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Lychée

© privat

Was Hunde leisten: Fünf Profis im Spezialeinsatz

Sie warnen Diabetiker vor Unterzuckerung, erschnüffeln Blutspuren, geben Autisten ein Gefühl von Sicherheit... Wie machen die das?

Wer Lilli Germar in der Wohnung ihrer Familie in Zehlendorf begegnet, ahnt höchstens, dass sie die Hilfe eines Signalhunds gut gebrauchen kann. Die ersten achteinhalb Monate ihres Lebens war das mittlerweile neunjährige Mädchen taub. Dank einer Operation und moderner Technik kann sie heute recht gut hören – jedenfalls in ruhiger Umgebung und mit Spezialgerät am Ohr. Draußen bei Straßenlärm oder nachts, wenn Lilli das Außengerät ihrer Hörhilfe neben das Bett legt, sieht die Sache anders aus. Hier kommt Lychée ins Spiel, der zehn Monate alte Tibetterrier der Germars. Er soll Lilli beim Aufwachsen begleiten, immer auf sie achtgeben und in brenzligen Situationen warnen – durch Anstupsen. Zum Beispiel, wenn sie unter der Dusche steht und Feueralarm losgeht, oder wenn sie eine Straße überqueren will und ein Auto nicht wahrnimmt. Auch wenn in einer Menschenmenge jemand „Hallo Lilli“ ruft, wird Lychée zur Stelle sein. So zumindest der Plan. Lychées Ausbildung hat erst begonnen und wird mindestens zwei Jahre dauern. Immerhin hält der Terrier schon brav vor (fast) jeder Tür und wartet auf das Kommando „durch“. Einmal die Woche kommt Frau Lehmann, die Hundetrainerin. Die Germars fühlen sich ein bisschen als Pioniere: Davon erfahren, dass Hunde auch Gehörlosen helfen können, haben sie in den USA. Sie hoffen, dass Lilli und Lychée zu einem untrennbaren Team werden. Bliebe nur noch ein Problem: „Hunde lieben Ohrenschmalz und zerkauen deshalb gern mal Hörgeräte“, sagt Mutter Antje Germar. Björn Rosen

Der Drogenspürhund

Wandy
Wandy

© privat

Heroin, LSD, Cannabis, Crystal Meth, das alles findet Wandy, eine fünf Jahre alte deutsche Schäferhündin. Mehr als 100 Einsätze für die Berliner Polizei hat die Drogenspürhündin hinter sich. 50 Gramm Kokain in einer Weddinger Wohnung hat sie ebenso entdeckt wie Haschisch, das in einer Fruchtgummi-Tüte eingeschweißt war und zusätzlich noch in einem Paket gelegen hatte. 30 Minuten kann Wandy ohne Pause schnüffeln, das ist Zeit genug, um eine Drei- oder Vierzimmerwohnung zu durchsuchen. Sobald Hundeführer Thorsten Block merkt, dass Wandy hechelt und nicht mehr durch die Nase atmet, macht er mit ihr eine Pause. Seinen Fund zeigt ein Drogenspürhund durch Kratzen an. Thorsten Block hatte ein einfaches Mittel, um Wandy im Training dieses Signal beizubringen. Er stellte sich auf das Lieblingsspielzeug des Schäferhundes, bis der nach dem Gegenstand kratzte. Dafür gab es lautstarkes Lob. Am Anfang des Trainings schnüffelt ein Hund an verschiedenen Proben von Drogen, später werden die versteckt, und nachdem das Tier sie gefunden hat, darf es mit seinem Lieblingsgegenstand spielen. Acht Wochen dauert das Training, dann folgt der reale Einsatz. Dort wird quasi die Ausbildung fortgesetzt, weil im Training nicht jede Umgebung, auf die der Hund treffen wird, nachgestellt werden kann. Der Hund lebt dauerhaft bei seinem Hundeführer. Mit ungefähr zehn Jahren wird er dann außer Dienst gestellt. Frank Bachner

