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Studie: Die Illusion der Gleichzeitigkeit

Multitasking verschwendet Zeit, ist ineffektiv und schädigt das Denkvermögen - sagen Forscher.

Drei Dinge auf einmal zu tun ist in Mode: Der vorbildliche Mitarbeiter bereitet eine Präsentation vor, behält seine E-Mails im Auge und hat ständig eine Hand am Telefonhörer. Das gilt als effizient. Ist es aber nicht. Denn Multitasker erledigen zwar viele Aufgaben gleichzeitig. Dabei sind sie allerdings weder besonders schnell, noch gut.

Der Begriff Multitasking stammt ursprünglich aus der Informatik. Meyers Lexikon Online beschreibt Multitasking als „das quasi-gleichzeitige Abarbeiten mehrerer Aufgaben durch einen Computer. Dabei werden die Ressourcen des Prozessors von den einzelnen Tasks abwechselnd (jeweils für Sekundenbruchteile) in Anspruch genommen.“

Das menschliche Gehirn ist hingegen um 20 bis 40 Prozent weniger leistungsfähig, wenn es ständig zwischen mehreren Themen hin- und herspringen muss, wie David Meyer und Jeffrey Evans von der University of Michigan herausgefunden haben. Die Hirnforscher stellten ihren Probanden unterschiedlich vertraute Aufgaben. Je komplizierter die Aufgabenstellung war, umso mehr Zeit verloren die Versuchsteilnehmer beim Umschalten. Die Einstellung auf die aktuelle Aufgabe kostete jedes Mal Zehntelsekunden. Außerdem stieg die Fehlerquote, und die Reaktionsschnelligkeit und die Wahrnehmung sanken.

E-Mails auch mal liegen lassen

Die Ergebnisse der Hirnforscher machen das Multitasking zum Mythos: Können sich Angestellte nicht einmal zehn Minuten ohne Unterbrechung auf eine Aufgabe konzentrieren, dann benötigen sie für deren Erledigung bis zu 40 Prozent mehr Zeit. „Die Informationsverarbeitungskapazität des Menschen ist begrenzt“, bestätigt auch Iring Koch, Professor für Psychologie an der Technischen Hochschule in Aachen. Wenn Menschen mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen, kommt es zu kognitiven Engpässen. Das Gehirn ist überfordert: „Je mehr Entscheidungen man täglich treffen muss, desto schwieriger wird es, alle gleichzeitig im Gedächtnis zu behalten“, sagt Koch. Wer die ihm gestellten Aufgaben nacheinander erledigt, ist deshalb unterm Strich schneller – und besser. Arbeitgebern empfiehlt Iring Koch deshalb, eine klare Zielhierarchie vorzugeben. Arbeitnehmer sollten sich immer wieder fragen, welche Aufgabe gerade am wichtigsten ist: „Listen machen den Arbeitstag übersichtlicher, und E-Mails müssen sicherlich nicht jede Stunde gecheckt werden.“

Für besonders problematisch hält Koch das Multitasking im Straßenverkehr: „Das gleichzeitige Autofahren und Telefonieren kostet jährlich viele Menschenleben. Ein absolutes Telefonverbot am Steuer, sei es übers Handy oder die Freisprechanlage, ließe sich deshalb wissenschaftlich gut rechtfertigen.“ Wie aber geht der Mensch vernünftig um mit der Informationsflut, die über das Handy und Internet auf ihn einstürzt? Reinhard Oppermann, Professor am Fraunhofer-Institut in St. Augustin, rät zu einem strategischen Umgang: „Ich muss selektiv definieren, wann ich mich von einem Anruf unterbrechen lasse und wann nicht.“ Auch, um langfristig konzentriert und aufnahmefähig zu bleiben. Denn der Ehrgeiz, multitaskingfähig wie ein Computer zu sein, hat auch gesundheitliche Folgen: „Seit einigen Jahren sinken Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeit“, berichtet Oppermann. Typische Symptome für die Überforderung durch den Gleichzeitigkeitswahn sind Nervosität, Bluthochdruck und Schlafstörungen. Vor den Folgen des Multitasking warnt auch die AOK in ihrem Wellness-ABC. Wer viele Aufgaben gleichzeitig erledigt, müsse auf sich achten: denn manchmal bleibe die Überforderung unbewusst, und es könne sich das Gefühl von innerer Leere einstellen. Der Begriff Multitasking solle deshalb dort bleiben, wo er herkommt: in der Computerwelt.

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