zum Hauptinhalt
Joachim Kuntzagk bei seinen Alpakas.

© Julia Prosinger

Ungewöhnliche Tiere in Brandenburg: Unter Landstreichlern

Die Wildnis ist nur wenige Kilometer von Berlin entfernt. In Brandenburg leben Indische Hutaffen, Bären, Alpakas und Strauße. Wie nah kann man ihnen kommen? Eine Expedition.

Von

Gerade noch rechtzeitig ausgewichen. Der Spucke entkommen. Da spitzt Pedro erneut die Lippen, legt den Kopf zurück, den Unterbiss frei, fixiert sein Opfer.

Pedro spuckt gern, er ist schließlich der Wächter der Herde, hier in Nauen, Ortsteil Börnicke, auf einer Weide direkt an der B 273. Die Alpakas haben sich an das Hintergrundrauschen der Autos gewöhnt und auch an den Anblick des betonfarbenen DHL-Frachtzentrums gegenüber. Sie tragen ihre Fellköpfe auf langen Hälsen durch die Gegend, als wäre das hier ihr Heimatland Peru.

Nicht nur sie hat es nach Brandenburg verschlagen. Asiatische Wasserbüffel prusten neben jordanischen Kamelen, texanische Wüstenbussarde fliegen über sibirische Bären. Indische Hutaffen pinkeln hinter australische Emus.

Wen interessiert es, ob hier wieder ein paar Wölfe leben? Die ganze Welt ist zu Gast in Brandenburg. Zeit für eine Entdeckungstour. Zeit, sich Brandenburg zu erstreicheln.

Ein Alpaka liebt Knäckebrot, das andere kraulende Hände

Auf der Alpakafarm in Börnicke stehen gerade 13 Tiere auf der Weide, und glaubt man Joachim Kuntzagk, dem Besitzer, hat jedes seinen eigenen Charakter. Grit lässt sich stundenlang kraulen, Gisell ist die Leitstute, Ornella reißt einem das Knäckebrot nur so aus der Hand, Alisha bleibt auf Abstand. Und Pedro, na klar, steht wieder spuckbereit da. Nora Kuntzagk weist ihn zurecht. 45 Jahre lang war sie Pflegerin im Tierpark Friedrichsfelde, betreute dort alle sechs Kamelarten, Alpakas sind eine davon. Als die Kuntzagks dann raus aus Berlin zogen und in Sichtweite ihres neuen Hauses die leere Wiese vorfanden, dachten sie: Das muss man doch ausnutzen.

„Alle Kamele spucken, am meisten die zweibeinigen“, sagt Joachim Kuntzagk und pflückt ein paar Heuhalme aus Pedros Fell. Er hat sich über die Jahre ein richtiges Repertoire an Kamelsprüchen zugelegt.

Mehrfach die Woche kommen Besuchergruppen. Auch Erwachsene. Wonach suchen die? Joachim Kuntzagk überlegt kurz. „Im Endeffekt wird gekuschelt.“ An Hals und Kinn werden die Tiere am liebsten gestreichelt. Weil sie so nahbar und, von Pedro abgesehen, unkompliziert sind, werden sie zu Therapiezwecken eingesetzt. Regelmäßig bringt Kuntzagk eines in ein Charlottenburger Altenheim, dort darf es sogar auf die Zimmer. Wenn es mal muss, macht es in einen Eimer. Alpakas sind stubenrein. Auf der Weide haben sie eine Mulde zur Klostelle erkoren.

Liegt es am Bedürfnis nach Nähe?

Inzwischen finden sich in Brandenburg Dutzende Alpakafarmen. Es scheint ein Bedürfnis nach Nähe zu geben. Die Kuntzagks werben mit dem Alleinstellungsmerkmal: „die 1. im Havelland“. Man kann die Tiere auch buchen. Eins stand im Deutschen Theater auf der Bühne, eins spielte in der Tchibo-Werbung mit.

Im Wohnzimmer der Kuntzagks steht ein übergroßes Alpaka aus echter Wolle, es ist ein Geschenk aus Peru. Vor ein paar Jahren nahm das Ehepaar Kuntzagk an einer Gruppenreise in die Anden speziell für Alpakahalter teil. Sie besuchten ein Alpakamuseum und auch eine Alpakafarm. Man tauschte sich aus, es ging um Zuchtmethoden und Wollqualität. In Peru machen Alpakas satt, und ihre Wolle hält warm. Was die Deutschen eigentlich mit ihren Tieren tun würden, fragten die Peruaner die Kuntzagks. Deren Antwort: „Na, lieb haben.“ Die Peruaner, glauben die Kuntzagks, lachen noch heute.

