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Vor Gericht. Oscar Pistorius, angeklagt wegen Mordes an seiner Freundin.

© dpa

Staatsanwalt Gerrie Nel: Die Bulldogge jagt Oscar Pistorius

Gerrie Nel, der schärfste Ankläger Südafrikas, treibt den Angeklagten Oscar Pistorius immer weiter in die Enge. Gnadenlos prangert er ihn an. Aufschlussreiche Kurznachrichten der ermordeten Freundin kommen zur Sprache.

Es hat seinen Grund, dass Gerrie Nel in südafrikanischen Justizkreisen den Spitznamen „Die Bulldogge“ trägt. Vor ein paar Jahren hatte der Staatsanwalt am obersten Gericht von Pretoria den damaligen südafrikanischen Polizeichef Jackie Selebi neun Tage lang brutal ins Kreuzverhör genommen und damit entscheidend dazu beigetragen, dass Selebi am Ende wegen Korruption zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Ähnlich hart attackierte Nel in dieser Woche den Sportstar Oscar Pistorius, dem Nel den Mord an seiner Freundin Reeva Steenkamp zur Last legt. Während der beinamputierte Profisportler von einem Versehen spricht, weil er seine Freundin irrtümlich für einen Einbrecher gehalten habe, ist Nel davon überzeugt, dass es vor der Tat zu einem heftigen, lautstarken Streit der beiden kam und Pistorius mit Vorsatz handelte, als er das Model am Valentinstag des vergangenen Jahres mit vier Schüssen durch die Toilettentür tötete, hinter der sich Steenkamp mit zwei Mobiltelefonen befand.

Entschuldigung nur ein "öffentliches Spektakel"?

Am Freitag setzte Nel seine mit Beginn des Kreuzverhörs am Mittwoch eingeschlagene Linie fort. Dabei wiederholte er seine scharfen Angriffe vom Vortag, die die von Pistorius gegebene Version der Ereignisse in der Tatnacht erschüttern sollen. Bereits in den Vortagen hatte der Staatsanwalt dem Sportler wiederholt vorgeworfen, bei allem, was er täte, immer nur an sich zu denken. So suche er stets die Schuld bei anderen, übernehme keine Verantwortung für das eigene Handeln und zeige, wenn überhaupt einmal, allein aus egoistischen Motiven ein wenig Reue. Selbst seine Entschuldigung an die Mutter des Opfers sei wenig mehr als ein „öffentliches Spektakel“ gewesen.

Während Pistorius darüber trotz Schlaftabletten und Antidepressiva nicht schlafen könne und beim Aufwachen oft den Geruch des Bluts seiner erschossenen Freundin in der Nase habe, werde diese als eigenständige Person nur am Rande einmal erwähnt, etwa in der von Pistorius schluchzend verlesenen Entschuldigung zu Beginn seiner Aussage. Nel wies zudem darauf hin, dass der Sportler sich seit der Tat nicht ein einziges Mal persönlich bei der Familie des Opfers gemeldet habe. Pistorius hatte dies damit begründet, dass Worte dafür nicht gereicht hätten.

"Er ist gewohnt daran, ständig Bewunderer zu haben"

Einige Beobachter wie der klinische Psychologe Leonard Carr finden es merkwürdig, dass Pistorius nach der Tat nicht sofort auf die Eltern zugegangen sei, dafür in der Kautionsanhörung auf der Rückgabe seines Reisepasses beharrt habe. Ebenso merkwürdig sei, das Pistorius gleich nach der Tat aus Imagegründen ein – inzwischen wieder aufgelöstes – PR-Team aus England angeheuert habe. Während sein Verteidiger ihn im Gericht als einen empfindsamen Typen präsentiere, der an chronischem post-traumatischem Stress leide, sei Pistorius inzwischen mit einer 19-Jährigen liiert, wundert sich Carr. Steenkamps Mutter, die dem Kreuzverhör in dieser Woche mit steinerner Mine folgte, erklärte ihrerseits in einem Interview mit der britischen Boulevardzeitung „Daily Mirror“, dass die von Pistorius verlesene Entschuldigung sie nicht gerührt habe. Sie habe vorher gewusst, dass er seine Zeugenaussage mit dem Statement beginnen würde. „Er hat sich sehr dramatisch gegeben mit all dem Würgen und Weinen. Aber ich weiß nicht, ob er nur schauspielert“, sagte die Mutter des Opfers. „Er hat ein aggressives Wesen und ist gewöhnt daran, ständig Bewunderer um sich zu haben. Deshalb muss das hier vor Gericht jetzt alles ziemlich anders für ihn sein.“

Von Liebe war nie die Rede

Der Staatsanwalt hatte in den letzten Tagen verschiedene Kurznachrichten des Models an Pistorius verlesen, in denen sie sich „verängstigt“ über dessen Verhalten äußerte und über seine große Eifersucht klagte. Pistorius habe sie selbst vor Freunden immer wieder heruntergeputzt. „Alle fünf Sekunden höre ich von dir, wie viele Mädels du gehabt hast. Wenn ich aber nur EINE witzige Geschichte mit meinem langjährigen Freund erwähne, flippst du aus“, textete sie weniger als drei Wochen vor der Tat. Erstaunlich sind die Streitigkeiten für den Staatsanwalt anscheinend auch deshalb, weil sich das Paar zum Zeitpunkt der Tat kaum ein Vierteljahr kannte. Ebenso verblüfft zeigte sich der Staatsanwalt darüber, dass in den Kurz-Nachrichten von Liebe nie die Rede gewesen sei. „Ich hatte nie die Gelegenheit, Reeva zu sagen, dass ich sie liebe“, behauptete Pistorius daraufhin.

In Erklärungsnöte hatte Nel den Angeklagten auch mit der Schilderung einer Episode aus einem Restaurant in Pretoria gebracht. Dort soll Pistorius rund einen Monat vor der Tat beim Herumhantieren mit der Waffe eines Freundes einen Schuss ausgelöst haben, der in den Fußboden ging. Selbst auf wiederholte Nachfrage beharrte Pistorius am Donnerstag darauf, den Finger nicht selbst am Abzug gehabt zu haben, was nach Ansicht von Schusswaffenexperten unmöglich ist.

Für wenig glaubwürdig hielt der Staatsanwalt auch die Behauptung von Pistorius, wonach er in der Tatnacht gerade in dem Moment Ventilatoren vom Balkon vor dem Schlafzimmer nach innen geholt haben will, als Steenkamp vom Bett in die Toilette gegangen sei.

Die Bulldogge hat sich festgebissen. Nächste Woche geht es weiter.

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