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Zehntausende standen ratlos auf den S-Bahnhöfen und warteten.

© dpa

Stromausfall in München: Ist die Energieversorgung in Deutschland wirklich sicher?

Es war der gravierendste Stromausfall in der bayrischen Landeshauptstadt seit 20 Jahren. Der Fall in München nährt Befürchtungen, dass die Energieversorgung in Deutschland wegen der Energiewende nicht sicher ist.

Ein Stromausfall in München hat Fragen nach der Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland aufgeworfen. Plötzlich geht nichts mehr. Die Lichter gehen aus, Aufzüge und U-Bahnen bleiben stehen. Die Ampeln funktionieren nicht mehr. Verkehrschaos bricht aus. Mitten im morgendlichen Berufsverkehr hat der gravierendste Stromausfall seit 20 Jahren den Münchnern gezeigt, was es heißt, wenn kein Strom aus der Steckdose kommt. Weite Teile der Innenstadt stehen still, als der Strom um Punkt sieben Uhr in halb München ausfällt.

Rund eine Stunde dauerte es, bis alle Stadtteile mit etwa 450 000 Bewohnern wieder am Netz waren. Nach Einschätzung von Thomas Schäfer, dem Technischen Leiter Verteilnetz von Vattenfall in Berlin, ist das ein „sehr angemessener Zeitraum“. Schon ein einstündiger Stromausfall verursacht in einem Privathaushalt Kosten von 15 bis 35 Euro, hat Aaron Praktiknjo von der Technischen Universität Berlin vor einem Jahr ausgerechnet. Da hatte er gemeinsam mit Professor Georg Erdmann abgeschätzt, welche volkswirtschaftlichen Kosten ein Stromausfall im zentralen Stellwerk der S-Bahn am 15. Dezember 2011 verursacht hatte. Die S-Bahn fuhr drei Stunden lang nicht mehr, und auch im Regional- und Fernverkehr standen die Züge eine Stunde still. Das hat die Volkswirtschaft rund 35 Millionen Euro gekostet, rechneten die beiden aus. Der Berliner Stromausfall betraf nur das S-Bahn-Stellwerk, und er ereignete sich abends. Die Münchner dagegen waren überwiegend auf dem Weg zur Arbeit, und die Stadt hat ungleich mehr Industriebetriebe und Unternehmen mit Strom zu versorgen als Berlin. Die Kosten dürften sich eher im dreistelligen Millionenbereich bewegen.

Der Geschäftsführer Versorgung und Technik der Stadtwerke München (SWM), Stephan Schwarz, sagte, die genaue Ursache für die Störung sei noch unklar. Offenbar liege der Fehler in den Leitungen, die vom Norden Münchens nach Moosburg im Landkreis Freising führten, erläuterte SWM-Leiter Netzbetrieb, Eduard Bauer. Möglicherweise habe es dort einen Kurzschluss gegeben.

Im Norden von München ist das SWM-Netz mit dem von Eon-Netz, dem Betreiber des Hochspannungsnetzes (110 Kilovolt) verbunden. Eon-Netz hat aber nach eigenen Angaben keine Störungen im Hochspannungsnetz entdecken können. Die Leitung, von der die Störung ausging, ist außer Betrieb. „Es ist das halbe Münchner Netz ausgefallen“, sagte Schwarz. Die technische Störung verursachte nach SWM-Angaben auch eine Explosion im Umspannwerk Bogenhausen und einem Lichtbogenüberschlag im Hauptumspannwerk Föhring. Der Schaden lässt sich noch nicht beziffern.

Der Vorfall nährt die Sorge, dass die Stromversorgung in Deutschland nicht sicher ist. Schwarz stellte klar, der Vorfall „hatte mit der Energiewende und der ganzen Diskussion um sichere Netze nichts zu tun“. Ein Bezug zur Energiewende sei „völlig verfehlt“. „Das, was heute passiert ist, hätte auch vor 20 Jahren passieren können.“ Nach Angaben der Bundesnetzagentur ist die Stromversorgung in Deutschland sehr zuverlässig. Der sogenannte Saidi-Wert, der die durchschnittliche Ausfalldauer beim Endverbraucher misst, lag 2011 bei 15,31 Minuten. Der Präsident der Netzagentur, Jochen Homann, sagte, Deutschland nehme im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz bei der Versorgungssicherheit ein. Auch der Energietechnik-Professor Albert Claudi von der Universität Kassel sagte, Deutschland gehöre im europäischen Vergleich zu den zuverlässigsten Ländern. Nichtsdestotrotz befürchtet er, dass sich die Deutschen auf eine Zunahme von Stromausfällen einstellen müssen. Grund sei etwa, dass nach der Liberalisierung der Energiemärkte vor knapp 15 Jahren die Investitionen in die Netze und die Aufwendungen für die Wartung reduziert worden seien.

Wer in München zum Zeitpunkt des Stromausfalls noch nicht aus dem Haus waren, frühstückte bei Kerzenschein. Schlimmer traf es diejenigen, die zwischen acht und neun Uhr in einem Zug der Linie U3 stadtauswärts waren. 45 Minuten lang mussten die Fahrgäste in der Bahn ausharren. Die Busse, als einziges öffentliches Verkehrsmittel nicht direkt vom Ausfall betroffen, waren hoffnungslos überfüllt. „Da steht schon seit einer Stunde, dass die Bahn in vier Minuten fährt“, sagte eine Pendlerin in einem Bahnhof.

Am Donnerstagabend traf es dann Frankfurt am Main. Dort fiel zwischen 18 und 18.27 Uhr die Straßenbeleuchtung aus. Ein Sprecher des Energiekonzern Mainova nannte als Grund, dass das die Lampen steuernde Signal ausgeblieben sei. Dieses komme derzeit von einem Dienstleister aus München. Und dort blieb ja in einigen Stadtteilen sogar für längere Zeit das Licht ganz aus. (mit dapd/dpa)

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