Im Wildpark Johannismühle mit Bisons, Ziegen und Löwen

Im Wildpark Johannismühle bekommen Rot-, Dam- und Muffelwild um zwölf Uhr ihr Mittagessen.
Im Wildpark Johannismühle bekommen Rot-, Dam- und Muffelwild um zwölf Uhr ihr Mittagessen.

© Sebastian Leber

Es ist schon finster, als die Verwalterin Taschenlampen und Orientierungspläne verteilt: Nachts allein im Zoo, das klingt so gut wie nachts allein in der Konditorei. Wer im Wildpark Johannismühle in einer der Ferienwohnungen übernachtet – Wolldecke mit Hirschkopfmuster inklusive –, darf sich abends auf dem Gelände frei bewegen.

Unzählige Augen funkeln in der Dunkelheit. Im Taschenlampenschein sind es nur winzige Rehkitze unter den Zitzen ihrer Mütter. Wenn man ihnen zu nah kommt, quietschen sie wie rostige Türen.

Eine Lichtung weiter spielt eine Muffelfamilie Fangen. In der freien Natur Brandenburgs sind diese behörnten Wildtiere, die ursprünglich aus der Türkei kommen, ausgestorben. Seit die Wölfe zurückgekehrt sind. Das liegt an ihrer ganz eigenen Fluchttechnik: wenige Sprünge davon, dann kurz innehalten und nachsehen, ob der Feind noch da ist. Er ist es meistens.

Der Spaziergang der Löwen

In der Ferne schnauben ein paar Wildpferde, am Wegesrand huscht ein Wildschwein vorbei. Noch weiter vordringen ins Innere des Parks? Schließlich ist es erst einige Wochen her, dass ein Pfleger versehentlich ein Tor nicht verschlossen hat und die beiden Löwen entwischten. Besucher machten das Personal auf die Raubtiere in Freiheit aufmerksam. Polizei und Feuerwehr rückten an.

Am Ende ist niemandem etwas passiert, die Löwen wurden gefangen, der Wildpark berühmt. Doch was einmal geschehen ist, kann sich leicht wiederholen. Ist es unter diesen Umständen eine Bitte oder eine Drohung, wenn auf dem Schild steht, dass man die vorgegebenen Wege nicht verlassen soll?

Hufe galoppieren durch die Stille, Bisons muhen im Gebüsch. Plötzlich brüllt es aus tiefster Lunge. Der Löwe! Auf dem Lageplan befindet sich die Großkatzenauffangstation nur wenige Schritte entfernt. Von wo werden die aufgefangen? Und ist es für all die Rehe, Hirsche und Mufflons eigentlich fieser, andauernd die blutrünstigen Löwen zu hören, oder für die Löwen, die schmackhaften Kitze in unmittelbarer Nähe zu riechen?

In diesem Moment jedenfalls möchte man eine dringende Reisewarnung für den Großraum Baruth aussprechen. Taschenlampenkegel wie Gewehrläufe aufs nächste Gitter gerichtet, da – ein Schild: „Vorsicht! Eichhörnchen beißen“ Gerade nochmal gut gegangen.

Damit die Bären beschäftigt sind, wurden die Brötchen vorher auf dem Gelände verteilt.
Damit die Bären beschäftigt sind, wurden die Brötchen vorher auf dem Gelände verteilt.

© Sebastian Leber

Am nächsten Morgen badet das gefleckte Damwild schon vor dem Schlafzimmerfenster. Die Aktion „Tierpfleger für einen Tag“ kostet 90 Euro und beginnt früh um 7.30 Uhr. Auf dem Betriebshof werden jetzt Ratten in Streifen geschnitten und Küken in Stücke.

