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Maddie Titanic

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''Titanic''-Parodie: "Kranke Witze über Maddie"

Britische Medien attackieren das deutsche Satiremagazin "Titanic", das sich auf einer Doppelseite über die Madeleine-Hysterie lustig macht. Die McCanns denken nun über gerichtliche Schritte gegen die Zeitschrift nach.

Von Markus Hesselmann

Ihr Humor ist den Briten heilig. Satire darf im Vereinigten Königreich traditionell so ziemlich alles. Aber das hier nicht! Eine Satire auf den Fall Madeleine McCann, das geht zu weit, da waren sich britische Boulevard- und Massenblätter gestern einig. Und dann kommt diese satirische Attacke auch noch aus dem aus britischer Sicht notorisch humorlosen Deutschland. "Deutsches Magazin macht kranke Witze über Maddie", schrieb die "Sun" in Blockbuchstaben. "Verzweifelt schlechter Geschmack", urteilt die "Daily Mail".

Auf zwei Seiten, die gestern auch beim britischen Fernsehsender "Sky" gezeigt wurden, druckt das deutsche Satiremagazin "Titanic" die Parodie einer Supermarkt-Anzeige, die für verschiedene Produkte mit dem Bild und dem Namen des verschwundenen Mädchens Madeleine wirbt. Zum Beispiel einen Haushaltsreiniger, der "alle Spuren verwischt" und dem "DNA-Test keine Chance" gibt - eine Anspielung auf den Verdacht, der nach Untersuchungen der portugiesischen Polizei auf die Eltern selbst fiel. Oder Kinderschokolade, "1 Cent pro Tafel geht an Interpol". "England ist ein Land mit langer Satire- Tradition. Jetzt sind die großen Satireblätter 'Sun' und 'Daily Mail' verunsichert, weil wir ihnen einen guten Witz weggenommen haben", sagt "Titanic"- Mitarbeiter Martin Sonneborn, der für die Anzeigen-Parodie verantwortlich ist.

Kate und Gerry McCann, deren kleine Tochter am 3. Mai im portugiesischen Ferienort Praia da Luz verschwand, denken derweil über rechtliche Schritte gegen "Titanic" nach. Ihrem Sprecher zufolge schauten sich ihre Anwälte die Satire genau an und entschieden dann über das weitere Vorgehen. Das Bild des Mädchens sei jedenfalls ohne Einwilligung der Eltern verwendet worden. Offen wollten die McCanns zunächst lassen, ob sie im Falle einer Klage vor deutsche oder britische Gerichte ziehen wollten. Auch in Großbritannien wurde die satirische Anzeige gestern mehrfach nachgedruckt und auf Internetseiten veröffentlicht - samt hilfreicher englischer Übersetzungen.

Medienrechtlerin: Klage hat wenig Chacen

Die Londoner Medienrechtlerin Ursula Smartt gibt den McCanns bei einer Klage in Großbritannien wenig Chancen. Dies sei ein klassischer Fall der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Schutz der Privatsphäre. Privatsphäre geltend zu machen sei schwierig in Fällen wie dem der McCanns, die sich mit ihrer groß angelegten internationalen Kampagne bewusst an die Öffentlichkeit wendeten. Auf Rufmord zu klagen sei eine Möglichkeit. "Das kostet aber sehr viel Geld", sagt Ursula Smartt. Der Gang zu selbstregulierenden Organisationen wie der britischen Press Complaints Commission oder dem deutschen Presserat stünde den McCanns aber selbstverständlich frei.

Martin Sonneborn ist auch für den Fall einer Klage in Deutschland zuversichtlich. "Unsere Starjuristin hat alles genau überprüft", sagt der "Titanic"-Mann. Das verwendete Bild komme von einer Nachrichtenagentur und sei frei verwendbar. Sonneborns Kollegen von der "Titanic" werden derweil in der britischen Presse mit Rechtfertigungen für die McCann-Satire zitiert. Die deutschen Satiriker reagieren dabei ähnlich wie britische Komiker, die wegen Witzen über die McCanns kritisiert worden waren: Die Satire richte sich nicht gegen Madeleine, sondern gegen den Medienwirbel um das verschwundene Mädchen.

Gestern setzte sich dieser Wirbel im britischen Fernsehen fort: Zum Ende ihres Frühstücksprogramms kündigte die BBC noch einmal "Breaking News" an: Gerry McCann arbeitet wieder. Den ganzen Tag über waren dann auf allen Kanälen Bilder vom Krankenhaus in Leicester zu sehen, in dem der Arzt nach einem halben Jahr Auszeit nun wieder seinen Dienst angetreten hat.

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