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Zach Braff.

© Bret Hartman/Getty Images

US-Schauspieler Zach Braff: „Ich sollte mit den Armen flattern und singen“

Ein Hühnchen im Werbespot spielen? Darauf hatte Zach Braff keine Lust. Warum er einst Sanitäter werden wollte und auf die Rettung durch eine Frau hofft, erzählt er im Tagesspiegel-Interview.

Von Julia Prosinger

Mr. Braff, wie schwer ist es, heute ein Mann zu sein?

Ich weiß nicht, ob es schwerer ist als früher. Aber die Geschlechterrollen kehren sich um. Meine Brüder zum Beispiel: beide verheiratet, ihre Frauen ernähren die Familie. Das gibt es heute häufiger als je zuvor. Für Männer ist das eine Herausforderung. In meinem neuen Film hat die Hauptfigur Aidan Bloom das Gefühl, seine Frau beschützen zu müssen. Er will sie gegen einen Typen verteidigen, der sie bei der Arbeit belästigt. In Wirklichkeit kommt sie sehr gut allein zurecht.

Sie verdient das Geld, er betreut als gescheiterter Künstler mit Mitte 30 die Kinder. Das nagt an ihm.

Früher war es so: Die Männer sind Jäger und Sammler, die Frauen kümmern sich um das Nest. Denkt an die 1950er, oder an die Serie „Mad Men“. Wenn der Mann nach Hause kommt, steht das Essen auf dem Tisch. Wenn du heute das College verlässt, gibt es keine Regel, die dir vorschreibt, was du werden sollst. Du hast mehr Zeit für die Suche nach dem Sinn des Lebens, dafür, den amerikanischen Traum zu leben und Erfolg aus dem Nichts zu haben. Jeder will heute Bill Gates sein. Alles ist möglich. Das macht manchen Angst.

Wie schon in „Garden State“ stellen Sie in „Wish I was here“ einen erfolglosen Schauspieler dar. Beide Filme haben Sie auch selbst geschrieben. Können Sie nur das spielen, was Sie kennen?

Meine Filme sind Versionen meines Lebens. Ich weiß, die meisten Leute sind keine gescheiterten Schauspieler, aber jeder sucht nach etwas. Ich habe mit Vorsprechen angefangen, als ich 13 war. Meine erste richtige Rolle bekam ich mit 26, in der Krankenhaus-Sitcom „Scrubs“. Den größten Teil meines Lebens war ich also ein Schauspieler, der sich abmüht, jedoch abgelehnt wird. Abgelehnt, abgelehnt, abgelehnt.

Nebenbei haben Sie gekellnert.

Ja, und dann kamen die Leute aus dem Kino zum Nachtisch ins Restaurant, ich stehe da in einer Tunika, und sie schauen mich verdutzt an: „Wir haben dich gerade in einem Film gesehen.“ Ich antworte: „Danke, und das ist das Angebot der Tageskarte.“ Oder ich hatte ein Meeting mit einem Manager und anderen wichtigen Leuten und tat so, als ob es bei mir rundliefe, und dann kamen die in das verdammte Restaurant, und ich war derjenige, der ihnen den verdammten Wein einschenkte.

Wie liefen die Castings?

Oft habe ich eine Woche damit verbracht, einen Text auswendig zu lernen, und dann hieß es: Hey, wir suchen jetzt doch jemand Älteren … Ich werde den Moment nie vergessen, als ich entschied, nie wieder für Werbespots vorzusprechen. Ich sollte auf die Knie gehen, mit den Armen flattern und singen: Ich habe Lust auf Hühnchen heut Nacht!

Manchmal muss man sich von einem Traum auch verabschieden können.

Wenn es niemanden gibt, für den du Verantwortung trägst, kannst du deinem Traum so lange hinterrennen, bis du tot umfällst. In dem Moment, wo die Augen von Kindern zu dir aufblicken und du eine Hypothek zu bezahlen hast, musst du dir Gedanken machen. Aidan aus dem Film hängt so sehr an der Schauspielerei – obwohl er nicht einmal ein guter Schauspieler ist –, der kommt gar nicht auf die Idee, dass sich ihm eine neue Chance eröffnen könnte, wenn er diesen Traum aufgibt. Am Ende sieht man ihn, wie er College-Kinder unterrichtet, das ist für ihn der glücklichste Moment. Film-Studenten rate ich immer: Setzt euch ein Ziel, das eurer Leidenschaft entspricht. Ob du als Schauspieler Erfolg hast oder nicht, ist eine Lotterie, nichts anderes. Wenn deine Nummer nicht gezogen wird, musst du ja nicht gleich Zahnarzt werden.

