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Knuddelig. Christian Bale zeigt seine Pracht in „American Hustle“.

© ullstein bild

Trend "Dad Bod": Coole Wampe

Der kleine Männerbauch gilt plötzlich als wahnsinnig sexy. Für moppelige Kerle gibt es sogar einen griffigen Namen: Dad Bod. Kann das denn wahr sein? Unsere Autorin wundert sich.

Bitte, was ist ein dead bod? Ein toter Körper soll Vorbild für einen neuen Männergenesungstrend sein? Zum Glück handelt es sich nur um ein Missverständnis – ein phonetisches. Es ist der dad bod, der Papa-Körper mit Bäuchlein und Rundungen, der Frauen in Verzückung versetzt.

Der britische „Guardian“ nennt ihn einen undisziplinierten Cousin des strengen Fitnessstudio-Freaks. Einen Mann, dessen Torso sagt: „Ich esse Chips zu meinem Bier.“ Das „New York Magazine“ stellt gar einen Ernährungsplan für angehende Dad Bods auf: „Jede Mahlzeit sollte eine der folgenden Komponenten enthalten: Mais-Sirup, Butter, geschmolzenen Käse und Bier.“ Die „Zeit“ jubelt: „Die Männer dürfen ihre eigene Schwere genießen.“

Die Kolleginnen von „Cosmopolitan“ sind hingegen vor lauter Begeisterung über den „Plus Size-Trend“ in einen Topf mit Ausrufezeichen gefallen: „Eine tolle Aktion, die wir richtig super finden! Denn jeder soll sich in seinem Körper wohlfühlen, auch ohne Wespentaille, Sixpack und andere Schönheitsideale. Denn perfekt ist keiner!“ Bloß das Fachblatt für Stil und Eleganz, die „Vogue“, ignoriert den männlichen Bauch komplett.

Und alles nur, weil Fotos von Hollywoodstars aufgetaucht sind, die ihren Personal Trainer nicht mit in den Strandurlaub nehmen. Leonardo DiCaprio, der sich mit Zopf und Bierbauch gehen lässt. Der Komiker Seth Rogen, der im Kassenschlager „Bad Neighbors“ seine Wampe wie einen Fetisch vorführt.

Mackenzie Pearson, Studentin an der amerikanischen Crimson University, hat im März die griffige Kurzphrase Dad Bod geprägt. Sie veröffentlichte einen Blog- Artikel, in dem sie erklärte, warum junge Frauen nicht länger auf Männer mit scharf definierten Bauchmuskeln, also Sixpacks, stünden, sondern Kerle mit ein bisschen Plauze toll fänden.

Nun gibt es eine Menge, was für bauchlose Männer spricht: Sie nehmen weniger Platz weg, man kann sie relativ einfach und kostengünstig mit Klamotten von der Stange bekleiden. Falls man eine Karriere als Einbrecherin starten möchte und jemanden braucht, der das schwere Diebesgut vom Tatort wegschleppt, sind sie ebenfalls von Vorteil.

Andererseits: Wenn ein Mann erst einmal im für ihn vorgesehenen Sessel sitzt, spielt sein Bauchumfang keine Rolle mehr. Außerdem gibt es mittlerweile sehr preiswerte Männeroberbekleidung in Übergrößen. Und die Sixpack-Kerle besaßen durchaus Nachteile. Vor allem, wenn sie nicht in denselben Gegenden wie die Frauen wohnten, wo sie pausenlos mit freiem Oberkörper herumlaufen und den Damen einen schönen Anblick bieten konnten.

Ein wahrer Zeitvertreib ist ein vorschriftsmäßig muskelbepackter Bauch nur in den langen Herbst- und Wintermonaten, in denen die dazugehörigen Stürme ums Haus toben und dafür sorgen, dass die Raumtemperatur sinkt. Jedenfalls solange die ersten Kennenlernmomente noch nicht verflogen sind – solche unterhaltsamen Beziehungsmonate voller „Mach doch noch mal vor, wie du diese nervige Stubenfliege mit deinen Bauchmuskeln zerquetschen kannst“ oder was auch immer es für putzige Kunststückchen geben mag. Ist diese Zeit der oberflächlichen Faszination vorbei, muss man sich als Frau notgedrungen mit dem beschäftigen, was der Mann sonst noch zu bieten hat.

