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Tanz ums Plagiat: Beyoncé kopiert belgische Choreografin

In ihrem Video zu ihrem neuen Song "Countdown" soll Sängerin Beyoncé Knowles von einer belgischen Choreographin abgekupfert haben. Die will nun rechtlich dagegen vorgehen - und löst damit eine neue Debatte über das Urheberrecht aus.

Auffordernd blickt Beyoncé Knowles den Zuschauer durch die Fensterscheibe an, schließt dann die Augen, fährt mit den Händen lasziv durch ihr langes, schwarzes Haar und lässt das graue T-Shirt kokett von ihrer rechten Schulter gleiten, während im Hintergrund drei andere Tänzerinnen ihre Hüften schwingen. Fans der US-Sängerin dürfte diese Szene aus ihrem neuen Video „Countdown“ gefallen – doch die belgische Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker ist empört. Sie wirft Knowles vor, die Tanzschritte geklaut zu haben. Der Clip enthalte „nahezu identische Fragmente“ aus ihren Stücken „Rosas danst Rosas" und „Achterland", die 1997 beziehungsweise 1990 verfilmt wurden, sagte de Keersmaeker, die als eine der derzeit besten Choreografinnen der Welt gilt, einem dänischen Blog. Der Clip sei „ein Plagiat“, ein Anwalt soll nun mögliche Rechtsmittel gegen die Sängerin prüfen.

Tatsächlich mutet die Szene aus Knowles Video fast identisch mit dem Original an. Auch hier steht eine Frau vor einer Fensterscheibe, fährt sich mit beiden Händen durchs offene, lange Haar, lässt ein graues T-Shirt von der rechten Schulter rutschen, während im Hintergrund vier andere Tänzerinnen zu sehen sind. Auch der Ort, eine leere Industriehalle, sieht bei Knowles fast gleich aus. Neben dieser Fensterszene gibt es weitere Sequenzen, in denen sich Knowles und de Keersmaeker Videos stark ähneln.

Knowles Plattenfirma habe sie nicht um Erlaubnis gebeten, die Schritte benutzen zu dürfen, sagt de Keersmaeker, die Direktorin der Tanzcompagnie „Rosas" ist, die erst vergangene Woche im Berliner Hebbel-Theater zu sehen war.

Beyoncés Kopie und die Kritik der belgischen Choreografin provozieren eine völlig neue Debatte um das Urheberrecht. „Es gibt kein Copyright für Über-den-Boden-Rollen, wie es in ,Achterland’ und im ,Countdown’-Clip zu sehen ist. Denn dabei - wie beim Schulterentblößen und Haare-aus-dem-Gesicht-Streichen – handelt es sich um im zeitgenössischen Tanz etwa so gebräuchliche Phrase wie das Gehen, Laufen, Hüpfen, Drehen und laut Atmen“, schreibt Tanzkritikerin Wiebke Hüster in ihrem Blog für die „FAZ“. Selbst Sequenzen aus „Rosas danst Rosas" könnten in älteren Choreografien von Pina Bausch oder Reinhild Hoffmann entdeckt werden. Die Tanzexperten Madeline Ritter und Ingo Diehl sehen das jedoch völlig anders. „Beyoncé Knowles hat deutlich eine Grenze überschritten, denn in ihrem Video werden nicht nur einzelne Schritte, sondern ganze Passagen kopiert. Sogar die Kostüme sind in einigen Szenen identisch mit denen bei de Keersmaeker“.

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Zwar gebe es im Tanz ein Urheberrecht, doch während beispielsweise im Bereich Musik genau festgelegt sei, ab wie vielen Takten es sich um eine Kopie handelt, sei dies beim Tanz schwer zu definieren. Und nur selten würde das Urheberrecht im Tanz vertreten, „denn hier gibt es nicht so viel Geld zu holen wie in der Musik“, sagt Ritter. Doch selbst wenn ein Choreograf einen anderen zitieren wolle, sei das schwer kenntlich zu machen, sagt Rolf Bolwin, Vorsitzender des Rats für darstellende Kunst und Tanz: „Man kann schlecht während des Stücks darauf hinweisen, dass jetzt eine Passage von einem anderen Künstler kommt. Ein Hinweis im Programmheft oder im Fall von Beyoncé, am Ende des Videos, ist deshalb nur fair.“

Ritter und Diehl, die mit dem „Tanzfonds Erbe“ für die Kulturstiftung des Bundes derzeit einen „zeitgemäßen und fairen“ Umgang mit dem Urheberrecht im Tanz entwickeln, sind der Ansicht, dass Knowles de Keersmaeker hätte informieren und ihr ein Entgelt für die Nutzung hätte zahlen müssen – zumal Knowles inzwischen selbst zugibt, sich von de Keersmaekers Videos „inspiriert“ haben zu lassen, wie die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch berichtete. Die „Rosas“-Tänze seien aber nur einer von verschiedenen Einflüssen auf das „Countdown“-Video gewesen, sagte Knowles. Sie habe sich vor allem von den 60er und 70er Jahren anregen lassen, von Brigitte Bardot, Andy Warhol, Twiggy und Diana Ross. Der Clip sei bereits von mehr als zwei Millionen Menschen angesehen worden und deshalb letztlich auch Werbung für die belgische Choreografin, fügte der R&B-Star hinzu.

Allerdings dürften nur die wenigsten ihrer Fans de Keersmaeker kennen, geschweige denn wissen, dass Knowles gerade eine Passage aus ihrem Werk zeigt. „Vielmehr macht es den Eindruck, als sei die Choreografie das künstlerische Werk von Beyoncé Knowles“, sagt Ritter. Dieser falsche Eindruck müsse korrigiert werden. „Beyoncé würde es andersherum sicher auch nicht lustig finden, wenn jemand ihre Lieder klaut und behauptet, damit auch noch Werbung für sie zu machen.“

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