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Rapper leben im Iran gefährlich. Auch Shahin Najafi gab in seiner Heimat Konzerte nur im Untergrund.

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Todesdekret aus dem Iran: Rapper in Deutschland bedroht

Weil er genug hatte von Verboten in seiner Heimat Iran wanderte Shahin Najafi vor Jahren nach Deutschland aus. Plötzlich aber holt den Musiker das ein, wovor er weglief: Ein Ajatollah soll aufgerufen haben, ihn zu töten. Najafi taucht ab.

Verbote, so etwas kannte Shahin Najafi schon. Auflagen, Kontrollen, all das. In seiner Heimat Iran war es gefährlich. Zu gefährlich schließlich, da wanderte er nach Deutschland aus. Seit 2005 lebt der iranische Rapper und Aktivist Shahin Najafi hier im Land – nun haben ihn die Verbote der schiitischen Geistlichen seiner Heimat wohl eingeholt.

Weil Najafi in seiner neusten Single „Naqi“ ein fiktives und ironisches Gespräch mit einem vor tausend Jahren verstorbenen islamischen Heiligen führt, ihn bittet, zur Erde zurückzukehren und Missstände im heutigen Iran zu beseitigen, fühlten sich Gläubige beleidigt. Sie beschuldigen den 31-Jährigen der Apostasie, des Abfallens vom Glauben, was im Iran mit dem Tod bestraft wird. Wie der persische Dienst des Nachrichtensenders Al Arabiya berichtete, hat der in der heiligen Stadt Qom lebende Ajatollah Safi Golpayegani daraufhin offenbar einen Aufruf zum Mord an Najafi ausgesprochen. Männer wie Golpayegani werden von Schiiten gefragt, wenn sie bei der Auslegung von Glaubensregeln unsicher sind. Ihrem Wort müssen sie folgen, wobei die Gläubigen ihren persönlichen Ajatollah auch wechseln können.

Hierzulande aber sind sich Experten nicht einig, wie die Aussage des Ajatollah genau zu interpretieren ist.

Najafi beklagt unter anderem die Korruption im Iran und die Verdrängung einer Demokratiebewegung, er singt über Frauenrechte, Religion und Freiheit im Iran. Das Cover der Single „Naqi“ zeigt die Kuppel einer Moschee als weiblichen Busen, obenauf flattert eine Regenbogenfahne.

Auf der Internet-Nachrichtenseite Asr Iran, die dem Teheraner Regime nahesteht, ist eine Hetzkampagne gegen Najafi lanciert worden. Al Arabiya bezeichnet den jungen Musiker bereits als Salman Rushdie der Musik. Der britische Schriftsteller Rushdie musste jahrelang im Untergrund leben, nachdem der damalige religiöse Führer im Iran, Ruholla Khomeini, 1989 eine Fatwa – ein religiöses Edikt – mit einem Todesaufruf gegen ihn erlassen hatte, weil er in seinem Buch „Die satanischen Verse“ vermeintlich den Propheten beleidigte.

Shahin Najafi, der 1980 in Bandar-e Anazli geboren wurde, ist einer der Begründer der iranischen Hip-Hop-Szene. Solche Konzerte haben im Gottesstaat einen großen Zulauf, obwohl sie immer wieder von der Polizei aufgelöst werden. Auch Shahin Najafi musste im Untergrund auftreten, die Behörden hatten ihm öffentliche Konzerte verboten. Der studierte Soziologe verarbeitet in seinen Texten stets heikle Themen der iranischen Gesellschaft wie Theokratie, Armut, Sexismus, Zensur, Kinderarbeit oder Drogenkonsum. In Deutschland hat er auch mit der Gruppe „Tapesh 2012“ zusammengearbeitet, die politisch motivierte Lieder in persischer Sprache (Farsi) singt und sich für Demokratie und Freiheit im Iran und im Mittleren Osten einsetzt.

Shahin Najafi ist nun erst mal untergetaucht, seinen genauen Wohnort hält er geheim. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte er am Freitag, dass er Angst habe und am Donnerstag auf dem Polizeipräsidium gewesen sei, um Schutz zu bekommen. Dennoch wolle er sich eigentlich nicht verstecken: „Ich bin jung, und ich bin ein Künstler. Ich muss auftreten“, sagte Najafi. Ein paar Konzerte in Europa habe Najafi bereits absagen müssen, sagte sein Manager Schahryar Ahadi. Die zuständige Polizei wollte sich zu dem Vorgang nicht ausführlich äußern: „Es gibt eine Gefährdungslage, und wir haben sie bewertet“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Zu welchem Schluss man gekommen sei, werde aus Sicherheitsgründen nicht mitgeteilt.

Experten bezweifelten derweil, ob es sich bei der Aussage des Ajatollahs wirklich um ein Todesurteil handelt. „Ich glaube nicht, dass das als Mordaufruf gedacht war“, sagte Christoph Werner, Professor für Iranistik an der Universität Marburg. Aber man wisse nie, wer sich von so etwas dennoch zur Gewalt aufgerufen fühle. „Wenn es eine Fatwa gibt, ist es natürlich gefährlich“, sagte der iranischstämmige grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour. „Es reicht ja schon ein einziger Fanatiker.“ Dennoch sei der Aufruf nicht eindeutig: Man könne ihn als Aufforderung zum Mord verstehen oder schlicht als Hinweis, dass Najafi später einmal in der Hölle schmoren werde. „Da sind die Schiiten oft nicht eindeutig“, sagte Nouripour.

Ajatollah Golpayegani gilt laut Nouripour eher als gemäßigt, was die Sache umso schlimmer mache. „Er kommt aus einer einflussreichen Familie und hat viele Anhänger.“ Dennoch wundere es ihn, dass die Todesnachricht nicht auf der Website des Ajatollahs zu lesen sei. „Das ist merkwürdig“, sagte Nouripour.

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