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Staatskarossen: Medwedew befiehlt Comeback der "Bonzenschleuder"

Um die russische Autoindustrie steht es nicht zum Besten. Zumindest bei Luxuskarossen muss sich das ändern, fordert Präsident Medwedew - und alle müssen mitfahren.

Pechschwarz, kantig und extrem lang wie die Cadillacs der Luxusklasse, die sich vor allem bei den Chefs lateinamerikanischer Bananenrepubliken größter Beliebtheit erfreuten: So sahen die Staatskarossen der Sowjetunion aus. Auch im Osten Berlins waren sie häufiger zu sehen. Ältere DDR-Bürger werden sich noch gut daran erinnern können, wie die wuchtigen „Bonzenschleudern“ über die sogenannte Protokollstrecke bretterten.

Geht es nach Dmitri Medwedew, dem russischen Präsidenten, dann werden die Oldtimer jetzt wieder aus der Mottenkiste geholt. Wladimir Koschin, der Geschäftsführer des Präsidentenamtes in Moskau, erklärte kürzlich in einem Radiointerview, er habe vom Kremlherrscher den Auftrag erhalten, „detailliert die Möglichkeit des Ankaufs von Karossen der Marke Sil zu prüfen“.

Das Kürzel „Sil“ steht für die Moskauer Lichatschow-Werke, wo ab 1936 auf Anweisung Stalins neben Lastwagen auch Limousinen zu Repräsentationszwecken vom Band rollten. Nach 1945 orderten auch die Herrscher anderer Ostblockstaaten dort fleißig ihre Staatskarossen. Gestoppt wurde die Produktion erst Mitte der 90er Jahre, als Russlands damaliger Präsident Boris Jelzin und dessen Entourage den Charme der S-Klasse von Mercedes in gepanzerter Ausführung und weiterer westlicher Marken entdeckten.

1997 versuchte der damalige Vizepremier Boris Nemzow zwar, russische Beamte wieder in sowjetische Fabrikate zu zwingen – vor allem in Autos der Marke „Wolga“, die in Nemzows Heimatprovinz Nischni Nowgorod hergestellt wurden. Das Vorhaben stieß jedoch auf erbitterten Widerstand der Beamtenkaste und wurde daher schon nach ein paar Monaten stillschweigend beerdigt. Zumal Kreml und Regierung damals nicht mit gutem Beispiel vorangingen. Diesmal will Medwedew dagegen keine Ausnahmen zulassen. Sowohl er selbst als auch Premierminister Wladimir Putin sollen sich künftig wieder in heimischen Staatskarossen durch die Gegend kutschieren lassen. Sie sollen sich beim Design an der kantigen Sowjettradition, bei Technik und Innenausstattung aber an westlichen Spitzenleistungen orientieren.

Einfach dürfte das nicht werden. Hersteller „Sil“ stellt zurzeit nur Kleinlaster in geringen Mengen her und hält sich, obwohl zu 90 Prozent im Besitz des russischen Staates, vor allem mit Zuschüssen der Moskauer Stadtregierung über Wasser. Zwar betont ein Konzernsprecher, die Produktion von Staatskarossen könne bereits in wenigen Wochen erneut anlaufen, vorausgesetzt, der Staat finanziere Projektierung und Herstellung. Die russische Fachpresse ist dennoch extrem skeptisch. Qualifizierte Fachleute seien längst abgewandert, die Anlagen genauso veraltet wie Technologie und Projekte.

Das letzte Modell – der „Sil“ 41047 – wurde ab 1978 hergestellt und seit 1985 nicht mehr weiterentwickelt. Er ist ein Spritfresser, der schon leer über 3,5 Tonnen auf die Waage bringt. Für die Exportvariante waren bereits zu Sowjetzeiten 250 000 Dollar zu berappen, der Nachfolger soll mit einen Einführungspreis von rund 300 000 Dollar auf den internationalen Markt kommen. Denn ohne Export, so der „Sil“-Sprecher, rechne sich die Projektentwicklung nicht. Und der Nachholbedarf ist gewaltig. Die derzeit letzte Variante, die auf Anfrage nach wie vor produziert werden kann, würde außerhalb Russlands wohl durch den Tüv fallen: Der Motor hat noch immer einen Vergaser.

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