Die Rollen, die Sie in „Scrubs“, in „Garden State“ und jetzt in „Wish I Was Here“ spielen, entsprechen nicht der klassischen Vorstellung von Männlichkeit: Sie sind sensibel, nachdenklich, melancholisch. Und Sie haben keine Angst, Gefühle zu zeigen, mal jemanden zu umarmen.

Auf der ganzen Welt wollen mich die Menschen umarmen. Männer warten am Broadway an der Tür zur Bühne, um mich zu umarmen.

Umarmen Sie zurück?

Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich keine fremden Männer umarmen. Wenn jemand mich bittet, sage ich nicht Nein. In unserer Gesellschaft gibt es immer noch diese Sorge davor, schwul zu sein. In meiner Kindheit war es das schlimmste Schimpfwort. Du willst Theater spielen? Theater ist was für Schwule. J. D., meine Rolle in „Scrubs“, hat einer ganzen Generation gezeigt, dass man Musicals lieben, seinen besten Freund umarmen und trotzdem auf Mädchen stehen kann. Das sehen wir auch gerade in Hollywood: Australische Männer übernehmen eine Toprolle nach der anderen, Leute wie Sam Worthington zum Beispiel. In Australien gibt es dieses Tabu nicht, dort kannst du Rugby spielen und trotzdem in der Schulaufführung auftreten. Bei uns werden Kinder gehänselt, wenn sie gern singen.

Wurden Sie auch gehänselt?

Ich habe nur in Feriencamps Theater gespielt, außerhalb der Schule. Ich hatte Angst, uncool zu sein. Ich war überhaupt nicht an Sport interessiert, also war ich der Klassenclown. Im Rückblick finde ich es schrecklich, dass ich mir so viele Gedanken darüber gemacht habe.

Würden Sie sich als sensiblen Mann bezeichnen?

Ja. Ich verstecke meine Gefühle nicht. Aber ich mag auch Autos und Motorräder, besonders deutsche Autos. Porsche, Audi. Das ist vielleicht meine einzige Alpha-Männchen-Eigenschaft.

Wenn Sie sich entscheiden müssten: American Football oder Yoga?

Yoga. Von Football habe ich keine Ahnung.

Whisky oder Appletini – das Lieblingsgetränk Ihrer Scrubs-Rolle?

Schmeckt beides ekelhaft. Ich stehe mehr auf Rotwein. Früher habe ich viel Bier getrunken.

Sitzpinkler oder Stehpinkler?

Ich pinkle nicht im Sitzen.

Was er von Woody Allen lernte

Zach Braff.
Zach Braff.

© Bret Hartman/Getty Images

In Ihren Filmen leiden die sensiblen Männer unter autoritären Vätern. Wie war Ihr eigener Vater?

Kein typischer Alpha-Mann. Trotzdem hatten meine Eltern eine klassische, altmodische Beziehung. Mein Vater arbeitete als Anwalt, riss sich den ganzen Tag den Arsch auf, kam abends nach Hause, das Abendessen stand auf dem Tisch. Meine Mutter hat uns vier Kinder lange allein großgezogen.

Ihre Eltern ließen sich scheiden. Sie blieben bei Ihrem Vater.

Die Leute fragen mich immer, warum in meinen beiden Filmen die Mutter gestorben ist. Das war ein sehr schwieriger Teil meines Lebens. Ich fühlte mich von allen verlassen. Plötzlich gab es nur noch meinen Vater und mich, wir mussten erst mal herausfinden, wie wir zusammen klarkommen. Er war ziemlich fertig wegen der Scheidung und musste erst lernen, was es heißt, alleinerziehend zu sein. Davor hat meine Mutter den ganzen Elternkram erledigt. Jetzt musste er im Supermarkt einkaufen und sich überlegen, was man am Wochenende unternehmen kann. In beiden Filmen verarbeite ich eine Zeit in meinem Leben, in der ich versuchte, meinen Vater zu verstehen, und in der er versuchen musste herauszufinden, wie er auf eine neue Art ein Vater sein konnte.

