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Viel gefragt. Sebastian Koch ist spätestens seit "Das Leben der Anderen" ein Star.

© IMAGO

Sebastian Koch: Meine Helden

Er ist einer der bekanntesten Schauspieler Deutschlands. Gerade hat er mit Steven Spielberg gedreht, nun spielt er Alfred Nobel im Fernsehen. Hier verrät Sebastian Koch, wer ihn inspiriert und wen er bewundert.

KOLBE & ILLENBERGER

Martin Kolbe und Ralf Illenberger waren in den 70er Jahren ein bekanntes Gitarrenduo – und der Grund, warum ich als Teenager anfing, dieses Instrument zu spielen. Zum ersten Mal gesehen habe ich sie mit 16 Jahren, in der Aula meiner Stuttgarter Schule, die Bühne wurde langsam dunkel, und da saßen die beiden Musiker im Spotlight, wahrscheinlich völlig stoned, hatten alles um sich herum vergessen und spielten instrumentalen Jazz-Folk, der sich über mich wie ein Zauber legte. Das ist mein Instrument, dachte ich und kaufte mir eine schwarze Ibanez, die ich bis heute noch habe. Eine Zeit lang habe ich Gedichte vertont, aber eigentlich wollte ich hin zur Musik ohne Gesang, wie es Kolbe & Illenberger machten. Ich war fest davon überzeugt, dass ich mit Musik mein Geld verdienen würde, aber dann kam mit 18 Jahren die Schauspielerei dazwischen. Ich habe nie ganz aufgehört, auf der Gitarre zu spielen, über meine Tochter, die auch mit 13 anfing, das Instrument zu spielen, bin ich wieder intensiver herangeführt worden.

ERICH KÄSTNER

Ein faszinierender Schriftsteller, der in den 70er Jahren leider in der Kinderautoren-Ecke abgestellt wurde. Dabei hatte er wunderschöne Gedichte voller liebevoller Ironie geschrieben. Ich kannte ihn zuerst auch nur von Büchern wie „Emil und die Detektive“ oder „Das fliegende Klassenzimmer“. Wahrscheinlich habe ich mal einen Gedichtband geschenkt bekommen und sah mit einem Mal, wie viel Unentdecktes es bei Kästner gab. „Als sie einander acht Jahre kannten, kamen ihre Liebe plötzlich abhanden. Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.“ Das sind tiefe Wahrheiten, scheinbar leicht aufgeschrieben und für jeden nachzuvollziehen. Mit 15 fing ich an, Gedichte von Kästner zu vertonen – als Chanson auf der Gitarre, manchmal mit Klavierbegleitung, und bin damit in Jugendhäusern und Jazzclubs aufgetreten. Ich bewundere ihn nach wie vor als großen Pazifisten, der nach dem Krieg forderte: Hände weg von den Waffen in Vietnam! Ich verehre ihn für seinen Sarkasmus. Dass er seine eigene Bücherverbrennung 1933 beobachtete, das passt zu ihm: dieses Stehen über den Dingen – im positiven Sinne.

CLAUS PEYMANN

Der Theaterregisseur knüpft nahtlos an meine Gitarrenzeit an. In Stuttgart gab es 1979 eine richtige Theaterfamilie – mit Peymann als Intendanten, Gert Voss oder Branko Samarovski als Schauspieler. Peymann hat es geschafft, eine Gruppe Menschen an sich zu binden, die ihn vermutlich alle geliebt und gehasst haben. Ein Ensemble, das für mich etwas Familiäres hatte – vielleicht weil ich selber nicht so eine große Familie hatte. „Die Räuber“, „Faust“, „Frühlings Erwachen“, das waren damals politische und sinnliche Inszenierungen. Die Stücke entwickelten eine Dynamik, so dass ich mich wie in einem Zeittunnel fühlte, als ich aus dem Theater kam – wo bin ich denn jetzt? Als er 1979 die Stadt verlassen musste, weil er Geld für die inhaftierte Terroristin Gudrun Ensslin sammelte – sie benötigte Zahnersatz –, da haben die Zuschauer lebhaft daran Anteil genommen. Minutenlang haben sie applaudiert, sie wussten, mit ihm geht eine Ära zu Ende. Unvergesslich! Ich habe Peymann persönlich 1986 getroffen, als ich für das Wiener Burgtheater vorsprach – wo er zu der Zeit Intendant war. Ich zögerte, an so ein großes Haus zu gehen, worüber er, glaube ich, ein wenig beleidigt war.

