wohnort und der zweitgrößten Stadt des Landes, nach Chiang Rai, das früher als Opiumhauptstadt im Goldenen Dreieck Berühmtheit erlangte. Beinahe 200 Kilometer entlang von Naturparks, Wasserfällen und Obstplantagen, durch gebirgiges Terrain und eine Kulturlandschaft voller Tempel.

Der Plan klang abenteuerlich. Noch kurz vor der Abfahrt in Deutschland regten sich die Sorgen. Ausgerechnet in einem Land in die Pedale treten, dessen Einwohner bevorzugt mit Mopeds und Pick-ups unterwegs sind? Radeln bei 34 Grad in der prallen Sonne, bis zu 35 Kilometer täglich? Die Tochter hatte erklärt, dass sie am liebsten sofort auf das Angebot für Erschöpfte zurückgreifen und ins Begleitfahrzeug umsteigen werde, das müde Radler zum nächsten Quartier chauffiert. Es sollte anders kommen.

Der Dreck von der Kette ist das Tattoo des Tages

Am ersten Tag überwiegt das Zagen: Morgens um acht Uhr sammelt der Guide, ein Thailänder namens Dum, die Reisegruppe in Chiang Mai ein und verfrachtet sie samt Gepäck in einen Kleinbus. Hinter dem Steuer sitzt Mister Bong, der Fahrer. Zunächst geht es raus aus der „Rose des Nordens“, wie die einstige Königsstadt am Ping-Fluss heißt. Mit ihrer zum Teil noch von historischen Mauern umgebenen Altstadt und den vielen Tempeln ist sie eine Touristenattraktion. Öde breitet sich die Metropole jenseits des Zentrums zur Peripherie aus.

Unsere Autorin (rechts) hat mit ihrer Tochter und dem pinkfarbenen Radlerdress ihren großen Auftritt in thailändischen Dörfern.
Unsere Autorin (rechts) hat mit ihrer Tochter und dem pinkfarbenen Radlerdress ihren großen Auftritt in thailändischen Dörfern.

© privat

Die eigentliche Tour beginnt etliche Kilometer außerhalb, nach einem Abstecher zum Buathong-Wasserfall. Um die Beine aufzuwärmen, wie es im Tagesplan heißt. Die Gruppe soll sich durch das herabstürzende Wasser an Seilen hochziehen. Noch bevor die Radler richtig in die Pedale treten, bekommen sie auf diese Weise eine erste Erfrischung. In den nächsten vier schweißtreibenden Tagen werden sie sich eine solche Dusche am Wegesrand herbeisehnen.

Oben am Wasserfall gibt es die Räder und letzte Instruktionen: die Handzeichen des Guides fürs Bremsen, eine Warnung vor tollwütigen Hunden. Die Erläuterung, wie die Gangschaltung funktioniert, muss Dum mehrfach wiederholen, zu kompliziert. So manche abgesprungene Kette fummelt er zurück. Zu den abendlichen Ritualen gehört das Abschrubben der Kettenschmiere von den Waden. Bevor sie unter Seifenschaum verschwindet, führt sich die Gruppe mit gewissem Stolz gegenseitig dieses Tattoo des Tages vor.

Die Farang sollen richtig essen

Nach den ersten Kilometern stellt sich Routine ein. Der bislang angespannt nach unten, auf die Ritzel gerichtete Blick hebt sich. Nun rückt auch die Umgebung in Sicht. Es geht durch eine Teakholzplantage. Gewaltige Stämme ragen rechts und links der Straße hoch in den Himmel. Unvermutet stehen Markttische am Wegesrand. Eine Bäuerin schüttelt am Boden hockend Bohnen durch ein flaches, rundes Bambussieb. Die Frauen eines nahegelegenen Dorfes bieten Früchte an: Melonen, Sternenäpfel, Ananas, Mangos, Kokosnüsse. Dum nimmt eine nach der anderen vom Stand, schlägt sie auf und reicht sie mit Strohhalm an die Radler weiter.

