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Panorama: Stammzellen statt Tierversuche

Neuer Test soll Experimente überflüssig machen. Industrie spart 600 Millionen

Düsseldorf - Der TÜV Rheinland hat ein neues Testverfahren vorgestellt, das schon bald helfen könnte, Hunderttausende Tierversuche zu vermeiden. Mit Hilfe der Stammzellforschung ist es Forschern in Köln gelungen, ganz unterschiedliche Stoffe auf ihre Gefahren hin zu untersuchen; bisher war das nur in langwierigen Tierversuchen möglich.

„Das ganze ist zuverlässiger und kostet weniger als die Hälfte der Tierversuche, außerdem müssen die Tiere künftig nicht mehr leiden“, erklärte jetzt der Chef des TÜV Rheinland, Bruno Braun. Die Entwicklung ist vor allem mit Blick auf Anforderungen der EU an die chemische Industrie von Bedeutung: Die Kommission will demnächst in allen Betrieben rund 30000 schon jetzt verwendete Chemikalien auf ihre Gefährlichkeit hin untersuchen lassen. Mit Hilfe des neuen Verfahrens könnten aber auch viele Tierversuche in der Medizin- und der Pharmaforschung überflüssig werden.

„Die Menge an Tierversuchen würde enorm zunehmen“, prognostiziert Braun mit Blick auf den sogenannten REACH- Prozess. Die Europäische Union verlangt schon bald von allen Betrieben der chemischen Industrie in Europa zweifelsfreie Analysen der benutzten Chemikalien. Die Industrie hatte sich lange gegen entsprechende Pläne gewehrt und auf die Kosten von rund drei Milliarden Euro verwiesen; die EU blieb allerdings hart. Die Stammzellenforschung könnte jetzt einen Ausweg weisen. „Wir haben zu Beginn gerade eine Maus gebraucht“, erklärt dazu Heribert Bohlen, der Vorstand der Axiogenesis, der gemeinsam mit dem TÜV Rheinland das neue Verfahren entwickelt hat. Zelllinien sind dort so verändert worden, dass man sie für die entsprechenden Sicherheitstests benutzen kann. Die Stammzellen werden zu diesem Zweck mit den möglicherweise gefährlichen Stoffen zusammengebracht und schon nach drei Wochen kann man messen, ob es zu Beeinträchtigungen kommt. „Unsere Tests sind absolut objektiv“, erklären die Forscher – weil sie das jeweilige Ergebnis computergesteuert ermitteln. „Wir konnten damit sogar die schädliche Wirkung von Contergan nachweisen“, sagte Bohlen. Contergan hatte Ende der fünfziger Jahre zu einem der größten Arzneimittelskandale in Deutschland geführt; die negativen Wirkungen waren auch in Tierversuchen nicht aufgefallen.

Den Forschern wurden ihre Ergebnisse inzwischen vom Europäischen Validierungszentrum für Alternativmethoden in Mailand bestätigt, das ist die erste Vorstufe für die Markteinführung des Tests. Bis zum Jahresende wollen sie das Verfahren offiziell von der EU anerkennen lassen. Unabhängig davon bietet sich in der Pharmaforschung ein breites Einsatzspektrum für die Entwicklung. Auch der kosmetischen Industrie wäre geholfen, das 2009 anstehende Verbot von Tierversuchen einzuhalten.

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