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Panorama: Spanien unter Schock: Ferienfahrt endet in Tragödie

Blutverschmierte Rucksäcke liegen im Gras. Daneben die Reste einer Gitarre, Kleidungsfetzen, ein Ball.

Blutverschmierte Rucksäcke liegen im Gras. Daneben die Reste einer Gitarre, Kleidungsfetzen, ein Ball. Ein paar Meter weiter das völlig zertrümmerte Wrack des Autobusses. Auf dem Asphalt nebeneinandergereiht, notdürftig verhüllt mit Decken und Tüchern die Leichen. 27 Tote: 23 Schüler, zwei Lehrer, die beiden Fahrer, zehn Menschen wurden verletzt. Brutales Ende einer Ferienfahrt auf der Landstrasse N-122 nahe der nordspanischen Provinzhauptstadt Soria. Der 28. Tote ist der Chauffeur des Viehtransporters, der einen der schlimmsten Busunfälle in Spanien verschuldete.

Viele der Helfer am Unfallort weinen. "So etwas habe ich noch nie gesehen", flüstert geschockt der Einsatzleiter. Eltern brechen am Unfallort zusammen. "Gebt mir meinen Sohn zurück", schreit eine Mutter. Andere sitzen schluchzend im Gras, die Hände vor den Augen. Ein Heer von Psychologen versucht den Angehörigen zu erklären, was hier, am Donnerstag gegen 16 Uhr, am Kilometer 159 der gut ausgebauten Landstrasse, geschehen ist. Stunden zuvor hatten sich die 14- bis 16jährigen von ihren Eltern verabschiedet, sie wollten in ein Zeltlager in der Nähe von Burgos in Nordspanien fahren.

Auch am Tag nach dieser Katastrophe weiß niemand, warum der Fahrer des Schweinetransporters seinen Schwerlaster plötzlich auf die Gegenfahrbahn zog, den Bus mit den Schülern frontal rammte und dann auch noch seitlich aufschlitzte. Beide Fahrzeuge überschlugen sich, stürzten den fünf Meter hohen Fahrbahndamm herunter in den Graben. Das Busdach im vorderen Teil zerdrückte fast alle Schüler, die hier sassen. Der Bus war gerade ein halbes Jahr alt, entsprach den neusten Sicherheitsbestimmungen. Doch auch der stählerne Überrollbügel, den alle modernen Reisebusse in den Ländern der Europäischen Union haben müssen, rettete die Schüler nicht. Erst im September 1999 kam ein spanischer Bus vollbesetzt mit Rentnern an der Costa Brava bei Regen ins Schleudern: 28 Reisende starben. Ein Jahr zuvor, 1998, kamen in Spanien 31 Personen bei vier Busunfällen um, genauso viel Tote gab es 1997 bei mehreren Busunglücken. 1996 verbrannten nahe der andalusischen Stadt Bailen 29 Menschen in einem Bus, der gegen einen Pkw geprallt war. 1992 starben gleich 46 Buspassagiere auf der Autobahn Barcelona-Valencia, als ihr Gefährt wegen überhöhter Geschwindigkeit in den Graben raste. Insgesamt zählte die Statistik in den letzten 20 Jahren mehr als 1000 Tote und 2500 Verletzte bei Busunfällen in Spanien. Immer wieder sind auch Touristen betroffen. Erst im April wurden 17 bayerische Urlauber in Andalusien verletzt, nachdem ihr Bus mit defekten Bremsen verunglückte. Im Juni verunglückte auf Menorca ein Bus mit britische Touristen.

Spaniens Straßen gehören zu den gefährlichsten Europas: 1999 starben 4280 Menschen im Verkehr. Auf eine Million Einwohner kamen im Jahr 1998 151 Verkehrstote. Nur Portugal (243), Griechenland (212) und Frankreich (152) schneiden schlechter ab. Der EU-Durchschnitt liegt bei 114 Verkehrstoten pro eine Million Einwohner. Allein auf Mallorca hat sich die Zahl der Verkehrsopfer in den letzten Jahren verdoppelt.

Unfallursache Nummer eins auf Spaniens Straßen ist der Alkohol. Untersuchungen zufolge wird die Promillegrenze von 0,5 Prozent in keinem anderen europäischen Land derart ignoriert wie in Spanien. Vor allem auch deshalb, weil spanische Autofahrer in der Vergangenheit praktisch keine Kontrollen fürchten mussten. Dies hat sich jedoch in diesem Jahr geändert. Die Polizei lässt nun nachts zur "Heimkehrerstunde" pusten. Promilleüberschreitungen werden mit Geldstrafen und Führerscheinentzug bestraft.

Ralph Schulze

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