Die Energiezufuhr wirkt. Die nächste Etappe kann kommen, diesmal bis zum Ufer des sich Kilometer weit hinziehenden Mae Ngad Reservoirs. Vor rund 40 Jahren wurde der Stausee angelegt, um Chiang Mai mit Elektrizität zu versorgen. Am nördlichen Ende des Ufers, bei einem Ausflugslokal angelangt, können die Radler aus Deutschland mit ihren hochrot angelaufenen Gesichtern nur noch japsen. Dem verständnislos dreinblickenden Guide ist kaum zu erklären, dass sie jetzt beim besten Willen keine größere warme Mahlzeit verzehren können. Höchstens Sticky Rice, eine himmlische Nachspeise, bestehend aus in Kokosmilch gekochtem Reis mit frischen Mangos. Dum bleibt streng, die Farang sollen richtig essen.

Der 45-Jährige macht die Tour seit etlichen Jahren, er kennt die Tricks, wie er nach einer Pause seine müde Truppe mobilisiert. Nach dem Essen bringt er den Teilnehmern anfeuernde Rufe bei: „Bah!“ (Los geht’s) und „Kata wuiwui!“ (Schnell). Beim Sohn funktioniert der Schlachtruf sofort. Schließlich hat er in den letzten Monaten Thailändisch gelernt, auch wenn es durch die vielen verschiedenen Betonungen eines Wortes mit der Verständigung noch hapert. „Bah! Kata wuiwui!“ wird fortan für alle zum Startsignal nach der Rast.

Die Obstplantagen, die Klöster – alles scheint so friedlich

Eine Bäuerin des Akha-Volkes in Nordthailand.
Eine Bäuerin des Akha-Volkes in Nordthailand.

© mauritius images

Der nächste Abschnitt führt an Reisfeldern vorbei, grasgrün bis zum Horizont. Reis ist Thailands Exportartikel Nummer eins, 2017 stieg der Absatz auf ein Rekordergebnis von 11,25 Millionen Tonnen. Zwischen den Feldern fallen Heugarben auf, die aus der Ferne Strohhütten ähneln. Als wär’s ein Dach, sind die getrockneten Gräser in der kreisrunden Mitte zu einer hohen Spitze zusammengeführt, die ein Gummischlauch zusammenhält. Dum hält bei einem dieser Gebilde an und pflückt einige Halme frischen Reis, um vorzuführen, wie mühsam sich die Keime herauspressen lassen.

Ein hagerer alter Bauer kommt hinzu. Den Fremden schenkt er ein strahlendes Lächeln aus seinem zahnlosen Mund. „Sawadee Krab“, grüßen sie höflich zurück. Der Blick fällt auf seine nackten Füße. Zwischen den Zehen trocknet der Schlick vom Reisfeld. Grinsend lässt er sich gefallen, dass sie als Fotomotiv neben den in Turnschuhen steckenden Füßen der Radler herhalten. Dann kehrt er zu seiner Furche zurück.

Der nächste Tag beginnt mit einem Besuch der Chiang-Dao-Höhlen, in denen sich Jahrhunderte alte Buddha-Statuen befinden. Die Gänge sind weit verzweigt wie in der Tham-Luang-Höhle, in der die jugendliche Fußball-Mannschaft zwei Wochen lang ausharrte, gar nicht weit weg von hier.

Auf der Region lastet immer noch Spannung

Draußen vor dem Eingang haben Händler Tische aufgebaut und verkaufen Heilkräuter, um den beruflichen Erfolg zu beflügeln. Eine junge Frau kommt mit ihrem Moped angefahren. In einem riesigen Flechtkorb transportiert sie über 60 gekochte Eier für das Kloster neben der Höhle. Die Spende soll ihrer Fürbitte, ein Studienplatz für den Sohn, Nachdruck verleihen.

