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Sofia Coppola im Interview: Die Unfassbare

Als Baby spielte Sofia Coppola in „Der Pate“ mit, gerade drehte sie in Paris Hiltons Schuhschrank. Sie gilt als die Regisseurin ihrer Generation. Wie ist sie so? Sehr leise. Eine Begegnung.

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Man will sie mögen, wenn man ihre Filme gesehen hat. Filme, bei denen man nicht lacht, nur schmunzelt. Bei denen man nicht weint, nicht wütend wird, höchstens ein bisschen traurig. Schön traurig. Dann sitzt sie da und spricht so leise, dass man sie kaum versteht. Sofia Coppola, 42, trägt ein dunkelblaues – gibt es eine unaufdringlichere Farbe? –, ziemlich kurzes Kleid, einen dünnen Goldarmreif, ihren Ehering. Ein bisschen Lipgloss, wenig Rouge. Ihre Füße stecken in grauen Lacksandalen, ihre Beine und Arme sind sehr schmal. Ein Hauch von einer Frau, keine Gewissheit, nur ein Eindruck. Sie erinnert an den letzten Satz ihres oscarprämierten Films „Lost in Translation“ – geflüstert, der Zuschauer wird ihn nie verstehen.

Frau Coppola, Ihr neuer Film „The Bling Ring“ beruht auf einer wahren Begebenheit. Eine Gruppe Jugendlicher raubt die Häuser von Hollywoodstars aus. Nicht nur wegen des teuren Schmucks, sie wollen Paris Hilton nahe sein. Warum?

Die Jugendlichen heute sind diesen Celebrities die ganze Zeit ausgesetzt. Magazine voller Klatsch, auf Facebook und Twitter geben die Stars selbst alles über sich preis. Die Medien schaffen diese Figuren mitsamt dem Hype.

Coppola setzt jetzt, wie hinter viele ihrer Sätze, ein leises „denke ich zumindest“. Andere Regisseure würden ausholen, ihr Werk erklären. Sofia Coppola erklärt nichts. Man kann sie deshalb leicht unterschätzen. Für Coppola ist es selbstverständlich, zu bekommen, was sie will, ohne laut zu werden. Schließlich ist ihr Vater, Francis Ford Coppola, einer der berühmtesten lebenden Regisseure, sind die Schauspieler Nicolas Cage und Jason Schwartzman ihre Cousins, produziert ihr Bruder Roman ihre Filme. Als Coppola in ihren Zwanzigern Designerin werden wollte, arrangierte der Vater ein Praktikum bei Karl Lagerfeld. Als bei ihrem ersten Spielfilm „The Virgin Suicides“ ein Teil der Finanzierung wegbrach, trieb der Vater die fehlende Summe auf.

Hatten Sie als Jugendliche kein Idol?

Ich war von niemandem besessen, ich habe niemanden angebetet. Vielleicht fand ich den einen oder anderen von The Clash süß oder zumindest cool. Als ich jung war, hat man Leute für das, was sie erreicht haben, gefeiert, für ein Talent. Heute sind Leute dafür berühmt, berühmt zu sein.

Sie fanden es also nicht aufregend, in Paris Hiltons echtem Schuhschrank zu drehen?

Ich habe so etwas noch nie gesehen. Eine Art Schuhladen zu Hause. So was von extrem und übertrieben. Es war spannend zu sehen, wie anders jemand leben kann.

Die Kamera fährt langsam über Hiltons Sofakissen – die sind mit ihrem eigenen Gesicht bedruckt. Ganz schön entblößend.

Ich wollte den Lebensstil nicht kritisieren. Ich zeige nur, wie die Dinge sind.

War Paris Hilton wütend?

Im Gegenteil. Sie mochte, wie ich ihr Haus zeige.

