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Panorama: Tessin gedenkt Opfer der Bluttat

Wachsende Kritik an TV-Auftritt der 15-jährigen Geisel zweier Gymnasiasten

Rund eine Woche ist die Bluttat von Tessin her, bei der zwei 17 Jahre alte Gymnasiasten die Eltern eines Bekannten brutal umbrachten. Noch immer herrscht in der Region Fassungslosigkeit. Das wurde bei einem Gedenkgottesdienst deutlich, zu dem am Wochenende mehr als 250 Menschen in die Kirche im Nachbarort Zahrendorf kamen. Im Altarraum leuchtete ein Meer von Kerzen und Blumen, vor allem rote und rosa Rosen. „Der Friede in unseren Dörfern ist zerstört, wir sind verstört“, sagte Pastorin Andree Möhl. Es war das erste Mal, dass Betroffene, Angehörige und Nachbarn ungestört – ohne Kameras – zusammenkamen. Die Polizei schirmte die Teilnehmer ab. Unter ihnen war Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD).

Unterdessen wächst die Kritik am TV-Auftritt der 15-jährigen Eyleen, die nach der grausigen Tat der beiden Jungen eine Stunde lang als Geisel gefangen gehalten worden war. Eyleen wollte Gerüchten entgegentreten, die über sie im Umlauf waren, darum habe sie vier Tage nach der Bluttat bei Günther Jauch in der RTL-Sendung „Stern-TV“ reden wollen, rechtfertigte der Vater des Mädchens, Rico Timm, den öffentlichen Auftritt seiner Tochter gegenüber der „Schweriner Volkszeitung“. Über eine Stunde war Eyleen im von der Polizei umstellten Fluchtwagen Geisel der Gymnasiasten gewesen, die kurz zuvor zwei Nachbarn mit zahlreichen Messerstichen getötet hatten.

Eines dieser Gerüchte war, sie sei mit den beiden mutmaßlichen Tätern oder aber mit dem Sohn des getöteten Ehepaares enger befreundet gewesen. Ein anderes besagte, es seien Alkohol oder Drogen im Spiel gewesen. Und unausgesprochen hing der Vorwurf in der Luft, Eyleen habe irgendetwas mit dem Überfall zu tun.

Es habe vor der Tat nichts im Verhalten von Felix und Torben bemerkt, was auf die Tat hingedeutet habe, sagte das Mädchen. Als die beiden es kurz vor dem Überfall fesselten, knebelten und in einem Schuppen zurückließen, dachte es noch an einen Spaß.

Den Nebel um die Motive und Hintergründe hat Eyleen kaum gelichtet. Aber sie erntete – wie vor kurzem auch die jahrelang verschleppte Österreicherin Natascha Kampusch oder die entführte und misshandelte Stephanie aus Dresden – viel Kritik für ihren Auftritt.

Mecklenburg-Vorpommerns Polizeiseelsorger Andreas Schorlemmer sagte: „Wir können die Suche nach dem Wie und Warum nicht Jugendlichen aufbürden.“ Er bezweifelt, dass der Auftritt Eyleen helfe, die Tat zu verarbeiten. Der Kinderschutzbund fand das Interview „maßlos verfrüht“, der Greifswalder Kriminologe Frieder Dünkel bezeichnete es als eine „merkwürdige Inszenierung“.

Eyleens Schilderung der Tat regte manchen Experten unterdessen zu neuen Fernanalysen an. Für Dünkel vermittelte es den Eindruck, dass die Tat aus heiterem Himmel geschehen sei. Möglicherweise habe Imponiergehabe eine Rolle gespielt. Der Greifswalder Psychologieprofessor Manfred Bornewasser mutmaßte, es sei möglicherweise um eine Mutprobe gegangen. Felix und Torben hatten nach dem Überfall auf das Ehepaar E. Eyleen aus dem Schuppen ins Haus geholt. „Glaubst du uns jetzt, der Mann da ist tot“, fragten sie das Mädchen. Vorher schon hatten sie erwähnt, „dass ich ihnen zu ruhig wäre“, sich auch durch die Fesselung nicht schockieren ließ.

Der Kriminologe Lorenz Böllinger hatte bereits zuvor bestritten, dass die von den Jungen genutzten Computerspiele für die Bluttat verantwortlich zu machen sind. In den Jungen müsse es „ein explosives Gemisch“ gegeben haben, „etwas, das sich lange schleichend entwickelt hat“. Möglicherweise hätten die beiden nicht ausreichend gelernt, sich in andere einzufühlen.

Keine Bestätigung lieferte Eyleen für die These des Kriminologen Christian Pfeiffer, der spekuliert hatte, dass ein Streit zwischen dem Sohn der Opfer und einem der Täter Auslöser der Tat war. Florian hatte sich im Wohnzimmer verbarrikadiert und die Polizei alarmiert. Als er den Tätern verriet, wo der Autoschlüssel hing, gaben sie es offenbar auf, an den Jungen heranzukommen. Pfeiffers Spekulation hatte den ermittelnden Kriminalisten Karl-Heinz Schuchhardt auf die Palme gebracht. Ohne nähere Anhaltspunkte zu haben, würde Pfeiffer indirekt den Sohn am Tod der Eltern für mitschuldig erklären.

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