Was haben Sie von ihm gelernt?

Das große Hobby meines Vaters war das Gemeinde-Theater. Er spielte, und ich begleitete ihn. Er hat mich zur Schauspielerei gebracht.

Sie haben auch eine besondere Beziehung zu Woody Allen – Sie spielten in seinem Film „Manhattan Murder Mystery“ seinen Sohn, da waren Sie 18.

Ich war so nervös! Ich hatte die Szene bis zum letzten Satzzeichen auswendig gelernt. Als ich ankam, sagte Allen: Wir werden wahrscheinlich nicht genau das spielen, was da auf dem Blatt steht. Versuch einfach, durchzuhalten! Diane Keaton, die meine Mutter spielte, und er haben alles improvisiert, nichts davon stand auf meinem Zettel! Ich konnte nur noch raten. Wenn man sich diese Szene heute anschaut, sieht man einen Jungen, der denkt: Was zur Hölle tue ich hier? Heute, mit 39, würde ich das sehr viel besser machen.

Hat auch er Ihnen etwas beigebracht?

Allen ist ein Gelehrter in Sachen Timing. Manchmal habe ich es nicht geschafft, den Witz richtig zu platzieren. Dann hat Allen es mir gezeigt, ich habe es nachgemacht: Plötzlich lachten alle viel lauter.

Die Männer, die Sie spielen, sind Tagträumer. Sie auch?

Ja! Meine Freunde reißen mich manchmal aus diesen Träumen heraus. Komm zurück, rufen sie und schnipsen mit den Fingern. Ich verbringe viel Zeit allein, da kann ich es mir leisten, mich in meinen Gedanken zu verlieren. Meine Ex-Freundinnen frustrierte das.

Bei Ihnen klammern sich die Protagonisten an die Helden ihrer Kindheit. Mr. Miyagi aus „Karate Kid“ oder „König der Löwen“. Wer waren Ihre Helden?

Ich hatte keine Comic-Helden. Als ich auf meinem Rad herumfuhr, in meinem Heimatort South Orange in New Jersey, gab es diesen wiederkehrenden Gedanken: Ich war derjenige, der gebraucht wurde. Holt Zach! Ich liebte die Idee, zu Hilfe zu kommen, der Einzige zu sein, der das tun kann. Wie Bruce Willis in „Stirb langsam“. Ich habe sogar ehrenamtlich für den Notdienst gearbeitet, mitten in der Nacht klingelt dieser Piepser, das war ein Adrenalinritt! Ich dachte, ich würde Sanitäter werden. Dann wollte ich doch Schauspieler sein.

Der deutsche Schriftsteller Erich Kästner sagte: Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.

Ich glaube, dass es genug Zeit für Spielereien und Albernheit gibt, für Fantasie, wie Kinder sie haben. Aber man kann nicht immer ein Kind bleiben. Man verletzt andere, wenn man in seinen Beziehungen keine Verantwortung übernimmt.

Wann heiraten Sie?

Ich weiß, ich bin jetzt 39 und spät dran. Erst vor sechs Monaten habe ich eine Fünf-Jahres-Beziehung beendet. Eines Tages will ich heiraten. Ich habe eine romantische Vorstellung davon, von einer Frau gerettet zu werden. Das klingt vielleicht komisch, aber es geht einfach darum, den perfekten Partner zu finden. Jemanden, der dich vervollständigt, der dich vor dir selbst rettet, dich erleuchtet. Es ist kein Zufall, dass sich der Mann in meinen beiden Filmen in eine Frau verliebt, die klüger ist als er selbst.

In „Wish I Was Here“ sagt Aidans Vater auf dem Sterbebett: „Wenn Dinge tragisch genug sind, sind sie schon wieder komisch.“ Was ist lustig am Tod?

Man muss drüber lachen, weil er so verdammt düster ist. Weil es so absurd ist, dass wir auf diesem sich drehenden Felsen inmitten der Unendlichkeit sitzen und niemand weiß, warum. Wir haben zwar die ausgeklügeltsten Theorien entwickelt. Aber es bleibt Irrsinn. Manche werden religiös, andere machen Witze darüber.