Normalerweise geht Coppola mit ihren Charakteren behutsam um. In „Lost in Translation“, beschützt sie den miesepetrigen Bill Murray in der Midlife-Crisis und die junge Frau – Scarlett Johanssons Durchbruch – auf der Suche nach Lebenssinn. Coppola hat Mitleid mit dem geistlosen Hollywoodschauspieler in „Somewhere“, der seine Tochter vernachlässigt. Sogar die verschwenderische Marie Antoinette porträtiert sie als Opfer hofstaatlicher Rituale.

Diesmal, Frau Coppola, scheint es, als könnten Sie keine der Figuren gut leiden.

Das war nicht einfach. Die Protagonisten aus „The Bling Ring“ sind viel unsympathischer als die Figuren aus meinen letzten Filmen. Ich mochte den Jungen, Marc, der sich am Ende als schwul herausstellt. Er ist so was wie das Herz des Filmes. Wir erleben ja aus seiner Sicht, wie er in die Sache hineinrutscht, weiterklaut, obwohl er längst zweifelt.

Die Mädchen im Film träumen von echten Louboutin-Schuhen und „einer Kleinigkeit von Chanel“. Wonach waren Sie in dem Alter verrückt?

Ich mochte Mode und Fotografie, wollte zu Konzerten von Elvis Costello, The Cars, Siouxsie and the Banshees, Prince.

Wie viel Taschengeld bekamen Sie?

Nichts Regelmäßiges, glaube ich. Von Designerhandtaschen wusste ich nichts.

Coppolas Antworten sind knapp – wie die Dialoge in ihren Filmen. Was bleibt, sind die Bilder. Dabei lässt sie sich von Modefotografie – sie verehrt Helmut Newton –, Architektur und Design beeinflussen. Schon in der Schule hat sie, statt Referate vorzutragen, lieber kleine Filme gezeigt.

Sie haben zwei Töchter, Romy, 6, und Cosima, 3. Was wünschen die sich?

Romy hat die übliche Pinkphase, pinke Leggins und so. Sie wissen schon, diese spezielle Ästhetik. In dem Alter haben Kinder den gleichen Geschmack wie Drag Queens.

Sie kaufen ihnen keine teuren Kleider?

Ach was. Sie schütten sich ja eh alles über. Als ich ein kleines Mädchen war, hat mein Vater mir ein Kleid aus Paris mitgebracht, deshalb habe ich ihnen dort auch gern Kleider gekauft.

Sind Sie selbst nie gefährdet gewesen, von Mode abhängig zu werden?

Ich mag Design und schöne Gegenstände. Mein Verhältnis zu Mode hat mit dem Extrem meiner Protagonisten nichts zu tun. Die wollen besitzen, horten.

Coppola gilt als Stilikone. Für Louis Vuitton und Marc Jacobs hat sie Schuhe und Taschen entworfen, die sie so beschrieb: „chic und diskret, zeitlos und vielseitig“.

Wie haben Sie es geschafft, in dieser Hollywoodwelt so clean zu bleiben?

Ich bin ja nicht dort aufgewachsen. Meine Kindheit verbrachte ich auf dem Land in Nordkalifornien, meine Eltern haben da ein Weingut. Sie haben Kunst, Kultur und Kreativität wertgeschätzt. Meine Mutter hat sich nichts aus Statussymbolen gemacht.

Jetzt müssen Sie Ihre Töchter schützen.

So wie alle Eltern. Sie sollen so unschuldig wie möglich bleiben. Sie dürfen nicht alles im Fernsehen schauen, Honey Boo Boo beispielsweise nicht.

Das ist der Künstlername von Alana Thompson, einer Sechsjährigen mit eigener Reality Show.

Aber auf vieles habe ich keinen Einfluss. Wir leben in New York.

Früher, bei Coppolas daheim, durften Sie sicher viel fernsehen?

Wir hatten keinen Fernseher! Gab ja keinen Empfang da draußen. Aber Filme haben wir geschaut. Ich erinnere mich, dass mein Vater uns, ich war etwa sechs, seinen Lieblingsfilm aus der Kindheit gezeigt hat, von 1940: „Der Dieb von Bagdad“.