MUHAMMAD ALI

Ich halte Ali für den größten Sportler des 20. Jahrhunderts. Als ich zwölf war, stellte ich mir den Wecker auf drei Uhr nachts, schaltete den Fernseher ein und saß dann fasziniert vor dem Bildschirm, wenn Ali in den Ring stieg. Am nächsten Morgen haben wir Jungs uns auf dem Schulhof darüber unterhalten. Das war eine Pflicht, sich diese Kämpfe anzusehen, dieses freche Großmaul, das ins Publikum geschrien hat: I am the greatest! Wie der getänzelt hat, toll. Unvergessen natürlich sein Kampf 1974 gegen George Foreman, der „Rumble in the Jungle“. Vor ein paar Jahren habe ich eine Dokumentation darüber gesehen, „When We Were Kings“. Ali kam nach Afrika, die Schwarzen verehrten ihn wie einen Gott. Er hat die Kinder an seinem Training teilhaben lassen. Wenn er morgens joggte, hing eine Traube von ihnen an ihm dran. Dass jemand seinen Meistertitel aus politischer Überzeugung gegen den Vietnamkrieg abgab, finde ich immer noch enorm. Ich dachte damals, großartiger Typ, aber Boxen sei ein Haudrauf-Sport. Vor Jahren habe ich es dann für eine Rolle gelernt, erst dabei habe ich begriffen, wie groß, fast philosophisch dieser Sport ist, dass Verteidigung beispielsweise ein aktiver Vorgang sein kann. Das war viel intelligenter, als ich je geglaubt hätte.

Hannelore Hogner kann Slapstick, Steven Spielberg Teamarbeit

HANNELORE HOGER

Unter ihr habe ich am Theater in Darmstadt gespielt – sie war meine erste große Regisseurin. Ihre Art von Freiheit, von Humor, wie sie Theater sieht, hat mir imponiert. Mit ihr zu arbeiten, hatte was von einer Partie Pingpong. Sie suchte den natürlichen Ton, das beinahe Laienhafte. In die Stücke baute sie kleine Pannen ein, die das Leben bereithält. Ich habe mal den Leonhard in „Maria Magdalena“ von Hebbel gespielt, stand auf einer Leiter, da kommt die Klara rein, die der Leonhard so dramatisch beschissen hat, vor lauter Aufregung vergisst er, dass er auf einer Leiter steht, rutscht sie hinunter und knallt auf den Boden – tut aber so, als ob nichts passiert sei. Das ist eigentlich Slapstick! Das kam aus dem Bauch heraus bei ihr – und war der rote Faden ihrer Arbeit. Unter Hannelore Hoger als angehender Schauspieler zu wachsen, Schutz und Geborgenheit zu bekommen, hat für mich eine große Bedeutung gehabt. Sie war eine Weiche. Wie schön, dass ich ihr begegnet bin.

