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Jean-Paul Sartre

© AFP

Sartre, Brando, Gosling & Co.: Der Preis ist nicht heiß

Jean-Paul Sartre sollte 1964 den Nobelpreis für Literatur erhalten – und lehnte ab. Er ist nicht der einzige Totalverweigerer. Zehn unterhaltsame Aufreger von Marlon Brando bis Rylan Gosling.

Jean-Paul Sartre, französischer Philosoph und Schriftsteller (1905–1980)

Welchen Preis: Nobelpreis für Literatur 1964

Warum? In einem offenen Brief behauptet Sartre, er fürchte um seine Unabhängigkeit: Alle Auszeichnungen, die ein politisch engagierter Schriftsteller erhalte, könnten „seine Leser einem Druck aussetzen, den ich für unerwünscht halte“. Es sei eben nicht dasselbe, ob er künftig mit „Jean-Paul Sartre“ oder „Jean-Paul Sartre, Nobelpreisträger“ unterzeichne.

Reaktionen: Schriftstellerkollege André Maurois spekuliert, ob Sartre andere Motive trieben: Wolle er bloß kokettieren – oder gar seine Lebensgefährtin Simone de Beauvoir beruhigen, die womöglich eifersüchtig sei?

Wie es weitergeht: Elf Jahre nach der Ablehnung lässt Sartre beim Nobelkomitee in Norwegen anfragen, ob er rückwirkend das Preisgeld in Höhe von 270 000 Schwedischen Kronen, umgerechnet 210 000 D-Mark, erhalten könne. Kann er nicht.

Marcel Reich-Ranicki
Marcel Reich-Ranicki

© pa/dpa

Marcel Reich-Ranicki, Publizist und Literaturkritiker (1920–2013)

Welchen Preis: Deutscher Fernsehpreis 2008, Kategorie „Lebenswerk“
Warum? Eigentlich will er annehmen. Bei der Preisverleihung in Köln ist er dann jedoch geschockt vom Verlauf der Zeremonie sowie den übrigen Geehrten („Switch Reloaded“, „Doctor’s Diary“) . Nachdem Laudator Thomas Gottschalk ihm die Stufen hoch zum Rednerpult geholfen hat, setzt der 88-Jährige zur Wutrede an: „Ich finde es schlimm, dass ich das hier vier Stunden erleben musste.“ Der Abend sei „widerwärtig“, das Gezeigte „Blödsinn“. Dann empfiehlt er „Arte“.
Reaktionen: Elke Heidenreich nimmt Reich-Ranicki in Schutz: „Ich dachte, was für eine Zumutung diese armselige, grottendumme Veranstaltung für ihn sein müsse." Thomas Gottschalk überredet ihn zu einer Sondersendung sechs Tage später: „Aus gegebenem Anlass – Marcel Reich-Ranicki im Gespräch mit Thomas Gottschalk.“

Wie es weitergeht: In allen Folgejahren bemängeln Kritiker immer wieder die Qualität der Gala – und erinnern an die Worte von Reich-
Ranicki. Im Oktober 2014 findet die Verleihung zum vorläufig letzten Mal statt. Ob und wie es weitergeht, wollen nun die beteiligten Sender beraten.

Bitte keinen Grammy!

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Marlon Brando, US-Schauspieler (1924–2004)

Welcher Preis: Oscar 1973 in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ für seine Rolle in „Der Pate“
Warum? Zur Verleihung in Los Angeles steigt statt Brando die indianische Aktivistin Marie Cruz alias Sacheen Littlefeather auf die Bühne. In traditioneller Apache-Kleidung erklärt sie, der Ausgezeichnete lehne den Preis ab, um gegen die Diskriminierung von Indianern durch die
amerikanische Filmindustrie zu protestieren: Indianerfiguren würden vorwiegend von Weißen gespielt und zudem oftmals als wild und
böse dargestellt.
Reaktionen: In der Halle gibt es zunächst Applaus für Sacheen Littlefeather. Wochen später wird das
(falsche) Gerücht gestreut, die Aktivistin sei gar keine echte Indianerin und ihr Kostüm bloß geliehen gewesen.

Wie es weitergeht: Littlefeather, die eigentlich selbst eine Schauspielkarriere anstrebte, zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Marlon Brando muss sich noch Jahre später gegen den Vorwurf verteidigen, er sei zu feige gewesen, die Auszeichnung persönlich abzulehnen.

Ist der Musikpreis zu kommerziell?

Marlon Brando
Marlon Brando

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Sinéad O’Connor, irische Sängerin (geb. 1966)

Welcher Preis: Grammy Award 1991 in der Kategorie „Best Alternative Music Performance“
Warum? Schon als bekannt wird, dass die Sängerin in gleich vier Kategorien für den wichtigsten internationalen Musikpreis nominiert ist, schreibt sie einen Brief an die verleihende Recording Academy: Die gesamte Veranstaltung lenke nur Aufmerksamkeit auf „falsche und destruktive materialistische Werte“ der Branche und zolle mittellosen Musikern keinen Respekt. Als Künstlerin fühle sie sich verpflichtet, die Wahrheit auszusprechen.