Sie haben viele berühmte Freunde. Haben die Ihnen nach dem Film Nestbeschmutzung vorgeworfen?

Ich habe berühmte Freunde?

Ihren ersten Filmauftritt hatte Coppola als Baby in der „Pate I“ mit Al Pacino, mit elf soll sie auf Andy Warhols Schoß gesessen sein, zu ihrem 19. Geburtstag kamen Kurt Cobain und Courtney Love.

Sie kennen zumindest einige Persönlichkeiten. Wer faszinierte die junge Sofia am meisten?

Yves Saint Laurent. Ich war ungefähr 13, als er uns zu seiner Party in ein Pariser Restaurant einlud. Es gibt ein Polaroid von uns, das ich leider nicht mehr finde.

Mit drei Jahren sollen Sie einen Streit Ihrer Eltern mit dem Ruf „cut“ unterbrochen haben. Da wurde Ihrem Vater klar, dass aus Ihnen eine Regisseurin wird. Können Sie bei Ihren Töchtern den Beruf voraussehen?

Meine Sechsjährige singt die ganze Zeit vor sich hin, Musicals, aber vor allem die Lieder ihres Vaters...

...das ist Thomas Mars, Sänger der französischen Band „Phoenix“. Stellen Sie sich Ihre Kinder in zehn Jahren vor. Was wäre schlimmer, ein Tattoo oder ein Piercing?

Beides wäre furchtbar.

Punker oder Banker als Freund?

Schlimmer wäre der Banker. Sie sind ja noch so klein. Wenn sie irgendwann rebellieren, gehört das einfach dazu.

Coppola betont gern, dass das, was sie tut, natürlich sei, auf keinen Fall extrem. Für sie ist es normal, einen großen Teil ihres Lebens in Hotels verbracht zu haben. Wenn ihr Vater dreht, lebte die Familie in seiner Nähe. Zwei ihrer Filme spielen in Hotels, sie nennt sie Orte des Übergangs.

Was macht ein gutes Hotel aus?

Luxus.

Und was ist das, Luxus?

Coppola öffnet die vollen Lippen und hebt die Augenbrauen. Was für eine Frage!

Welches ist denn ein luxuriöses Hotel?

Das Ritz in Paris, mein Lieblingshotel, es hat diesen unverwechselbaren französischen Stil. Goldene Wasserhähne in Form von Schwänen! Man atmet die Geschichte des Hauses, jener Menschen, die da mal abgestiegen sind. Natürlich mag ich auch das Chateau Marmont in Los Angeles, wo mein Film „Somewhere“ spielt. Ich habe eine ganze Weile mit meinem Vater dort gelebt.

Angeblich durften Sie beim Roomservice bestellen, was Sie wollten?

Eine Zeitlang. Irgendwann war Schluss damit. Meine Eltern hatten ein Apartment im New Yorker Sherry Netherland, da lebten wir, wenn wir in der Stadt waren. Dort bestellte ich frisch gepressten Orangensaft, bis sie es mir irgendwann verboten

haben. Es wurde einfach zu teuer.

1990, mit 18, setzte ihr Vater sie für eine Nebenrolle in der „Pate III“ ein, als Ersatz für Winona Ryder. Es sollte Coppolas letzter Auftritt als Schauspielerin werden, gleich zwei Mal erhielt sie die Goldene Himbeere, für besonders schlechte Leistung.

Ziehen Sie sich in Hotels zurück, wenn Sie in einer Krise stecken?

Schreiben hilft auch. „Lost in Translation“ entstand beispielsweise während einer großen Krise.

Sie haben darin unter anderem Ihre erste Ehe mit Spike Jonze, dem Regisseur von „Being John Malkovich“, verarbeitet. Jetzt haben sie noch mal geheiratet.

Ich bin ein sehr romantischer Mensch.

Ab Donnerstag läuft Sofia Coppolas neuer Film „The Bling Ring“ in den deutschen Kinos.

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