Die Strecke führt an Mangobäumen und Kaffeeplantagen vorbei. Das Ziel sind diesmal heiße Quellen. Vier Betonbottiche stehen am Rand des Flusses, in die man einfach einsteigt und das wohltemperierte Bad genießt. Kinder plantschen darin, eine junge Frau wäscht sich die Haare. Gleichmütig ziehen Wasserbüffel vorüber, um am anderen Ufer unter dem Gummibaum nach Futter zu suchen. Den Radlern fressen sie die angebotenen Bananenschalen aus der Hand. Das eigene Mahl erfolgt wenige Kilometer weiter, im Hof eines Klosters, wo Mister Bong kühle Getränke und eine Melone aus dem Bus holt.

Die Obstplantagen, das Treiben am Fluss, die Klöster – all das scheint von großer Friedlichkeit getragen. Kaum vorstellbar, dass vor wenigen Jahrzehnten der Opiumanbau dominierte, der heute nach Myanmar abgewandert ist. Dass immer noch Spannung auf der Region lastet, wird an den Checkpoints spürbar, wo Soldaten die Wege zur Grenze in den Bergen kontrollieren. Das betrifft vor allem lokale Stämme, die Akha, Lius oder Palaung, wenn sie mit ihren Familien in vollgeladenen Pick-ups aus den Dörfern ins Tal kommen. Dort oben, deutet Dum am nächsten Tag respektvoll auf eine Gipfelkette, wo der Wald gerodet ist, wird scharf patrouilliert, um die Drogeneinfuhr zu verhindern.

Endlich wieder Asphalt unter den Rädern

Am letzten Tag geht es von Thaton aus auf dem Mekong mit dem Langboot Richtung Chiang Rai. Nebel liegt über dem Land und versperrt sanft die Sicht auf die plötzlich bedrohlichen Berge. Nach anderthalb Stunden lenkt der Bootsmann sein schlankes Gefährt mitten im Dschungel ans Ufer. Die letzte Etappe führt durch Urwald auf unbefestigten Wegen an kleinen Dörfern vorbei. Über eine Hängebrücke, deren Geländer abenteuerlich niedrig ist, passiert die kleine Gruppe noch einmal den Fluss. Dann hat sie auch schon wieder Asphalt unter den Rädern.

Erleichterung bei allen Beteiligten. Und Dum beginnt bei der letzten Rast zu erzählen, was er mit seinen Radlern auf dieser Strecke schon so alles erlebt hat. Die einen fuhren Wettrennen und stürzten schwer, die anderen (ein Paar auf Hochzeitsreise) hielten Händchen und verhakten sich mit ihren Lenkern, die dritten schlugen Salto, weil sie Schlaglöcher übersehen hatten.

Als die viertägige Tour endet, sind alle ein bisschen dankbar für die unversehrte Ankunft.

Reisetipps für Chiang Mai

Hinkommen

Flüge nach Chiang Mai, Ausgangspunkt der Mountainbike-Tour, bietet Thai Airways an. Ticket ab rund 790 Euro, thaiairways.com.

Unterkommen

In Chiang Mai gibt es Doppelzimmer im Dusit D2 Hotel ab etwa 50 Euro, dusit.com.

Rumkommen

Der thailändisch-britische Veranstalter „Spiceroads“ bietet im ganzen Land geführte Touren an. Vier Tage von Chiang Mai nach Chiang Rai kosten etwa 570 Euro pro Person, inklusive Unterkunft, Verpflegung und Mountainbike. Außerdem empfehlenswert beim Zwischenstopp in Bangkok: die Halbtages-Dschungeltour durch die von Investoren bisher verschonte grüne Oase Bang Kra Jao, zirka 38 Euro: www.spiceroads.com

Info

Das Fremdenverkehrsamt hat mehr Details zu der Region unter thailandtourismus.de zusammengestellt.

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