Reaktionen: Der Präsident der Recording Academy nennt O’Connors Entscheidung „kurios“ und entgegnet, die Jury urteile sehr wohl nach künstlerischen Kriterien. Die Sängerin habe sich wohl nicht genug informiert. Der Bitte, ihre Nominierungen zu streichen, wird nicht entsprochen, so dass sie in Abwesenheit einen Award zugesprochen bekommt.

Wie es weitergeht: Im folgenden Jahr verursacht die Sängerin einen ungleich größeren Skandal, als sie während eines Auftritts in der Comedy-Show „Saturday Night Live“ ein Foto von Papst Johannes Paul II. zerreißt und die Katholische Kirche als „den wahren Feind“ bezeichnet.

Der Mann, der die Million nicht wollte

Sinéad O’Connor
Sinéad O’Connor

© Fotex

Grigori Perelman, russischer Mathematiker (geb. 1966)

Welcher Preis: Millennium-Preis 2010 des Clay Mathematics Institute für bahnbrechende Leistungen in der Mathematik

Warum? Perelman soll für seinen Beweis eines seit 1904 bestehenden mathematischen Rätsels, der sogenannten Poincaré-Vermutung, geehrt werden. Er selbst findet jedoch, sein US-Kollege Richard Hamilton habe mindestens ebenso viel geleistet, und bleibt deshalb der Verleihung in Paris fern. Auch das Preisgeld von einer Million US-Dollar nimmt er nicht an. Mit der gleichen Begründung hat er vier Jahre zuvor bereits die wesentlich niedriger dotierte Fields-Medaille abgelehnt.

Reaktionen: Der Präsident des Clay Mathematics Institute bietet an, Perelman könne die Million Dollar auch nachträglich beanspruchen, falls er sich melde. Nach Ablauf eines Jahres wird das Geld für wohltätige Zwecke gespendet.

Wie es weitergeht: Perelman, der unter Kollegen als kauzig gilt, hat seine wissenschaftliche Karriere beendet und lebt mit seiner Mutter am Stadtrand von Sankt Petersburg.

Kein Nobelpreis ohne echten Frieden

Grigori Perelman
Grigori Perelman

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Le Duc Tho, vietnamesischer Politiker (1911–1990)

Welcher Preis: Friedensnobelpreis 1973
Warum? Seit 1968 hat Le Duc Tho, Mitglied im Politbüro der kommunistischen Partei in Hanoi, mit Vertretern der USA Verhandlungen geführt, um den Vietnamkrieg zu beenden. 1973 wird ein Waffenstillstand vereinbart, dafür sollen er und US-Außenminister Henry Kissinger geehrt werden. Le Duc Tho lehnt ab, da in seinem Land noch kein wirklicher Frieden herrsche: Die USA und deren Verbündete in Saigon hätten wiederholt den Waffenstillstand gebrochen.

Reaktionen: In den Tagen nach der Ablehnung wird diskutiert, ob das Nobelpreis-Komitee seinen Preis nun
ausschließlich an Kissinger vergeben (was als Parteinahme für die amerikanische Seite
interpretiert werden könnte) oder ob der Preis vollkommen neu vergeben werden solle.

Wie es weitergeht: Kissinger bedankt sich in einem Brief beim Komitee und akzeptiert seine
Auszeichnung „in Demut“. Aus Termin- gründen könne er den Preis jedoch nicht persönlich entgegennehmen.
Zur Verleihung schickt er den US-
Botschafter in Norwegen.

Sind Preise gefährlich?

Le Duc Tho
Le Duc Tho

© Imago

Sinclair Lewis, US-Schriftsteller (1885– 1951)

Welcher Preis: Pulitzerpreis 1926 für seinen Roman „Dr. med. Arrowsmith“

Warum? Sinclair Lewis möchte den Preis nicht akzeptieren, weil solche Auszeichnungen auf Autoren Zwang ausübten und eine Annahme letztlich das Zugeständnis bedeute, „höflich, folgsam und steril“ zu werden. Alle Preise, genau wie alle Titel, seien gefährlich. Außerdem solle der Pulitzerpreis per Definition das „gesunde Amerika“ feiern, während seine eigenen Bücher kritisch und negativ konnotiert seien.

Reaktionen: Die Journalistenschule an der New Yorker
Columbia-Universität, die den Preis vergibt, zeigt sich wenig überrascht, schließlich hat Lewis mit ähnlicher Begründung schon frühere Preise
abgelehnt. Kritiker unken, der Autor erhoffe sich durch die Pose der Ablehnung Aufmerksamkeit.

Wie es weitergeht: 1930 bekommt Lewis als erster US-Amerikaner den Nobelpreis für Literatur zugesprochen. Er akzeptiert. Gerüchten zufolge hat Lewis gleich nach der Verweigerung des Pulitzerpreises seinen Agenten angewiesen, sich im Hintergrund für eine Nobelpreis-Nominierung einzusetzen.

