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Studie: Die Deutschen lieben ihre Sprache

Auch Dialekte werden gepflegt, aber nur in Dörfern und in Großstädten – Sächsisch gilt als unsympathisch.

87 Prozent aller Befragten einer deutschlandweiten, repräsentativen Umfrage gaben an, dass ihnen die deutsche Sprache gut bis sehr gut gefällt – 56 Prozent empfänden Stolz, 47 Prozent gar Liebe fürs Deutsche. „Die positive Grundhaltung hat mich am meisten überrascht“, sagte Professor Ludwig M. Eichinger vom Institut für Deutsche Sprache, das die Untersuchung zusammen mit dem Lehrstuhl Sozialpsychologie der Universität Mannheim in Auftrag gegeben und ausgewertet hat. Über 2000 Menschen wurden nach ihren Gefühlen gefragt, bewerteten Dialekte und fremdsprachige Akzente und machten Angaben zu ihrem Mediengebrauch.

Dabei stellte sich heraus, dass in Ost-Berlin mehr örtlicher Dialekt gesprochen wird als im Westteil der Stadt, was nach Ansicht von Eichinger eine Vielzahl von Gründen haben kann. „Zum einen gab es in West-Berlin schon immer eine größere Fluktuation, zum anderen herrschte in Ost-Berlin zu DDR-Zeiten eine antisächsische Haltung, die dazu führte, dass selbst Intellektuelle Dialekt gesprochen haben.“ 30 Prozent der Ost-Berliner berlinern immer oder oft, im Westteil sind es 15 Prozent. Auch wenn in Berlin noch Folgeerscheinungen der Trennung zu beobachten sind, lässt sich aber grundsätzlich feststellen: Deutschland ist sprachlich zusammengewachsen. Wurde bei einer Untersuchung aus den Jahren 1996/97 noch ein starker Unterschied zwischen Ost- und Westdeutsch empfunden, der sogenannte Broiler-Hähnchen-Unterschied (Eichinger), hat sich diese Trennungslinie in der Wahrnehmung verschoben und verläuft – wie lange vorher schon – wieder zwischen Nord und Süd, also zwischen den Großräumen Oberdeutsch – Bayerisch und Alemannisch – und Niederdeutsch, größtenteils überlagert von einer standardnahen Umgangssprache.

Der Deutsche liebt aber nicht nur seine Sprache, sondern steht auch ihren Dialekten sehr wohlwollend gegenüber. Und er spricht sie auch zu 60 Prozent, vorausgesetzt er kommt entweder aus einem kleinen Dorf oder aus einer großen Stadt, wo er dann die Stadtvarietäten praktiziert.

Vereinfacht lässt sich sagen, dass der Süddeutsche mehr Dialekt spricht als der Norddeutsche; dass umgekehrt aber das „Norddeutsche“ mit 24 Prozent als sympathischster Dialekt gilt, „obwohl niemand weiß, was norddeutscher Dialekt eigentlich sein soll“, sagt Eichinger. Das Bayerische ist 20 Prozent sympathisch, das Alemannische – das Schwäbische und das Badische – 13 Prozent.

Als „besonders unsympathisch“ empfinden 30 Prozent das Sächsische und 13 Prozent das Bayerische, die damit die Dialekte mit der größter Polarisierungswucht sind.

Alarmierend sei, so sagt die Sozialpsychologin Dagmar Stahlberg, dass „43 Prozent der deutschen Bevölkerung die Verständigung mit Zugewanderten als ,schwierig‘ bis ,sehr schwierig‘ empfinden“. 14 Prozent halten den russischen Akzent und 11 Prozent den türkischen Akzent für unsympathisch – in der Alterstufe der 18- bis 29-Jährigen schnellt der Wert sogar auf 27 Prozent hoch.

In einem anderen Punkt geben die Forscher Entwarnung. Auch wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Veränderung der deutschen Sprache durch den Einfluss des Englischen und der Medien mit gemischten Gefühlen gegenübersteht – eine Mehrheit von 58 Prozent spricht sich gegen ein Gesetz aus, das die „deutsche Sprache vor möglichen negativen Einflüssen schützen soll“.

Auch mit einem anderen seit Jahren durch die Medien geisternden Vorurteil räumt die Studie auf: Die zunehmende Nutzung des Internets führt nicht dazu, dass weniger Bücher oder Zeitungen gelesen werden.

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