THEODOR HEUSS

Zu ihm bin ich wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. 2009 organisierte das Ministerium einen Festakt im Neuen Schloss zu seinem 125. Geburtstag, und jemand sollte seine Texte auf Schwäbisch vortragen. Ich hatte ihn als Politiker und Papa Heuss im Kopf, Schwarz-Weiß-Bilder mit Zigarre und einem Glas Rotwein, und reagierte reserviert auf die Anfrage. Bis ich seine Reden und Briefe las. Das war gut formulierte und verdichtete Literatur, mich berührte, wie humanistisch und demokratisch dieser Mensch sich ausdrückte. Auf dem Festakt betrat ich die Bühne, ein typischer Politikerabend, die ganze FDP war versammelt, alle dösten halb weg oder hielten Protokollschlaf. Als ich begann vorzulesen, war innerhalb von zwei Minuten der Saal glockenwach. Ein Mensch aus einer Zeit, die 50 Jahre zurücklag, trug in den Saal Worte, die nach wie vor eine unbändige Kraft besaßen: diese Aufforderung zum demokratischen Streiten, nicht aufzugeben, fair für eine Sache zu kämpfen. Wie er die Schuld Deutschlands klar und eindeutig schon 1946 ausgesprochen hat. Er ist ein verkannter und durch das Schwäbisch-Bräsige unterschätzter Politiker.

YOHJI YAMAMOTO

Ich dachte immer: Mode ist mir zu affig. Auffallen wollte ich nicht, gebrauchte Anzüge, die schon eine Geschichte hatten, meist aus dem Theaterfundus, waren meine Garderobe. Dann sah ich einen Film von Wim Wenders, „Aufzeichnung zu Kleidern und Städten“, eine Dokumentation von 1989 über den japanischen Modemacher Yamamoto. Der sprach so über Mode, wie ich es lebte. Dass er Stoffe und Schnitte suche, die eine Geschichte erzählen. Ich wollte sofort etwas von ihm haben, bin in einen Laden am Ku’damm, der Anzug kostete leider, ich hatte es geahnt, 3000 Mark. Das ging nicht. 1993 hörte ich dann von Dagmar Forelle, der damaligen Assistentin von Wenders, Yamamoto mache eine Modenschau in Paris und suche Maler, Schauspieler oder Literaten dafür, als Gage gebe es zwei Outfits. Das habe ich natürlich gemacht. Ich fand das irre, einmal nach vorne und wieder zurück zu laufen, hinter der Bühne sofort wieder alles auszuziehen und sich etwas Neues überzuwerfen. Einen der zwei Anzüge trage ich noch heute – ein grauer Einreiher mit schmalem Revers und aus weichem Wollstoff. Seitdem fühle ich mich nicht ganz wie ein Außenseiter in der Mode.

STEVEN SPIELBERG

In meiner Jugend habe ich Filme wie „Der weiße Hai“ von Spielberg nicht gesehen, das waren keine Geschichten für mich. Seit „Schindlers Liste“ 1994 in die Kinos kam, habe ich meine Meinung über ihn geändert. Das ist für mich der ultimative Film über den Holocaust, sein Regisseur seitdem eine lebende Legende. Mit der ich das Glück hatte, dieses Jahr arbeiten zu dürfen. Mir gefällt die große Treue zu seinen Leuten. Er hat sein Team gefunden, eine Mannschaft, die sich bewährt hat: Tom Hanks ist als Schauspieler oft dabei, John Williams macht seit Jahren die Musik für ihn, Janusz Kaminski steht hinter der Kamera, Michael Kahn schneidet jeden Film – der sitzt tatsächlich in einem Wohnwagen, während gedreht wird, und beginnt mit seiner Arbeit. Spielberg ist der Chef, aber auf eine ruhige Art. Er hört zu, wenn jemand einen Vorschlag macht. Wenn der besser ist als seiner, setzt er ihn um. Keine Berührungsängste, keine Dünkel, er müsse den Film jetzt genau so machen, wie er sich das vorgestellt hat. Ich hatte vorher bereits für einen französischen Film unterschrieben, Spielberg ließ sich darauf ein, dass ich zwischen Frankreich und Berlin hin- und herfliege. Das tut nicht jeder Regisseur.

Sebastian Koch spielt Alfred Nobel in dem historischen Drama „Eine Liebe für den Frieden“ ( 3. Januar, 20.15 Uhr, ARD)

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