Der Autismushund

 Ylvi
Ylvi

© privat

Stark müssen sie sein. „Ruhig, friedlich und durch nichts zu erschüttern“, wie Annika Frellesen sagt. Wenn sich ein Autist im Einkaufszentrum auf den Boden wirft und zusammenrollt, abdriftet in seine eigene Welt, weil er sich von den vielen Reizen regelrecht bombardiert fühlt und nicht mehr ansprechbar ist, dann legt der Hund sich quer über die Beine, „der Druck beruhigt sehr“. So lernt es die schwarze Labradorhündin, die Frellesen gerade trainiert: Ylvi, kleine Wölfin, hat sie sie getauft. Es ist ihr erster Autismushund, in Deutschland gibt es so etwas erst seit ein paar Jahren. Ylvi ist noch in der Ausbildung, hat gerade die Zwischenprüfung bestanden. Zwei Jahre dauert es bis zum Examen; am Ende stehen noch eine Wesensprüfung und ein Kindertauglichkeitstest. 12 000 Euro kostet sie dann. Die Krankenkasse übernimmt das nicht. Mit Autisten kennt Frellesen sich aus, sie betreut einen jungen Mann. Bei dem fliegen schon mal Teller, wird es richtig laut. Das irritiert Ylvi nicht, sie stubst ihn nur an. Auch wenn ein Kind, weil ihm alles zu viel wird, einfach wegrennt, kann der Hund, meist ein Labrador oder Golden Retriever, es an der kurzen Leine zurückhalten. Er wird konditioniert darauf, an jeder Bordsteinkante stehen zu bleiben. „So hat das Kind immer seinen Ruhepol dabei, der Hund führt es an einen stillen Platz.“ Nicht nur den Kleinen, auch ihren Eltern gibt das ein großes Gefühl von Sicherheit. „Das entspannt sie ganz doll“, meint die 26-Jährige. Einige Eltern schlafen zum ersten Mal seit Jahren durch. Susanne Kippenberger

Der Schimmelspürhund

Rani
Rani

© privat

Lange Flure, lange Hallen, große Zimmer, die nicht zugemüllt sind, das ist das ideale Terrain für Rani. Da kann der Golden Retriever gut schnüffeln, hat Platz. Und sucht nach einem ganz speziellen Geruch: Rani ist Schimmelspürhund, er sucht Schimmel an versteckten Stellen. Wenn Menschen, durch Geruch oder wegen gesundheitlicher Probleme, bemerken, dass ihre Wohnung befallen ist, sie den Schimmel aber nicht lokalisieren können, dann kommt Rani zum Einsatz. Da Schimmel allerdings generell in der Luft ist, zeigen die Hunde nur Stellen mit massivem Befall an. Und sie arbeiten in Kombination mit einem Sachverständigen. Der muss die Feinarbeit mit technischem Gerät leisten. Ein Hund kann die befallene Stelle nicht immer genau bestimmen. Katja Krauß führt Rani bei Einsätzen, sie beobachtet seine Reaktionen intensiv, weil sie dann die gesuchte Stelle möglichst exakt eingrenzen kann. Krauß hat vier Schimmelspürhunde, in unterschiedlicher Größe. Die kleinen Hunde sind ideal für verwinkelte Räume, die großen gut für die Fläche. Ein Regierungsgebäude mit 1000 Zimmern haben mal alle Hunde durchsucht. Normalerweise schnüffelt nur einer, meist in Wohnungen. Die besten Hunde arbeiten 20 Minuten ohne Pause. Rund 24 Monate dauert die Ausbildung. Dabei lernen die Hunde 30 Schimmelarten kennen. Mal ist Schimmelgeruch mit ihrem Fressen vermischt, mal schnüffeln die Hunde an einem Röhrchen mit fünf Luftlöchern. Dann sollen sie anzeigen, aus welchem Loch Schimmelgeruch strömt. Frank Bachner

