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Stromausfälle: "Es reicht langsam!"

Vier Tage in der Kälte und im Halbdunkeln, das nagt den tausenden immer noch vom Energienetz abgeschnittenen Menschen im Münsterland langsam an den Nerven.

Ochtrup/Horstmar - Auch die Helfer arbeiten mittlerweile am Limit und warten nach vier Tagen Dauereinsatz auf Ablösung. Zwar sorgen Notstromaggregate aus dem gesamten Bundesgebiet in vielen Häusern wieder für Licht und Heizung. Aber die Energie soll extrem sparsam verwendet werden, lautet der Appell - von Normalität also keine Spur.

Für Markus Cloeters kam es ganz dicke: Nach vier Tagen immer nur stundenweise stromversorgt, musste er Montagabend sein Haus im Horstmarer Ortsteil Leer verlassen - Evakuierung. Weil ein Strommast umzuknicken drohte, wurden im Umfeld der Hochspannungsleitung mehr als 250 Menschen aus ihren Wohnungen geholt. «So langsam haben wir genug», stöhnt der 41-Jährige und macht sich mit seinen sechs und sieben Jahre alten Söhnen auf zu einem alten Schulfreund.

Gerade noch hatte Cloeters einige Stunden Strom und konnte den Jungen zumindest mal ein Kotelett machen. Nun sind Teile von Leer wieder in Dunkelheit gehüllt und «der Campingkocher muss wieder her.» Schulfreund Ralf Nihus wohnt rund 20 Kilometer entfernt, hat mittlerweile wieder Strom und nimmt die Kleinfamilie aus Leer gern auf. «Grundsätzlich aber habe ich die Schnauze voll von diesem ewigen hin und her».

Ähnlich genervt ist auch ein junges Ehepaar mit Kleinkind aus dem zwischenzeitlich wieder vom Stromnetz genommenen Steinfurter Ortsteil Borghorst. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen suchen die drei Zuflucht für die Nacht in der Emsdettener Stadthalle. «Der Kleine braucht warmes Essen», sagt die junge Frau. Ihrem Freund - bepackt mit Windel-Paketen und Trockenmilch - macht vor allem die unklare Lage zu schaffen. «Ständig hört man Neues im Radio und immer ist alles wieder anders», klagt er.

Bei der Krisenhotline des Kreises Steinfurt laufen die Drähte seit Tagen heiß. «Es sind schon einige Tränen geflossen. Die Menschen sind mittlerweile einfach mit den Nerven zu Fuß», berichtet Mitarbeiterin Silke Wesselmann, die mit einer Kollegin das kaum still stehende Telefon betreut. «Wir sagen den Leuten, sie sollen einfach mal vor die Tür gehen, sich irgendwo aufwärmen, was Heißes trinken, um auf andere Gedanken zu kommen.» Zwar sei es in den meisten Wohnungen dank der Notstromversorgung nicht mehr kalt, «aber alle wollen wissen, wann der Strom wieder richtig läuft.»

Den Helfern von Rotem Kreuz, Technischem Hilfswerk und den zahllosen Feuerwehren geht es kaum anders. Auch sie sind erschöpft. Am Wochenende noch waren sie mit der Notversorgung rund um die Uhr beschäftigt. Nun müssen sie die Menschen aufmuntern und mit immer noch spärlich fließenden Informationen versorgen - alles weiter rund um die Uhr. In den Notquartieren rückt nach und nach die Ablösung an: Aus dem östlichen Münsterland kommen die Freiwilligen Feuerwehren, aus Münster rückt das DRK zum zweiten Mal an und auch aus anderen Bundesländern ist die Nachhut für die am Wochenende ins Münsterland beorderten Einheiten von THW und Feuerwehr im Anmarsch.

«Es reicht langsam!» ist ein Satz, den Pfarrer Albrecht Philipps nun immer häufiger hört. «Wer kleine Kinder hat, krank und allein ist, kommt mittlerweile schon an seine Grenzen», sagt der evangelische Kirchenmann aus Ochtrup. Stromausfall und Schneechaos haben aus seiner Sicht aber auch eine schöne Seite. «Das Zusammenrücken der Menschen ist schon eine einzigartige Erfahrung.» (Von Juliane Albrecht, dpa)

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