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Sorge vor der Epidemie: Neue Verdachtsfälle in Europa - Entwarnung in Bielefeld

Das neue Grippevirus aus Amerika breitet sich weiter in Europa aus. Die EU-Gesundheitsminister haben ein Krisentreffen vereinbart, um eine Pandemie zu verhindern.

Die als Schweinegrippe bekannt gewordene amerikanische Grippe hat Europa erreicht: Großbritannien hat erste Fälle von Schweinegrippe bestätigt und in Spanien wiesen Mediziner das mutierte Virus H1N1 bei einem kürzlich aus Mexiko zurückgekehrten Studenten nach, wie Gesundheitsministerin Trinidad Jiménez am Montag in Madrid berichtete. Mehrere europäische Länder untersuchen derzeit Patienten mit Grippesymptomen. So werden in Skandinavien und in der Schweiz jeweils fünf Mexiko-Reisende getestet. Die spanische Regierung sprach von 19 weiteren Verdachtsfällen, Großbritannien meldete drei.

In Mexiko stieg die Zahl der Grippetoten auf mehr als 100. Wie viele Menschen tatsächlich an dem neuen, mutierten Schweinegrippevirus H1N1 starben, teilte die Regierung nicht mit. Bisher war der Erreger bei mindestens 20 der Todesfälle gefunden worden. Im ganzen Land werden nach Regierungsangaben 1614 Grippekranke in Hospitälern behandelt. Mehr als 60 Prozent der Patienten seien jedoch auf dem Weg der Besserung und entlassen worden. Die Regierung von Mexiko-Stadt erwog, das gesamte Wirtschaftsleben der 20-Millionen-Metropole vorübergehend ruhen zu lassen, um die Ausbreitung des Erregers zu hemmen.

Das Auswärtige Amt in Berlin verschärfte seine Reiseempfehlungen für Mexiko. "Von nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Mexiko wird derzeit abgeraten", hieß es auf seiner Internet-Seite. Zugleich wird allen Mexiko-Reisenden empfohlen, die Berichterstattung über die Grippe genau zu verfolgen. Eine formelle Reisewarnung für Mexiko gab es jedoch bis Montagabend nicht.

Das Bundesgesundheitsministerium sieht Deutschland auf einen möglichen schweren Grippeausbruch gut vorbereitet. Die Bundesregierung geht davon aus, dass eine ausreichende Menge antiviraler Medikamente in Deutschland vorrätig sind. Der Pharmakonzern Novartis nimmt an, in drei bis sechs Monaten einen Impfstoff gegen das mutierte Schweinegrippevirus fertig zu haben. Für die drei Verdachtsfälle aus Bielefeld haben die Behörden Entwarnung gegeben. Zunächst bestand der Verdacht, zwei Männer und eine Frau seien an dem Virus erkrankt, nachdem die Männer mit Krankheitssymptomen aus Mexiko zurückgekehrt waren und die Frau angesteckt haben könnten. Sie waren umgehend auf eine Isolierstation in Bielefeld gebracht worden.

Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft rief ein Krisentreffen der Gesundheitsminister ein. Sie werden voraussichtlich am Donnerstag in Brüssel zusammenkommen, um die Bedrohung durch das Virus einzuschätzen und Gegenmaßnahmen zu koordinieren.

In den USA sind nach den Worten Präsident Barack Obamas alle bisher 20 bestätigten Patienten von der Grippe genesen. Kanada meldete sechs bestätigte Fälle. Obama sprach davon, es bestehe in den USA Grund zur Besorgnis, aber kein Grund für Alarm. Die USA hatten bereits am Sonntag einen "Gesundheitsnotstand" ausgerufen. Dabei handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme, um zu gewährleisten, dass die nötigen Mittel für eine rasche Reaktion zur Verfügung stünden, betonte Obama.

Zahlreiche asiatische Länder der Pazifikregion versetzten ihre Gesundheitsbehörden in Alarmbereitschaft und verstärkten die Schutzmaßnahmen. Fast überall in Asien wurden vor allem die Gesundheitskontrollen der ankommenden Reisenden aus Mexiko und dem übrigen Nordamerika verschärft. Dazu gehörten insbesondere Fieberkontrollen an den internationalen Flughäfen. Auch die deutschen Flughäfen riefen ihre Mitarbeiter und die Besatzungen zu erhöhter Wachsamkeit auf. So werden in Frankfurt aus Mexiko ankommende Passagiere bei Verdacht auf Schweinegrippe unmittelbar nach der Landung untersucht.

Der infizierte Spanier war am 22. April mit Fieber und Husten von einer Studienreise aus Mexiko zurückgekehrt und daher zum Arzt gegangen. Der 23-Jährige befinde sich in einem Krankenhaus im Südosten Spaniens unter Quarantäne. Ihm gehe es gut, betonten die Gesundheitsbehörden. Auch seine Familie sowie Freunde, die mit ihm in Kontakt waren, werden vorsorglich mit Antiviren-Medikamenten behandelt. Eine 21-jährige Studentin, die mit ihm in Mexiko war, kam ebenfalls unter Quarantäne in ein spanisches Krankenhaus.

Den Apotheken auf dem Flughafen Madrid-Barajas gehen inzwischen die Mundschutzmasken aus. Dort kommen täglich rund 600 Passagiere aus Mexiko an. Das Außenministerium riet - ebenso wie die EU-Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou - von Reisen nach Mexiko ab.

Derweil brachte der Ausbruch der Grippe neue Sorgen um die ohnehin schwer angeschlagene Weltwirtschaft. An den asiatischen Märkten kam es teilweise zu deutlichen Verlusten. Auch in London, Paris und Frankfurt gaben die Kurse nach. Vor allem Luftfahrt- und Tourismuswerte gerieten unter Druck. Die Lage erinnere an den Ausbruch der Lungenkrankheit Sars im Jahr 2003, sagten Händler. Damals traf es besonders Touristikunternehmen und Fluggesellschaften. Sie gerieten tief in die Verlustzone, weil viele Geschäftsleute und Urlauber auf Flugreisen in die betroffenen Weltregionen verzichteten. (rtr, dpa)

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