Dann beginnt Christian Mosler – er ist Tierpfleger für jeden Tag – seine Raubtierrunde, ein Messer im Gürtel. Erst Opfer füttern, Hähne, die bald im Löwenmagen landen. Nun Polarwölfe begrüßen, zwei kleine Welpen fiepen aus dem Erdloch hervor. Und schließlich Bären kurieren. In jeweils ein Hundefutter-Röllchen presst Mosler eine Tablette. Dem Bären im Käfig vor die Schnauze halten, muss sein, gegen die Schilddrüsenunterfunktion. Immer der Tatze ausweichen, sonst ginge es einem wie Leonardo DiCaprio in „The Revenant“, man würde zerfetzt. Bären können ihre Krallen nicht einziehen. Schließlich das Bärengehege (die Tiere warten derweil im Käfig) mit Schrippen und Rettichen übersäen und ihre sieben Meter tiefe Höhlen inspizieren. Hierhinein ziehen sich die 350-Kilo-Kolosse jeden Winter zurück.

Nachmittags gibt es Nudelsuppe

Viele der Tiere im Wildpark waren mal Stars. Katja, die Bärendame, zum Beispiel war eine schillernde Figur des DDR-Staatszirkus. Wie die Löwen darf sie hier in Rente gehen. Im Zirkus gab es um 16 Uhr eine gigantische Schale Nudelsuppe für die Bären. Eine Tradition, die der Wildpark fortsetzt. Denn entgegen allen Legenden mögen Bären keinen Honig, sie stehen auf herzhaft. Wie sie übrigens auch gar kein Teddyfell haben – sie fassen sich angeblich an wie Schuhputzbürsten.

Christian und die anderen machen Frühstückspause, Mettbrötchen unter Löwengebrüll. Stärkung ist wichtig, denn jetzt wird es ernst. Mehr Tierkontakt als erhofft.

Wer im Wildpark das Angebot "Tierpfleger für einen Tag" bucht, kommt ins Schwitzen.
Wer im Wildpark das Angebot "Tierpfleger für einen Tag" bucht, kommt ins Schwitzen.

© Sebastian Leber

Um 10.30 Uhr findet in der Falknerei des Tierparks die große Flugvorführung statt. Großeltern mit Enkeln warten gespannt im Amphitheater. Den ledernen Handschuh um die eine Hand, in der anderen mit blutigen Kükenbeinchen wedelnd steht der „Tierpfleger für einen Tag“ nun vor dem Publikum. Turmfalke anlocken, Mäusebussard herumtragen, so ein ausgewachsener Uhu ist ganz schön schwer – nun bloß nicht in Ohnmacht fallen, wenn sie einem mit spitzen Schnäbeln das Gesicht zerhacken wollen, weil die Hitze sie launisch macht. Flögen sie doch endlich davon, wie schon einmal geschehen, da landete ein Falke in Sachsen. Ausgerechnet vor der Tür eines Tierheims. Hilft nur noch abschütteln!

Nächster Programmpunkt. Wie gute Beamte brauchen Rot-, Dam- und Muffelwild um zwölf Uhr ihr Mittagessen. Neun Eimer Getreide gehen an hunderte wedelnde Schwänze. Zwei Ballen Heu in den Trog geschaufelt, Städter schwitzen dabei. Weil die Tiere hier keine Feinde haben, vermehren sie sich schnell. Um Inzest zu verhindern und genügend Auslauf zu gewährleisten, schießen sie im Wildpark öfter mal ein paar von ihnen ab. Die kauft der Besucher als Wurst am Ausgang. Gleich neben dem Ziegengehege.

Am Ende der Schicht hat man mit einigen Körperteilen Tiere gestreichelt – besonders wenn man die Einladung, im Karpfenteich zu schwimmen, angenommen hat.

Wasserbüffelbabys in Jüterbog

Bei den Wasserbüffelbabys auf dem Hof „Bobalis“ in Jüterbog.
Bei den Wasserbüffelbabys auf dem Hof „Bobalis“ in Jüterbog.

© Sebastian Leber

Gegen dunkle Erinnerungen an Löwen, gefährliche Bärentatzen und pickende Greifvögel gibt es nur ein Mittel: Wasserbüffelbabys.

Elke Henrion öffnet die Tür zu ihrem Biohof „Bobalis“ in Jüterbog. Efeu wuchert über Ziegel, Hortensien schwappen aus Töpfen und Büffel muhen von fern. An jedem ersten Samstag des Monats öffnen die Henrions ihre Tore für Besucher, führen von 12 bis 15 Uhr kostenlos an Ställen und Weiden entlang, lassen sie tun, was auch Elke Henrion am liebsten tut: Wasserbüffel beobachten.

