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Panorama: Stolz auf „Enola Gay“

In den USA wurde der erste Atombomber rekonstruiert

Von Malte Lehming,

Washington

Sie funkelt, glitzert und strahlt. Der Rumpf, ihre Tragflächen, die vier Propeller und selbst die Reifen: Alles wurde auf Hochglanz poliert. Zehn Jahre lang hat die Renovierung gedauert, etwa 300000 Arbeitsstunden wurden investiert. Das Resultat – die vollständige Rekonstruktion einer Boeing B-29 – kann sich sehen lassen. Kann es das wirklich?

Von diesem Bomber aus wurde am 6. August 1945 um 8 Uhr 15 die erste Atombombe abgeworfen. Sie fiel auf die japanische Stadt Hiroshima. Ungefähr 140000 Menschen waren sofort tot, mehrere zehntausend starben an den Folgen der radioaktiven Verstrahlung.

Der Pilot taufte die Maschine auf den Namen seiner Mutter, „Enola Gay". Die Bombe hieß „Little Boy". Wenn Terrorismus die absichtliche Ermordung unschuldiger Menschen ist, war der Abwurf von „Little Boy", befehligt von US-Präsident Harry Truman, ein Akt des Staatsterrorismus. Die Befürworter der Aktion verweisen auf ihre angeblich guten Konsequenzen: Die Japaner seien zur sofortigen Kapitulation gezwungen worden, eine Landinvasion, die womöglich noch mehr Opfer gekostet hätte, sei überflüssig gemacht worden.

Jetzt soll die „Enola Gay" der Öffentlichkeit präsentiert werden. In einem neuen Luftfahrtmuseum, das zur honorigen „Smithsonian Institution" gehört, findet der Riesenbomber Platz. Eröffnet wird das „Udvar-Hazy-Center" am 15. Dezember. Es liegt in der Nähe von Washingtons internationalem Flughafen Dulles. Der Besucher wird unter der „Enola Gay" hindurchgehen können, die in knapp drei Meter Höhe über dem Boden schwebt. Die Öffnung, aus der die Bombe fiel, ist zum Greifen nahe. Auch andere Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg sind zu sehen.

Im Vordergrund steht die Technik. Um Politik und Moral geht es nicht. „Die Enola Gay ist historisch, technologisch und symbolisch von Bedeutung", sagt John Dailey, der Direktor des Nationalen Luft- und Raumfahrtmuseums. „Sie hat eine entscheidende Rolle bei der Beendigung des Zweiten Weltkrieges gespielt, sie war das größte und ausgereifteste Flugzeug ihrer Zeit, und sie hat das Atomzeitalter eingeläutet."

Zum 50. Jahrestag des Abwurfs der ersten Atombombe hatte das „Smithsonian" schon einmal eine „Enola Gay"-Ausstellung geplant. Doch damals hatte es scharfe Proteste amerikanischer Veteranen gegeben. Im Begleitmaterial würden die Japaner als Opfer dargestellt, monierten sie. Deshalb wurde diesmal auf jede Wertung verzichtet. „Wir sind stolz darauf, was uns mit dem Nachbau dieses Flugzeuges gelungen ist", sagt Dailey. „Wir zeigen es in all seiner Pracht als eine großartige technologische Leistung."

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