Du bist so schön wie Vati!

Heißer Anwärter auf den Dad Bod: Seth Rogen (r.).
Heißer Anwärter auf den Dad Bod: Seth Rogen (r.).

© picture alliance / dpa

Beim Dad Bod geht es, so Namenserfinderin Pearson, gar nicht vordergründig um Männer, die gelegentlich Sport treiben, aber gleichzeitig auch gern Pizza essen und Bier trinken, sondern eigentlich um weibliche Körper. „Wir wollen keinen Kerl, bei dem wir das Gefühl haben, dass wir uns in unseren Körpern unsicher fühlen“, schrieb sie. „Wir sind unsicher genug. Wir brauchen keinen perfekt gebauten Mann neben uns, bei dessen Anblick wir uns noch mieser fühlen.“

Stellen wir uns mal vor, was los gewesen wäre, wenn ein Student das Wort Mom Bod erfunden hätte. Wenn er erklären würde, Frauen mit runderen Bäuchen (und womöglich großen Brüsten) seien immens sexy und begehrenswert, weil sie so schön an Mutti erinnerten.

Wie seine Mama auszusehen, gehört wirklich nicht zu den Eigenschaften, wegen derer eine Frau geliebt werden möchte. Es darf auch stark bezweifelt werden, dass Männer es schätzen, wenn ihnen jemand bei Kerzenschein folgenden Satz ins Ohr flüstert: „Hach, deine Wampe ist das Allerbeste an dir, weil sie mich so sehr an Vati erinnert.“

Mackenzie Pearson fordert deshalb: „Wir wollen dünn aussehen, und je runder der Mann, desto zierlicher fühlen wir uns, und umso besser sehen wir neben euch auf Fotos aus.“

Sich jemanden zuzulegen, damit man schönere Bilder von sich machen kann, mutet merkwürdig an. Nur leben wir mittlerweile im Zeitalter der Selfies, sich pausenlos in unterschiedlichsten Situationen abzulichten, gehört zum normalen Freizeitverhalten. Warum sich nicht einen zum Hobby passenden Partner suchen? Was früher für Paare die gemeinsame Liebe zu Volksmusik und Voreifel-Wanderungen war, ist heute die Begeisterung dafür, zusammen in ein Objektiv zu glotzen.

Dazu braucht Pearson einen Mann, der „menschlich, natürlich und attraktiv“ ist, aber auf keinen Fall richtig fett. Der wäre nach wie vor unattraktiv und schwer vermittelbar an Pearson. Dass sie ihr mangelndes Körper-Selbstbewusstsein damit bekämpft, indem sie jemanden sucht, neben dem sie in der Eigenwahrnehmung hübscher aussieht, ist ein bestenfalls schwer eigenartiges Vorgehen.

Zumal es in der Welt ungerecht zugeht. Es gibt immer eine Frau, die schöner, dünner und gebildeter ist als man selber. Letzteres scheint kein Drama zu sein. Sonst würde im Anforderungsprofil von Pearson sicher auftauchen, dass für den Dad Bod ein bemerkbar geringerer IQ von Vorteil ist. Wenn gerade kein Selfie gemacht wird, könnte ein dümmerer Mann schließlich dafür sorgen, dass man intellektuell brilliert – so aber wird der Kampf gegen Äußerlichkeiten einfach nur mit Äußerlichkeiten gekontert.

Dabei könnten Frauen von Männern etwas lernen. Die haben es nämlich mehrheitlich geschafft, trotz eines Dauerbombardements mit Abbildungen Beckham’scher Bauchmuskeln unbeeindruckt ihre unperfekten Körper durch die Gegend zu tragen und sich von männlichen Schönheitsidealen nicht in nennenswerte Aufregung versetzen zu lassen. Dabei half ihnen sicher, dass sie nie einem derartigen Schönheits- und Perfektionsdruck ausgesetzt waren wie Frauen. „Alles, was ein Mann schöner ist als ein Aff’ ist ein Luxus“, ließ Friedrich Torberg 1975 seine „Tante Jolesch“ sagen.

