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Spickmich-Prozess: Eine 4 für die Lehrerin

Der Bundesgerichtshof verhandelt über eine Klage gegen das Schülerportal „Spickmich“ im Internet.

Gerade noch ausreichend: Mit ihrer Durchschnittsnote von 4,3 steht eine Deutschlehrerin aus Nordrhein- Westfalen nicht besonders gut da – bei Spickmich.de, einem Schülerportal im Internet. Deshalb klagt sie nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und verlangt, dass alle Angaben zu ihrer Person gelöscht werden. Landgericht und Oberlandesgericht Köln hatten ihre Klage bereits 2007 abgewiesen. Am heutigen Dienstag nimmt der BGH den Fall auf, um die Rechtsprechung bezüglich des Persönlichkeitsschutzes im Internet zu vereinheitlichen. Dabei geht es um die Frage, ob in einem solchen Fall der Schutz der Persönlichkeit oder die freie Meinungsäußerung größeres Gewicht bekommt.

Spickmich ist eigentlich kein Forum zur Lehrerverunglimpfung. Die Nutzer können hier Fotos und Musik hochladen und mit Freunden chatten. Insofern unterscheidet sich die Seite wenig von dem ebenfalls beliebten Portal SchülerVZ. Auf Spickmich gibt es außerdem einen Flirtcheck, „Spickmich-Dollars“, mit denen man virtuelle Käufe tätigen kann, und Selbsttests für Fragen wie: „Bin ich sexy?“ Die eigene Schule kann nach Kriterien wie „Lehrerqualität“ und „Mitbestimmung“, aber auch nach Spaßkategorien wie etwa einem „Alk-Faktor“ bewertet werden. Lehrer werden grundsätzlich mit Unterrichtsfach und Namen genannt. Sie erhalten Noten von 1 bis 6 für „guten Unterricht“ und „faire Prüfungen“, aber auch für Kategorien wie „cool und witzig“ oder „beliebt“. Knapp 449 000 Lehrer haben nach Angaben der Betreiber bereits über 27 Millionen Bewertungen bekommen. Welcher Schüler welche Note vergeben hat, bleibt anonym. Darauf haben sich die Betreiber von Spickmich geeinigt, nachdem einigen Schülern in der Vergangenheit mit Schulverweis gedroht worden war. „Für die Anonymität würde ich kämpfen wie ein Löwe“, sagt Manuel Weisbrod, einer der Gründer von Spickmich. Er spricht von einer „Machtasymmetrie“ in der Schule zugunsten der Lehrer, außerdem gebe es an Schulen keine Rückmeldekultur. Das Ergebnis falle für die Lehrer auch gar nicht so schlecht aus: Angeblich haben sie im Durchschnitt eine 2,7. Ist Spickmich also nichts weiter als eine Schülerzeitung im Netz? Wäre bei Schließung dieser oder ähnlicher Portale die Meinungsfreiheit der Schüler in Gefahr?

Für die Bayerische Datenschutzbehörde ist der Sachverhalt eindeutig. Bei der Benotung von Lehrern im Internet sei das Persönlichkeitsrecht höher zu bewerten als das Recht auf Meinungsfreiheit, zitiert die Nachrichtenagentur AP die Behörde. Name und Beruf einer Person seien sensible Daten, und mit Meinungsäußerung habe der aktuelle Fall nicht viel zu tun: Notenvergabe im Internet sei „wohl nicht gerade ein Paradebeispiel“ dafür, „was sich unsere Verfassung unter der Ausübung von Meinungsfreiheit vorstellt“.

Doch nicht jede Bewertung kommt auch ins Netz. Um ungerechten Noten vorzubeugen, haben die Betreiber von Spickmich ein paar Kontrollen eingeführt: Erst nach zehn Bewertungen werde ein Durchschnitt errechnet, sagen sie. Auch Lehrerzitate, wie sie in allen Abizeitungen zu finden sind, würden vor der Freigabe geprüft.

Bisher hat Spickmich vor Gericht immer gewonnen, die Betreiber geben sich entsprechend gelassen. Übrigens hat auch eine ähnliche Seite für Studenten, Meinprof.de, alle Klagen und Bußgeldbescheide erfolgreich abwenden können. Die Meinungsfreiheit der Nutzer war den Gerichten letztlich wichtiger als der Datenschutz.

Cosima Stawenow

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