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Panorama: Tausende Liter Wasser für einen Liter Milch

Von Andrea Nüsse, Riad Die Sonne brennt, die Luft flimmert, und das Thermometer zeigt 40 Grad Celsius im Schatten. Der harte Boden ist staubig, weit und breit ist kein Grashalm zu sehen.

Von Andrea Nüsse, Riad

Die Sonne brennt, die Luft flimmert, und das Thermometer zeigt 40 Grad Celsius im Schatten. Der harte Boden ist staubig, weit und breit ist kein Grashalm zu sehen. Doch den Holsteinischen Friesenkühen (Rasse: Holstein Frisian) scheint es in der saudischen Wüste gut zu gehen. Unter Wellblechdächern und Sonnensegeln aus Stoff drängen sie sich im Schatten. Eine Klimaanlage, die kühles Wasser versprüht, senkt die Temperaturen für die Kühe europäischen Ursprungs auf erträgliche 26 Grad.

Die etwa 13 000 Milchkühe der Al-Safi-Molkereifarm, etwa 100 Kilometer südöstlich der saudischen Hauptstadt Riad gelegen, geben unter diesen Bedingungen genauso viel Milch wie auf den grünen Wiesen Nordeuropas, erklärt der Referent für Öffentlichkeitsarbeit, Amro Nabih Ateia. Vor der Erfindung der Kühlanlage fraßen die Kühe wegen der Hitze nur wenig und gaben statt 35 Litern nur etwa 18 Liter Milch pro Tag. Doch die Saudis haben es nicht nur geschafft, europäische Milchkühe in der Wüste anzusiedeln, sie sind mit der al-Safi-Farm 1998 auch im Guinness-Buch der Rekorde gelandet: als größte Molkereifarm der Welt. 1300 Menschen arbeiten auf dem 34 Quadratkilometer großen Gelände der Farm. In 14 modernen Melkanlagen können bis zu tausend Tiere gleichzeitig gemolken werden.

Doch das Vorzeigeprojekt kann noch auf andere, zweifelhafte Rekorde verweisen. Erst will Amro Nabih Ateia nicht mit der Sprache rausrücken, doch dann gesteht er: „Zur Herstellung eines Liters Milch verbrauchen wir 3500 Liter Wasser.“ Darin sind die 150 Liter Wasser eingerechnet, welche die Kuh täglich trinkt, das Wasser für die Säuberung der Ställe und Melkanlagen, vor allem aber das Wasser, das zum Anbau des saftigen Futtergrases auf dem sandigen Wüstenboden benötigt wird. Und dies alles in einem Land, das praktisch keine erneuerbaren Wasservorräte besitzt.

So werden die Brunnen auf der Farm mittlerweile bereits bis zu 2000 Meter tief in die Erde gebohrt, um Reste fossilen Wassers heraufzupumpen. Der Gras-Anbau auf einer Fläche von 67 Quadratkilometern wurde bereits in ein etwa 200 Kilometer entferntes Gebiet verlegt, wo noch mehr Wasservorräte unter der Erdoberfläche lagern. Es wird auch darüber nachgedacht, entsalztes Wasser aus dem 360 Kilometer entfernten Dammam heranzuschaffen – angesichts der niedrigen Energiepreise und Löhne lohnt sich der Aufwand. 20 Jahre noch kann sich Saudi-Arabien den Luxus der Milch- und Joghurtproduktion an diesem Ort leisten, schätzt Amro Nabih Ateia. Dann gibt es kein Wasser mehr.

Nach Ansicht von Hassan al-Ayedh dürfte es den Gras- und Weizenanbau sowie die Kuhfarm schon längst nicht mehr geben. Der stellvertretende Leiter des Forschungszentrums für Bodenschätze und Umwelt innerhalb der König-Abdulaziz-City für Wissenschaft und Technologie in Riad kritisiert den „Missbrauch“ der kargen Wasserressourcen für unsinnige landwirtschaftliche Projekte. Seine Abteilung konzentriert sich auf die Erforschung von Pflanzen, die beispielsweise Salzwasser vertragen, etwa bestimmte Salatsorten. „Bald wird es bei uns einen Kampf ums Wasser geben,“ sagt der saudische Wissenschaftler. Aber die Politik habe erst vor etwa zehn Jahren begonnen, sich für die Wasserprobleme zu interessieren. Daraufhin wurden das Wasser- und das Landwirtschaftsministerium getrennt, weil ihre Interessen beim Wasserverbrauch diametral gegenläufig sind. Auch der Weizenanbau im Nordwesten Saudi-Arabiens wurde eingeschränkt. „Aber der Einfluss der Wissenschaftler ist beschränkt“, bedauert Hassan al-Ayedh.

Bei der Gründung der Al-Safi-Milchfarm 1979 hat offensichtlich niemand Bedenken gegen den hohen Wasserverbrauch geltend gemacht. In dieser Zeit schien man in Saudi-Arabien noch zu glauben, dank der Petro-Dollars sei alles machbar und man könne sogar die Natur überlisten. Mittlerweile spielt der Umweltschutz in Saudi-Arabien durchaus eine Rolle, beispielsweise bei der geplanten Öffnung des Landes für den Tourismus. Auf Vorschlag der beratenden Shura-Versammlung hat die Regierung das erste Umweltgesetz des Königreiches erlassen. Doch die Al-Safi-Milchfarm ist davon nicht betroffen. Hier werden bei entsprechendem Wasserverbrauch täglich weiter 430 000 Liter Milch hergestellt. Die Milch kostet den Käufer genauso viel wie importierte Milch. Der Vorteil der eigenen Produktion liege jedoch darin, dass die Bevölkerung gleichmäßig versorgt wird, erklärt der PR-Mann Amro Nabih Ateia. Die importierten Produkte seien früher nur unregelmäßig in den Regalen der Geschäfte zu finden gewesen.

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