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Traurige Inszenierung. Gut lachen haben auf dem Gruppenbild vor allem Präsident Jacob Zuma – der Nelson Mandela die Hand tätschelt – und Vizepräsident Cyril Ramaphosa (hinter Zuma). Bei den übrigen Personen im Haus des ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas handelt es sich um Personal.

© AFP

Südafrika: Mandelas gierige Erben

Um den großen Mann Südafrikas hat ein unwürdiges Gezerre begonnen – er selbst verfällt zunehmend.

Der Mann auf dem Sofa fühlt sich sichtbar unwohl. Ernst und ohne jede Regung starrt Nelson Mandela in die vor ihm aufgebauten Fernsehkameras, während um ihn herum ein paar hochrangige Mitglieder seines Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) miteinander um die Wette strahlen, darunter Präsident Jacob Zuma und sein Stellvertreter Cyril Ramaphosa. Zuma tätschelt dem gebrechlichen Mann, der sich nicht mehr wehren kann, die Hand. Trauriger Höhepunkt der medialen Vorführung des großen südafrikanischen Freiheitskämpfers ist der Moment, in dem ein Unbekannter aus dem Hintergrund vor Mandela tritt und mit dem Blitzlicht direkt in dessen Gesicht fotografiert. Sichtlich entnervt reibt sich der 94-Jährige daraufhin die müden Augen. Dabei ist seit Jahren bekannt, dass in der Nähe Mandelas kein Flash verwendet werden soll, weil das Blitzlicht seine angeschlagenen Augen extrem irritiert. Die grelle Sonne im Steinbruch auf der Sträflingsinsel Robben Island, wo Mandela viele Jahre einsaß, hat seine Tränendrüsen verbrannt – und die Augen sehr empfindlich gemacht.

Kein Wunder, dass sich schon wenige Minuten nach den Fernsehbildern im Internet ein Sturm der Entrüstung entlädt. Viele sehen in dem vom ANC, der südafrikanischen Regierungspartei, arrangierten Fototermin eine eklatante Verletzung der Privatsphäre Mandelas, der ganz offensichtlich nicht mehr versteht, was um ihn herum passiert. „Der ANC fordert von den Medien permanent, Mandelas Würde zu respektieren. Jetzt wissen wir, wie sie ihn selbst behandeln“, twitterte Patrick Conroy, Nachrichtenchef des privaten südafrikanischen Fernsehkanals eNCA . Wenn es wirklich das Ziel der früheren Widerstandsbewegung war, der Welt zu zeigen, wie sehr sich Mandela inzwischen von seiner jüngsten Lungenentzündung erholt hat, ist dieser Versuch gründlich misslungen. Seit Ende vergangenen Jahres gibt Mandelas Gesundheit immer wieder Anlass zur Besorgnis. Fest steht, dass sich sein lange Zeit ausgesprochen robuster Gesundheitszustand seitdem stark verschlechtert hat. Anfang Dezember wurde er, wie schon zwei Jahre zuvor, mit einer Lungenentzündung in ein Militärhospital der Hauptstadt Pretoria gebracht und blieb bis nach Weihnachten. Im Juli wird Mandela 95 Jahre alt und die Aussicht scheint gering, dass er sich von der jüngsten Lungenentzündung noch einmal vollständig erholt.

Die Südafrikaner selbst schenken den offiziellen medizinischen Verlautbarungen immer weniger Vertrauen – und fühlen sich durch die jüngsten Bilder in ihrem Misstrauen bestätigt. Die meisten haben längst gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen. Obwohl es kaum jemand offen anspricht, rechnen viele am Kap mit dem baldigen Tod des großen Versöhners, trotz gegenteiliger ANC-Aussagen.

Seit Jahren wird in den Medien über den körperlichen wie geistigen Verfall des Gründervaters des neuen Südafrika spekuliert, insbesondere seine zunehmende Altersdemenz. Sein langjähriger Anwalt George Bizos hat die Gerüchte nach seinem letzten Besuch bei Mandela bestätigt. Zwar verfolge der erste schwarze Präsident des Landes noch immer, was in der Welt passiere, doch habe er zunehmend Gedächtnislücken. So vergesse er manchmal den Tod früherer Weggefährten – und schaue Besucher verdutzt an, wenn diese ihn darauf hinweisen würden.