Selbstbewusst ein Bier zu bestellen und Pizza mit extra viel Käse, obwohl der Bauch nicht ganz flach ist, um dieses Lebensgefühl geht es beim Dad Bod für die Männer. Um eine gelassene Haltung zum eigenen Körper zu entwickeln, obwohl die Werbung einen mit einem Idealtypus terrorisiert, dem zu entsprechen man einfach nicht schafft. In dieser Beziehung ist der männliche Bäuchleinträger ein gutes Vorbild.

Was die Skandinavier uns voraus haben

Ohne Personal Trainer, aber mit Bauchansatz im Urlaub: Leonardo DiCaprio (l.).
Ohne Personal Trainer, aber mit Bauchansatz im Urlaub: Leonardo DiCaprio (l.).

© picture alliance / abaca

In Norwegen, wo manche Entwicklungen aus Übersee ein bisschen früher ankommen als in Deutschland, wurde der Dad Bod zu einem heiß diskutierten Thema bei jungen Vätern. Der Norweger Martin Grevstad propagiert in seinem viel gelesenen Blog bereits seit einigen Monaten den pappakropp, den Papakörper. Der 29-Jährige, derzeit im Erziehungsurlaub, hatte zunächst einige Selfies veröffentlicht, auf denen er mit nacktem Bäuchlein bei der Hausarbeit zu sehen war. Die begeisterten Reaktionen in seinem Heimatland – sogar im Fernsehen wurde über ihn berichtet – überraschten ihn. „Andererseits zeigten sie, dass ganz viele Männer einfach genug haben: vom Kalorienzählen, vom Training und dem ewigen Gerede über Muskeln“, sagte er der Tageszeitung „Aftenposten“. Frauen seien zwar nach wie vor viel stärkerem Druck, schlank zu sein (in Norwegen gibt es dafür ein eigenes Wort, kroppspress, Körperdruck oder -zwang) ausgesetzt, aber „auch Männer werden immer stärker damit konfrontiert als früher.“

Natürlich rief das sofort Bedenkenträger auf den Plan. Kritiker warfen Grevstad vor, einen „lebensgefährlichen Trend“ zu propagieren. Quatsch, findet der junge Vater: „Es geht ja nicht darum, den ganzen Tag auf dem Sofa zu liegen und sich mit Kartoffelchips und Bier abzufüllen. Im Gegenteil, Bewegung und gesunde Ernährung sind wichtig, zur elterlichen Verantwortung gehört schließlich auch, den Kindern ein Vorbild zu sein.“

Was zu der These passt, die derzeit in Internetforen wild diskutiert wird: Signalisiert ein Bauch nicht vielleicht auch heute noch, dass sein Inhaber ein guter Versorger ist? Rundlich zu sein war in früheren Jahrhunderten ein Zeichen dafür, dass man keine schwere körperliche Arbeit verrichten musste, derart im Überfluss lebte, dass man sich die Vorräte nicht einzuteilen brauchte, ungehemmt essen und trinken konnte.

Aberaberaber, wo bleibt bei all dem Gerede über Bäuche eigentlich die Liebe? Der ist das alles egal, denn dass Er der Richtige ist, merkt man nicht daran, wie perfekt sein Abdomen ist, sondern daran, dass es ganz egal ist, wie er aussieht, und man sich nicht für ihn schämt, selbst dann nicht, wenn er darauf besteht, in einer blauen, scheußlich karierten Bäckerhose durch die Stadt zu laufen oder den zu dicken Bauch in eine deutlich zu knappe Badehose zu zwängen. Und dass es ihn nicht stört, wenn man selber nicht perfekt ist und er Sätze sagt wie: „Hier, nimm noch ein Stück von der Pizza, die isst du doch so gern.“

Elke Wittich

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