In Ihren Filmen liegen Lachen und Weinen nah beieinander. Ist das jüdischer Humor?

Nein, eher typisch Woody Allen – nicht weil er jüdisch ist, sondern weil er meisterhaft ist. Bei manchen seiner Filme lacht man in der einen Minute, in der nächsten bricht es einem das Herz. Ich führe „Wish I was here“ ja zur Zeit dem Publikum vor und sehe, dass es funktioniert: Man kann einen Rabbi auf einem Segway gegen die Wand fahren lassen, und im nächsten Moment eröffnet der Vater seinem Sohn, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat. Mein Mantra ist: Erzähl eine gute Geschichte, scheiß’ auf die Regeln.

Sie konnten den Film radikal erzählen, weil sie unabhängig waren. Sie haben über die Crowdfunding-Plattform „Kickstarter“ 47 000 Unterstützer aktiviert, die mehr als drei Millionen Dollar spendeten.

Jeder Filmemacher, der zu einem Studio geht oder zu unabhängigen Financiers, steht vor der Frage: Welche Teile muss ich rausschmeißen, wie viele Kompromisse muss ich eingehen, damit der Film finanziert wird? Es gibt vielleicht fünf Filmemacher auf der Erde, bei denen das anders ist. Dann kam die „Veronica-Mars“-Geschichte raus …

… innerhalb von 24 Stunden haben die Macher dieses Films zwei Millionen Dollar Spenden auf Kickstarter eingetrieben …

… und mein Produzent sagte: Du hast diese tolle, loyale Fanbasis im Internet, versuch es auch. In der Branche sagten alle, das wird nichts. Und dann wurde es etwas – innerhalb von 48 Stunden.

Sie hätten doch genug Geld, um so einen Film selbst zu finanzieren.

Die Macher von Kickstarter haben nie gesagt, dass sie nur für die Unbekannten da sind. Und neulich haben sie der „New York Times“ erzählt, dass viele, die durch mich auf diese Seite gekommen sind, weitere Projekte unterstützt haben. Spenden macht ziemlich süchtig.

Wenn der Film Gewinne einbringt, bekommen Ihre Spender davon nichts.

Das war die Abmachung! Sie hieß: Wenn ihr „Garden State“ und „Scrubs“ mögt, also das, was ich mache, dann produziere ich euch jetzt was Ähnliches. Wenn ihr nicht spendet, wird der Film nicht so gemacht, wie ich glaube, dass ihr ihn mögt. Lasst uns dieses abgedrehte Experiment versuchen: Ihr kauft ein Ticket für eine Fragerunde mit mir, ein T-Shirt, das Drehbuch oder eine Mailboxnachricht von mir, und ich kreiere im Gegenzug – zusammen mit meinem eigenen Kapital – etwas, das sonst niemals existieren würde.

Wie hätte der Film ohne das Geld der Spender ausgesehen?

Dann wäre am Ende ein Banker gekommen, wie das üblich ist in Hollywood, und hätte den Film in der Endbearbeitung so zurechtschneiden lassen, dass er den Querschnitt der Umfragen ergibt. Ich hätte günstigere Darsteller einsetzen müssen, die religiösen Witze rausschmeißen, die Szenen streichen, in denen Aidan Bloom sich in eine Fantasiewelt denkt, die waren nämlich verdammt teuer. Und ich hätte niemals in L. A. drehen können, denn Vancouver ist steuerlich viel sinnvoller.

Warum war das wichtig?

Los Angeles ist ein Protagonist in meinem Film. Es ist wunderschön, ganz anders als die Industrie, die es beherbergt. Es ist allerdings auch sehr isolierend, sehr einsam. Niemand geht zu Fuß, es gibt keine Bürgersteige, nur Autos. Jeder ist in seiner Blase. Diese Atmosphäre von schöner Einsamkeit sollte vorkommen. Das Gefühl davon, allein auf einer Reise zu sein. Es gibt diese Szene von Aidans Bruder, der in einem Wohnwagen auf einer Klippe lebt, die fast ins Meer fällt, umgeben von Palmen. Ein wunderschönes Bild – aber sehr einsam.

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