Kein anderes Lebewesen schnauft beruhigender. Tierestreicheln ist nachweislich gesund. Auch Erwachsene schütten dabei Endorphine aus, die senken den Blutdruck und stärken das Immunsystem. Wann immer ihr die Welt zu viel wird, setzt sie sich inmitten ihrer Büffelkälber, lässt lange bläuliche Zungen ihre Finger umschleimen, auf der Suche nach Milch oder Zuneigung. Manche der Kleinen sind erst wenige Stunden alt, gerade von der Mutter trockengeleckt. Wenn Henrion den Stall betritt, ist sie sofort umringt von dunklen Büffelbabys, die sie per Kopfstoß zum Spielen auffordern. Wenn sie spricht, drehen sich hornlose Köpfe zu ihr herum.

Bloß keine Tierquälerei

Anders als in Italien, wo man männliche Büffelkinder verhungern lässt, weil sie niemals wertvolle Milch für den allgegenwärtigen „Mozzarella di Bufala“ beisteuern werden, lässt Henrion ihre Büffel leben. In den ersten Monaten trinken die Kälber die besondere Milch – sie schmeckt süßer als die von Kühen, enthält mehr Eisen, Kalzium und Vitamine. Auch das ist unüblich: Bei Henrions haben die Babys Kontakt zu den Müttern, wenn auch durch trennende Stäbe. Sonst würden sie gierig all die gehaltvolle Milch wegsaugen. Später leben sie von Heu und Getreide.

Erwachsene Büffel wollen zurück in den Stall. Es ist Fütterungszeit.
Erwachsene Büffel wollen zurück in den Stall. Es ist Fütterungszeit.

© Sebastian Leber

Elke Henrion stellt eine Platte mit weißen Kugeln auf einen Holztisch im Empfangsraum. Zäher als italienischer Büffelmozzarella, der fast auf der Zunge zerfließt, ist ihre Brandenburger Variante und 14 Tage haltbar. Drei Mal pro Woche wird aus der Milch Mozzarella, Ricotta, Joghurt und neuerdings Mangolassi gemacht. Der Feinschmecker hat „Bobalis“ zu den besten Käseproduzenten Deutschlands gekürt. Ihre Produkte kann man in der Biocompany und in Delikatessenläden kaufen.

Es gibt hier in Jüterbog keinen Hofladen und kein integriertes Restaurant. „Ich wollte mich auf die Tiere konzentrieren“, sagt Henrion. 1998 hat sie den Hof, der einst in Familienhand war, zurückgekauft und eine erste Herde bulgarischer Büffel angeschafft. Sie hat ihren Beruf als Veterinärin in Berlin aufgegeben, um ihren schwarzen Kreaturen näher zu sein. Das sind inzwischen 198, je nach Unterart tragen sie die Hörner eng ans Gesicht geklatscht, ausladend wie Geweihe oder wie Kreolen um die Ohren geschlungen.

Henrion behandelt ihre Tiere homöopathisch. Alle 14 Tage kommen welche zum Schlachter – immer zu zweit, das verursacht weniger Stress. Was das noch mal war, hat der Besucher gerade vergessen.

Der Affen-Zoo von Jocksdorf

Der Katta ist ein Lemur aus Madagaskar.
Der Katta ist ein Lemur aus Madagaskar.

© Julia Prosinger

Rund 110 Kilometer südöstlich von Jüterbog, kurz vor der polnischen Grenze, liegt Jocksdorf. Wer hier vorbeikommt, hat sich verfahren oder will zu Familie Mai. Auf ihrem Grundstück mitten im Dorf, umgeben von einer riesigen Hecke, haben sie sich nach der Wende ihren Affen-Zoo aufgebaut. Die Gehege hat Stefan Mai, 68, alle selbst gezimmert. Ging immer gut, nur neulich ist er beim Dachausbessern von der Leiter gefallen, jetzt trägt er Halskrause.

Neben dem Eingang steht ein Schild mit einer irritierenden Aufforderung an die Besucher: „Behandeln Sie bitte die Tiere, als ob sie Ihr Eigen wären“. Ist das ein Knuddelgebot? Bloß nicht, sagt Stefan Mai. Da drüben hinter der Glasscheibe die Rhesusaffen etwa, die werden schon wütend, wenn man ihnen nur in die Augen schaut. Auch die katzengroßen Lisztaffen sind nicht ohne, an asozialen Tagen foltern sie die Meerschweinchen, die Familie Mai zu ihnen ins Gehege gesetzt hat, damit sie den Rasen kurz halten. Zu den verträglicheren Arten zählen die Indischen Hutaffen. Die heißen so wegen ihrer dunklen Haarkrone. Typ Peter Hintze. Ergibt sich die Gelegenheit, klauen sie Besuchern durch die Gitter stäbe das Eis am Stiel.

