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Sperrmüll: Die Sofas auf Berlins Gehwegen

Sperrmüll im Hundekot – das ist für viele Leute typisch Berlin. Der Fotograf Petrov Ahner geht seit Jahren auf Sofasafari. Hier zeigt er seine Beute

Von Julia Prosinger

Manchmal, wenn jemand Freiwild gesichtet hat, klingelt Petrov Ahners Telefon. Dann schnallt er sich die Waffe um und geht auf die Pirsch: Der Sofajäger ist wieder unterwegs. Auf seinen Streifzügen durch die Stadt begegnet Ahner, 50, ausgeweideten Eckbänken und angeschossenen Schlafcouches.

„Berlin ist ein gutes Biotop für wild lebende Sofas“, sagt er. Die Möbel fielen dem Porträt- und Modefotografen sofort auf, als er vor fünf Jahren von Paris hierher kam. Typisch Berlin, das Private wird öffentlich, die ganze Stadt ein Wohnzimmer. Tage, manchmal Wochen, verwittern einstige Trostspender auf Verkehrsinseln. „Früher hätte man sie neu gepolstert“, sagt Ahner traurig und nimmt sich der Verstoßenen mit einem letzten Bild an. Sofas wurden seine Streetfotografie. Ahner weiß alles über diese Spezies: Sofas sind Nachttiere, Jäger-Weisheit. Denn wer Möbel bei Tag rausstellt, riskiert ein Bußgeld. Bis sieben Millionen kostet der wilde Müll die BSR, die „Müllkampagne Pankstraße“ schätzt, dass der Steuerzahler für drei Sofas 1000 Euro blecht. In manchen Bezirken wie Mitte stirbt Ahners Spezies gar aus. Dort, wo Leute ihre Designercouches verkaufen, statt sie mit einem „zu verschenken“-Zettel in den Hundekot zu stellen. Dort, wo kontrollierende Nachbarn das Ordnungsamt rufen, jeder sich die Sperrmüllpauschale von 50 Euro leisten kann oder mit dicken Autos Möbel zum Recylinghof karrt. Ein Sofa kommt selten allein. „Wo bereits andere stehen, fällt es leichter, eines hinzuzufügen.“ Oder einen Einkaufswagen und einen Röhrenbildschirm. Schwer zu sagen, ob sich in der Neuköllner Weichselstraße besonders viele tummeln, weil Studenten und Praktikanten aus aller Welt dort ständig ausziehen, oder Ahner hier nur besonders häufig jagt. In seiner Freizeit sammelt er übrigens Pilze.

Ahner fotografiert auch Berliner Persönlichkeiten, „Berlin Beauty“ hängt bis 5. Juni in der Fotogalerie Friedrichshain, ab dem 12. Juni im Kreuzberger „Projektraum Hochparterre“.

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