Der Diabetiker-Warnhund

Miley
Miley

© Doris Spiekermann-Klaas

Sushi. So lautet das Codewort. Erst wenn Jens Haacke es sagt, darf Miley das Leckerli aus der Hand fressen. Sie ist verdammt gut erzogen. Die silbergraue Hündin, zwölf Monate alt, gehört zur sogenannten Arbeitslinie des Labradors, die ist schlanker und hat kürzere Haare als die gewöhnliche Züchtung. Jens Haacke, 33, Office Manager in einer Werbeagentur, leidet seit dem zehnten Lebensjahr an Diabetes. Bis vor einigen Monaten musste er umständlich herausfinden, ob er eventuell unter- oder überzuckert ist: in einen Finger pieksen, Blutstropfen abnehmen, an einem Gerät messen und erst dann, wenn notwendig, Insulin zuführen. Seit Miley in der Friedrichshainer Wohnung lebt, warnt sie ihn bereits eine Stunde vor einer brenzligen Situation. Sie riecht es, wenn die Sättigung des Sauerstoffs sich im Blut verändert, nicht mehr zwischen 80 und 120 Milligramm pro Deziliter bewegt, und hört es an der veränderten Atmung. Bis zu fünf Mal am Tag geschieht das – und bis zu zwei Mal nachts. Deshalb ist sie bei der Arbeit, im Urlaub, im Bett dabei. Die Hündin schläft mit dem Kopf an Jens Haackes Hals. Wenn die Sättigung sich verschlechtert, setzt sie sich mit den Vorderbeinen auf die Brust und rüttelt so lange, bis ihr Besitzer wach ist. „Und ich habe einen festen Schlaf“, sagt Haacke. Dann schnappt sie sich den Rucksack mit dem Insulinbesteck aus dem Wohnzimmer und bringt ihn ans Bett. Miley ist eine lebensverbessernde Investition: 1600 Euro hat sie gekostet. Und da sind die Trainingsstunden pro Woche nicht eingerechnet. Ulf LippitzDer Leichen- und Blutspürhund

Chili
Chili

© privat

Ihre bisher größte Leistung zeigte Chili in einer Werkstatt. Die Polizei ermittelte wegen Mordes, sie hatte einen Hinweis auf das Gebäude erhalten, und als Chili dort gewaschene Kleidung fand, begann sie zu bellen. Sie hatte im Stoff eine Blutspur identifiziert, eine sechs Monate alte, wie sich herausstellte. Die belgische Schäferhündin ist ein Leichen- und Blutspürhund der Berliner Polizei. Sie erschnüffelt Blut hinter neu tapezierten Wänden, zeigt im Treppenhaus durch Bellen an, hinter welcher Wohnungstür ein Toter liegt. Etwa beim Verdacht, ein Mieter könnte sich das Leben genommen haben: Dann darf die Polizei nicht einfach Türen aufbrechen. Sobald jedoch der Hund anschlägt, unterschreibt ein Richter einen entsprechenden Beschluss. Den Geruch kennt Chili von ihrer Ausbildung: In einer Röhre mit Luftlöchern war Verwesungsflüssigkeit, daran schnüffelte sie, um sich den Geruch einzuprägen. Das Gleiche geschah mit Blutproben. Nach jedem Schnüffeln durfte Chili mit ihrem Lieblingsgegenstand spielen. Das ist der Köder: Spiel als Belohnung. Irgendwann wurde die Röhre versteckt und Chili musste danach suchen. Gleichzeitig lernte sie zu bellen, wenn sie fündig geworden war. Drogenspürhunde würden in diesem Fall kratzen. Bei Leichenspürhunden geht das nicht, das Kratzen könnte Spuren vernichten – und im Dickicht des Walds könnte der Hundeführer die Bewegung übersehen. Acht Wochen dauert das Training, die weitere Ausbildung findet im realen Einsatz statt, weil man nicht jede Umgebung nachstellen kann. Frank Bachner

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