Die Medien der Welt, die Mandela längst zu einer Art Heiligen verklärt haben, sind auf den Tag X vorbereitet. Vor allem in Qunu, dem kleinen Dorf im Ostkap, wo Mandela seine Kindheit verbrachte und wo er nach eigenem Willen auch bestattet werden möchte, rüsten internationale Fernsehteams bereits für das „Ereignis“. Einige Sender haben vor den Rundhütten des Ortes große Stellflächen für Zelte und Übertragungswagen angemietet. Die wenigen Hotels und Privatunterkünfte in der Gegend können horrende Summen verlangen, weil es in der bitterarmen Gegend praktisch keine touristische Infrastruktur gibt. Viele Sender haben zuletzt zusätzliches Personal nach Südafrika geschafft, weil sie glauben, dass die Berichterstattung über Mandela weltweit alles in den Schatten stellen wird. An eine Übersättigung der Zuschauer mit tagelangen Liveschaltungen, wie sie viele Sender planen, glaubt niemand.

Zu den größten Nutznießern des internationalen Hypes dürfte Mandelas Enkel Mandla zählen. Der 38-Jährige wurde vor ein paar Jahren zum Häuptling für die Gegend um Qunu ernannt – und hat sich prompt zu Mandelas Nachlassverwalter aufgeschwungen. Angeblich soll Mandla dem staatlichen südafrikanischen Fernsehen, das die Mandela-Bilder in dieser Woche exklusiv ausstrahlte, bereits für 300 000 Euro die Rechte an der Beerdigung seines Großvaters verkauft haben. Allerdings wird dies vom Enkel heftig dementiert. Daneben soll Mandla illegal Land um Qunu erworben und verstorbene Mitglieder des Madiba-Clans einfach umgebettet haben.

Noch bevor der alte Mann gestorben ist, gibt es auch an einer anderen Front hässlichen Streit um sein Vermögen. Dabei stehen sich zwei seiner Töchter auf der einen Seite, sowie ehemalige Vertraute und Anwälte Mandelas auf der anderen Seite gegenüber. Der alte Mann selber kann in seiner Verfassung nichts mehr dagegen tun, ist aber vielleicht noch ab und zu so aufnahmefähig, dass er mitbekommt, wie mit seiner Hinterlassenschaft umgegangen wird. Mandelas Töchter, die 60-jährige Makaziwe und die 54-jährige Zenani werfen Mandelas ehemaligem Anwalt und langjährigem Freund George Bizos sowie Wohnungsbauminister Tokyo Sexwale und dem Juristen Bally Chuene vor, sich unrechtmäßig in den Verwaltungsrat der umgerechnet 1,3 Millionen Euro schweren Fonds ihres Vaters gedrängt zu haben. Die Männer sagen, Mandela habe sie persönlich berufen. Die Töchter wollen deshalb vor Gericht ziehen, was den unwürdigen Streit weiter in die Öffentlichkeit ziehen wird. Wer recht hat, ist nur schwer zu beurteilen. Offensichtlich ist, dass vor allem seine Familie ihren Vorteil sucht, was Empörung im Land hervorruft. Mandelas umstrittener Enkel und Häuptling Mandla zeigte sich „schockiert“ von der breiten Berichterstattung. „Das ist eine Familienangelegenheit, über die wir im Privaten sprechen müssen“, sagte er der Johannesburger „Times“.

Mandelas Töchter vermarkten den Namen ihres Vaters inzwischen mit Kleiderkollektionen und anderen Artikeln wie einem speziellen Wein. Sogar Mandelas Häftlingsnummer „46664“ wird als Label benutzt. Shirts mit dieser Nummer werden bereits in den großen Kaufhäusern angeboten.Kein Zweifel: Neben dem politischen hat auch der finanzielle Kampf um Mandelas Erbe längst begonnen.

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