Es ist anstrengend, einen eigenen Affenzoo zu besitzen. Drei Stunden täglich ist Sybille Mai allein mit dem Kleinschneiden des Futters beschäftigt. Pellkartoffeln, Äpfel, Birnen, Paprika, Weintrauben. Gut, wenn mal jemand hilft – auch die Mais suchen inzwischen „Tierpfleger für einen Tag“. Wer dieses Angebot bucht, erhält das Privileg, in den Käfig zu den zierlichen Weißbüschelaffen zu steigen. Erst sind sie scheu, dann holt Stefan Mai zur Bestechung die Butterkekse raus. Leicht und flauschig wie Wattebäusche sitzen sie einem im Nacken.

Für Butterkekskrümel kommen  die Weißbüschelaffen auf die Schulter.
Für Butterkekskrümel kommen die Weißbüschelaffen auf die Schulter.

© Julia Prosinger

Vor dem Eingang hält jetzt ein Wagen, es ist Herr Jakob aus dem Nachbardorf. Er trägt einen Goldfisch im Eimer mit sich, den er gern loswerden möchte. Kein Problem, sagt Stefan Mai, nimmt Jakob den Eimer ab und schüttet den Inhalt hinten rechts in den künstlichen Teich, wo schon die 16 Schildkröten sind und ein paar andere Fische. Stefan Mai sagt, das sei ihnen ganz wichtig: die Biodiversität.

Im Grunde ist der Name „Affen-Zoo“, eine arge Untertreibung. Ein Tier, so scheint es, kommt selten allein. Oder macht Streicheln süchtig? Auf dem Grundstück von Familie Mai leben Emus, Kängurus, Samtschrecken in Terrarien. Neverland-Ranch von Niederlausitz, das würde besser passen. Im Restaurant möchte ein neongrüner Neu-Guinea-Edelpapagei auf die Schulter genommen werden. „Komm mal her“, krächzt er. Erfüllt man ihm den Wunsch, fängt er an, einem mit dem Schnabel gegen die Lippen zu hämmern. Keine Angst, sagt Sybille Mai. „Er will Sie nur füttern.“

Stefan Mai jedenfalls war schon immer tierbesessen. Als Jugendlicher hatte er 70 weiße Mäuse, dann bekam er einen Hund, der ließ keine übrig. Seine Eltern versuchten erfolglos, ihm seine Leidenschaft auszutreiben. In den 1970ern nahmen seine Frau und er zwei Zwergziegen aus dem Tierpark Cottbus auf. Es kamen Schafe, Leguane und ein Krokodil hinzu. Doch sein großes Projekt, den Affen-Zoo, begann er erst nach der Wende.

Auf der Straußenfarm in Luckau

Nicole Schmall, die Besitzerin der Straußenfarm Jambo.
Nicole Schmall, die Besitzerin der Straußenfarm Jambo.

© Julia Prosinger

Ist es vielleicht genau das: ein Nachwendephänomen? Viel Platz und wenig Perspektiven? 29 479 Quadratkilometer Spielwiese. Wurde ein Bundesland so zum Safaripark?

Auch die Straußenfarm Jambo ist ein Nachwendeprodukt. Aufgebaut von zwei Bauingenieuren, die noch mal ganz von vorn anfangen wollten und denen dazu professionelle Straußenzucht einfiel. Inzwischen haben sie an eine Jüngere übergeben, Nicole Schmall. Die steht vor einem der Zäune und sagt, diese Vögel seien ihr irgendwie ähnlich: so ruhig. Auch intelligent? Nein, das kann Schmall nicht bestätigen. Das Hirn des Straußes ist winziger als sein Auge.