Die Bronzebüste blieb stehen

Sinclair Lewis
Sinclair Lewis

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Klaus Ott, Journalist bei der „Süddeutschen Zeitung“ (geb. 1959)

Welcher Preis: Henri-Nannen-Preis 2012 in der Kategorie „Beste investigative Leistung“ für Enthüllungen zur BayernLB
Warum? Neben Klaus Ott und zwei „SZ“-Kollegen sollen in derselben Kategorie auch zwei „Bild“-Journalisten ausgezeichnet werden – für deren Berichterstattung über Christian Wulffs Privatkredit. Dies wäre eine Premiere für das Boulevardblatt – und für einen der „SZ“-Rechercheure „ein bisschen ein Kulturbruch". „Wir möchten nicht gemeinsam mit der ,Bild‘ ausgezeichnet werden“, sagt ein Verweigerer bei
der Zeremonie im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Die Bronzebüste lässt er am Rednerpult stehen.
Reaktionen: Es gibt Zustimmung, aber auch Kollegenschelte. Der Chefredakteur der Koblenzer „Rhein-Zeitung“ sagt, die Ablehnung des Preises zeuge von
„elitärem und damit überheblichem Denken bei der ,Süddeutschen Zeitung‘“. Der New-York-
Korrespondent das „Manager Magazins“ unter- stellt den „SZ“-Leuten eine „fürstlich-erhabene
Wichtigkeitspose“.
Wie es weitergeht: 2014 kommt es erneut zu einem kleinen Skandal: Preisträger Jacob Appelbaum kündigt eine Woche nach der Zeremonie an, seine Skulptur einschmelzen und
umformen zu lassen – wegen Nannens Zeit als Kriegsberichterstatter in der Propagandakompanie der Wehrmacht gegen Ende des Zweiten Weltkriegs.

"Ich bin doch nicht schön"

Klaus Ott
Klaus Ott

© Süddeutsche

Axl Rose, Sänger der US-Rockband Guns N’ Roses (geb. 1962)

Welcher Preis: Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame 2012
Warum? In einem ausufernden Brief an die „L.A. Times“ schreibt der Musiker, dass er nach reiflicher Überlegung der geplanten Zeremonie in
Cleveland fernbleiben werde und bitte schön auch nicht in Abwesenheit aufgenommen werden wolle. Hauptgrund ist, dass er nicht mit den anderen Mitgliedern der Originalbesetzung von Guns N’ Roses auf der Bühne stehen möchte – die meisten von ihnen hat er persönlich rausgeworfen. „Menschen lassen sich nun mal scheiden“, schreibt er. „Das Leben schuldet dir kein Happy End.“

Reaktionen: Die Ex-Kollegen lassen sich von Rose nicht die Feier verderben und werden in Abwesenheit ihres einstigen Frontmanns in die Hall of Fame aufgenommen. Als der Laudator Axl Rose erwähnt, buhen die Fans in der Halle.

Wie es weitergeht: Eine Sprecherin der Hall of Fame hat inzwischen klargestellt, dass Axl Rose als Teil seiner Band sehr wohl in die Ruhmeshalle aufgenommen worden sei – ob ihm das nun gefalle oder nicht.

Als die Gosling-Fans protestierten

Axl Rose
Axl Rose

© AFP

Ryan Gosling, kanadischer Schauspieler (geb. 1980)

Welcher Preis: Sexiest Man Alive 2011–2013, vergeben vom „People Magazine“

Warum? Öffentlich ist Gosling weder zum „Sexiest Man Alive“ ernannt worden, noch hat er die Auszeichnung offiziell abgelehnt. Verantwortliche des „People Magazine“ haben aber bestätigt, dass der Schauspieler den Titel längst bekommen hätte, wenn er die notwendige Bedingung (ein Fotoshooting für das Cover der Zeitschrift), erfüllt hätte. So werden stets andere geehrt – 2011 der Schauspieler Bradley Cooper. Der überlegt zunächst, den Preis nicht anzunehmen, tut es dann aber doch. Gosling sagt: „Ich halte mich nicht für besonders gutaussehend“.
Reaktionen: Es kommt zu Fanprotesten. Der Verlag wird per Online-Petition zur Neuvergabe aufgefordert,
vorm New Yorker Redaktionsgebäude demonstrieren Fans mit Gosling-Masken. Auf einem Transparent steht:
„Ryan Gosling ist der Beweis, dass es Gott gibt und dass sie eine Frau ist.“ Bradley
Cooper sagt, Gosling könne tatsächlich sexier gehen, essen und sogar Türen öffnen als er.

Wie es weitergeht: Adam Levine, Sänger der Popband Maroon 5 und vom Magazin zum „Sexiest Man Alive 2013“ gekürt, richtet im US-Fernsehen nette Worte an
Gosling: „Danke, Ryan, dass du den Preis weiterhin ablehnst. Das hat mir sehr geholfen.“

Ryan Gosling
Ryan Gosling

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