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Panorama: Tod eines Bischofs in Kenia: Der Mord am Anwalt der Armen

Das stattliche Bischofshaus von Ngong liegt abseits der Stadt, den letzten Kilometer zum Bischofssitz muss man auf einer holprigen Piste zurücklegen. In Kenia gilt es als ungeschriebenes Gesetz, dass in Gebieten der Opposition die Straßen vernachlässigt werden.

Das stattliche Bischofshaus von Ngong liegt abseits der Stadt, den letzten Kilometer zum Bischofssitz muss man auf einer holprigen Piste zurücklegen. In Kenia gilt es als ungeschriebenes Gesetz, dass in Gebieten der Opposition die Straßen vernachlässigt werden. Und die katholische Kirche ist seit langem auf Gegenkurs zum korrupten System von Kenias Präsident Arap Moi. Im Bischofshaus von Ngong hat der ermordete Missionar und gebürtige Amerikaner John Anthony Kaiser gewohnt.

Pater Francis Mwangi, der Kaiser als Letzter gesehen hat, erzählt, wie unruhig und besorgt Kaiser am vergangenen Mittwoch war, wie er durch sein Zimmer schritt, seine Bettwäsche einpackte und abends mit seinem Pick-up fortfuhr, ohne zu sagen, wohin. Am nächsten Tag war er tot.

Mwangi wirkt müde. Erst hat ihn die lokale Presse befragt, dann die kenianische Polizei, dann die drei Agenten des FBI, die zur Aufklärung des Mordes an Kaiser nach Nairobi geflogen sind. Doch plötzlich springt er von seinem Sessel auf: "Kaiser war ein Anwalt der Armen. Die Leute liebten ihn, sie verehrten ihn wie einen Propheten." Nie werde er den September 1994 vergessen, sagt Mwangi. Jahrelang gab es blutige Unruhen im Rift-Valley, Tausende von Menschen, meist Kikuyu, wurden umgebracht. Die Kanu-Regierung wurde verdächtigt, die Übergriffe von Mois eigenem Kalenjin-Stamm auf die Land suchenden Kikuyu zu schüren. Am 24. September brannten Polizisten und junge Kanu-Aktivisten ein Vertriebenencamp nieder. "Vater Kaiser stellte sich schützend vor die Plastikhütten", erzählt Mwangi. "Der hatte keine Furcht." Schließlich brachte Kaiser Frauen und Kinder in einer Kirche unter, "denn die kann niemand niederbrennen". Der Missionar wurde unter Hausarrest gestellt, aber später gab er unerschrocken vor einer Untersuchungskommission zu Protokoll, dass "alle Mächtigen in der Regierung am Landraub im Rift Valley beteiligt waren".

Zuletzt brachte der Missionar den Fall der 17-jährigen Florence Mpayei an die Öffentlichkeit, eine Cousine von Staatsminister Julius Sunkuli. Sie behauptet, sie sei als Minderjährige von Sunkuli auf dem Teppich seines Büros vergewaltigt worden, ihre Fotos fanden sich in allen Gazetten Nairobis. Gestern zog Mpayei ihre Klage überraschend zurück, und nun fragt man sich, ob das etwas mit dem Mord an dem Bischof zu tun hat.

Kaiser wurde am Donnerstagmorgen neben seinem Wagen liegend auf einem Feldweg gefunden. Seine Mörder hatten ihm mit einem Mark-V-Gewehr, wie es die kenianische Polizei und die Wildhüter benutzen, ins linke Ohr geschossen, die Wucht des Geschosses hatte ihn enthauptet. In Kaisers Hemdtasche steckte eine Patrone, doch die Polizei geht davon aus, dass der Täter einen Selbstmord vortäuschen wollte.

"Die Verantwortlichen dieses abscheulichen Verbrechens werden vor Gericht gebracht", hat Präsident Arap Moi angekündigt. Bei der Trauerfeier für Kaiser in der Basilika in Nairobi standen für viele die Schuldigen schon fest. "Der Mörder von Kaiser heißt Sunkuli", sangen Studenten vor der überfüllten Kirche auf Suaheli. Erzbischof Giovanni Tonucci, Vertreter des Papstes in Kenia, warnte: "Wenn dieser Mord eine Botschaft an die Kirche sein sollte, dann kann ich Ihnen versichern: Die Kirche wird nicht schweigen, wenn das Gesetz Gottes und die geheiligten Menschenrechte verletzt werden."

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