40 Tiere leben auf ihrer Farm in Luckau, Ortsteil Rüdingsdorf. Aufgeteilt in mehrere weitläufige Gehege. Besucher können sie durch den Zaun streicheln. Am besten am Hals, der ist überraschenderweise nicht mit Federn bestückt, sondern mit Fell. Fühlt sich an wie Kaninchen. Die dummen Strauße picken nach jeder Hand, in der Hoffnung, sie sei aus Korn. Sobald sie merken, dass die Hand nicht essbar ist, versuchen sie es noch einmal. Und dann wieder. Und wieder.

Zum Glück gewöhnt man sich an den leichten Schmerz, und zurück in der Großstadt lässt es sich mit den blauen Flecken aus dem Dschungel gut prahlen. Nur die Härtesten überleben in Brandenburg.

Ins Gehege darf keiner. Zu gefährlich. Mit seinen Tritten tötet der Strauß in Afrika Leoparden, in Luckau mussten schon einige unvorsichtige Füchse und Dachse dran glauben.

Strauße picken immer wieder zu. Weil sie neugierig und dumm sind.
Strauße picken immer wieder zu. Weil sie neugierig und dumm sind.

© Julia Prosinger

Nicole Schmall erzählt wunderliche Geschichten über ihre Tiere. Zum Beispiel dass Straußenpenisse grundsätzlich Rechtsdrall haben und dies perfekt passe, schließlich sei bei allen Weibchen der linke Eierstock verkümmert. Und dann erst das Brüten: Tagsüber hocken sich die Weibchen aufs Gelege, das hellere Gefieder ermöglicht die bessere Tarnung. Bei Sonnenuntergang übernimmt das Männchen, sein Gefieder ist tiefschwarz. Hochleistung der Evolution. Diesen Juni hat es nichts geholfen, da hat der Brandenburger Starkregen die Kuhle, in dem die Eier lagen, in einen Tümpel verwandelt, der Nachwuchs ertrank in der Schale. Die Henne hat natürlich nichts gemerkt, sie hätte einfach ewig weitergebrütet, wäre Schmall nicht eingeschritten.

Wie Strauß schmeckt, kann man hier ebenfalls probieren, als Hamburger, Bratwurst oder Bulette. Mit elf Monaten werden die Tiere geschlachtet und im Hofladen in Einzelteilen verkauft: Federn werden zu Staubwedeln. Das in Tiegeln abgepackte Fett soll bei Neurodermitis helfen. Sogar verfaulte Eier finden Abnehmer. Der Geruch, für Menschen kaum wahrnehmbar, vertreibt Spinnen. In der arabischen Welt ist das bekannt, sagt Nicole Schmall, deshalb finde man in vielen Moscheen Straußeneier.

Dann ist da noch die Frage, die Schmall jedes Wochenende beantworten muss: Stecken die Tiere wirklich ihren Kopf in den Sand? Die Antwort lautet ... ach, das soll sie lieber persönlich erzählen.

Sämtliche Adressen der Parks

Bei der Falknerei im Wildpark Johannismühle.
Bei der Falknerei im Wildpark Johannismühle.

© Sebastian Leber

Alpakafarm im Havelland
Landweg 28, Nauen. Termine auf Anfrage, Spenden willkommen. Mehr Infos gibt es hier.

Wildpark Johannismühle

Der Park mit den Löwen: Johannismühle 2, Baruth. Pfleger für einen Tag: 90 Euro. Mehr Infos hier.

Affen-Zoo Jocksdorf
Jocksdorf Nr. 8, Neiße-Malxetal. Täglich außer donnerstags, Eintritt: 4 Euro. Mehr Infos hier.

Straußenfarm Jambo
Kreblitzer Str. 3, Luckau. Nur am Wochenende geöffnet. Mit Füttern: 3 Euro. Mehr Infos hier.

Wasserbüffelhof Bobalis
An jedem ersten Samstag des Monats kostenlose Führung in Jüterbog. Mehr Infos hier.

Krokodilstation Golzow
Brandenburger Str. 82, Golzow. Eintritt mit Panzerkontakt: 3 Euro. Mehr Infos hier.

Falknerei Loerke
Saatzuchtgut 6, Zehdenick. Schnuppertag Greifvogeltraining: 150 Euro. Mehr Infos hier.

Ziegen auf dem Karolinenhof

16766 Kremmen. Käse im Hofladen kostet, Ziegenstreicheln ist umsonst. Mehr Infos hier.

Elch- & Rentierfarm Golz
Kleptow 29, 17291 Schenkenberg. Eintritt inklusive Anfassen: 5 Euro. Mehr Infos hier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false