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Kahler Glanz: Der Weihnachtsbaum in Rom wird verspottet.

© Andrea Principato/dpa

Tanne oder Tännchen?: Italien lacht über Roms Weihnachtsbaum

Klobürste, gerupftes Hühnchen, schäbig: Der Weihnachtsbaum in der Hauptstadt sorgt für Spott und Streit – wie bereits im vergangenen Jahr.

Emmanuele kurvt mit seinem Taxi um das Kapitol in Rom und kommt aus dem Schimpfen nicht heraus. „Dieser Baum ist traurig, genauso wie vergangenes Jahr“, sagt er. Er umkreist den zentralen Weihnachtsbaum der italienischen Hauptstadt – das wohl umstrittenste Exemplar des ganzen Landes. Schon das zweite Jahr in Folge diskutiert die Stadt über einen zu mageren Christbaum unweit des Rathauses. Dieses Jahr kam es noch schlimmer: „Mailand hat einen viel schöneren Baum“, sagt Emmanuele.

Eigentlich sollte dieses Mal alles gut gehen. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi hatte sich vergangenes Jahr so viel Spott und Häme für einen windschiefen Baum eingefangen, dass sogar nachträglich die Dekoration etwas aufgemotzt werden musste. Doch prompt nach der feierlichen Einweihung des diesjährigen, 21 Meter hohen Baums mit seinen 600 Kugeln und 3000 Lichtern hagelte es wieder Proteste.

Im Netz solidarisieren sich Italiener

Im Netz avancierte der Baum – genannt „Spelacchio“, also so viel wie „räudig“, „kahl“ oder „schäbig“ – zum Superstar. Manche erinnert er an eine Klobürste, andere an ein gerupftes Huhn. Er habe mehr Follower als Zweige, wurde gewitzelt. Selbst ein Twitter-Hashtag „#jesuisspelacchio“ (Ich bin Spelacchio) wurde ins Leben gerufen, um die arme Fichte zu verteidigen. Der Blog „Roma fa schifo“ (Rom ist abscheulich) rechnete vor, dass der Baum inklusive Transport und Auf- und Abbau dieses Jahr die Stadt fast 50.000 Euro gekostet habe – im Vergleich zu nur 15.000 im vergangenen Jahr. Nicht mal eine öffentliche Ausschreibung habe es gegeben, was symptomatisch für das Nichtfunktionieren der Hauptstadt sei.

Selbst für politische Zwecke diente „Spelacchio“. „Ich habe den traurigen Baum gesehen. Das nächste Jahr schenken wir ihnen einen Baum (...) und vielleicht machen wir auch noch eine Krippe dazu, wenn es niemanden beleidigt“, sagte Matteo Salvini, Chef der ausländerfeindlichen Partei Lega Nord, die seit ihrer Gründung die Überlegenheit des italienischen Nordens gegenüber dem Süden propagiert.

Für die politischen Gegner ist der Christbaum Symbol für eine dürftige Politik der Fünf-Sterne-Bewegung, der Bürgermeisterin Raggi angehört. Der gebürtige Mailänder Salvini konnte sich jedenfalls ins Fäustchen lachen, denn Mailand machte im Gegensatz zu Rom mit einem besonders prächtigen Baum Schlagzeilen. Unter großem Tamtam wurde der mehr als 30 Meter hohe Nadelbaum vor dem Dom eingeweiht. Dekoriert mit 100.000 Lichtern und 700 Kugeln. Gesponsert hat ihn allerdings der Sender Sky, der reichlich Werbung damit macht. Immerhin hat sich die Kommune so die Kosten gespart. Im Gegensatz zu Rom, das sowieso pleite ist und wo die Bürgermeisterin gegen Müllberge, Verkehrskollaps und den Vorwurf einer korrupten Verwaltung ankämpft.

"In Mailand funktioniert alles besser"

Die Konkurrenz zwischen der Polit- und Verwaltungsmetropole Rom und der Finanz- und Modestadt Mailand ist legendär. „Mailand hat Geld und daher einen schöneren Baum“, sagt Taxifahrer Emmanuele, „in Mailand funktioniert alles besser.“ Es schmerzt die Römer, dass sie die Stadt im Norden auf allen Ebenen abzuhängen scheint: wirtschaftlich, touristisch, und jetzt auch noch der Weihnachtsbaum! Immerhin steht auf dem Petersplatz für den Papst ein unumstrittener, dichter und prall geschmückter Tannenbaum – aber der zählt ja zum Vatikan.

Einen Weihnachtsbaum-Wettkampf kennt man aber auch in Deutschland. So wetteiferten vor drei Jahren Frankfurt und Dortmund um den größten Baum. Allerdings „mogelte“ Dortmund, weil dort ein 45 Meter hohes Konstrukt aus 1700 Bäumen aufgebaut wurde. Auch in diesem Jahr brüstet sich die Stadt mit dem „größten Weihnachtsbaum der Welt“. Generell sei das Phänomen in Deutschland aber nicht verbreitet, sagt Albert Ritter, Präsident beim Deutschen Schaustellerbund, der Weihnachtsmärkte organisiert. „Es gibt Dörfer, die haben größere Bäume als Großstädte. Einfach weil sie näher am Wald liegen.“ (dpa)

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