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Panorama: Todesstrafe: Einer kam durch

So werden nur Helden empfangen: Dutzende Fernsehkameras richten sich bei seiner Ankunft auf dem Madrider Flughafen auf "Joe". Tausende Menschen wollen ihm die Hand schütteln, ihn umarmen, ein Autogramm haben.

So werden nur Helden empfangen: Dutzende Fernsehkameras richten sich bei seiner Ankunft auf dem Madrider Flughafen auf "Joe". Tausende Menschen wollen ihm die Hand schütteln, ihn umarmen, ein Autogramm haben. Bodyguards müssen ihm einen Weg zum Auto bahnen.

Joes Leistung liegt darin, dass es ihm gelang, im letzten Moment vom elektrischen Stuhl im US-Staat Florida zu springen. Damit ist der Spanier Joaquin Jose Martinez, der von seinen Freunden "Joe" gerufen wird, der erste Ausländer, der aus einer amerikanischen Todeszelle wieder lebend herauskam.

"Danke Spanien", stammelt der 29-Jährige, der nach 35 Monaten Zellenleben im Hinrichtungstrakt des US-Gefängnisses "Orient Road" leichenblass ausschaut. "Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, was ich jetzt fühle." Dafür spricht seine Mutter, Sara, mit Tränen in den Augen: "Ich wusste immer, dass mein Sohn unschuldig ist, aber niemand glaubte mir."

Vor fünfeinhalb Jahren war Joe in Florida festgenommen worden als mutmaßlicher Täter eines brutalen Doppelmordes. Eine Allianz aus Staatsanwalt, Polizei-Ermittler und Joes Ex-Frau beschuldigten den Spanier, im Herbst 1995 mit über 20 Schüssen einen früheren Drogenhändler und dessen Freundin, eine Striptease-Tänzerin, erschossen zu haben.

Im Frühjahr 1997 wird der Angeklagte zum Tode verurteilt. Seitdem zittert der Spanier, der immer wieder sagt, er sei unschuldig, seiner Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl entgegen. 1998 appelliert das Europäische Parlament an den US-Staat Florida, das Urteil nicht zu vollstrecken. Zugleich entfachen die Eltern des Todeskandidaten in ihrer spanischen Heimat eine große Kampagne gegen die drohende Exekution.

Spaniens König Juan Carlos, Regierungschef Jose Maria Aznar, 50 spanische Städte, Dutzende Menschenrechtsgruppen und die Medien appellieren an Floridas Gouverneur Jeb Bush, den Bruder des heutigen US-Präsidenten George W. Bush, den Todesspruch zu überdenken. Joes Rettung ist zu einer nationalen Angelegenheit Spaniens geworden.

Rund 500 000 Euro betteln die Eltern zusammen, um neben dem öffentlichen Feldzug einen juristischen Krieg in Florida entfachen zu können. Und dann gelingt den Anwälten das erhoffte Wunder: Vor einem Jahr annulliert das Bundesrecht Floridas das Todesurteil wegen "rechtlicher Unregelmäßigkeiten" und ordnet einen neuen Prozess an.

Anfang Juni urteilt dann erneut die Geschworenen-Jury: "Nicht schuldig". Der Polizei werden schwere Ermittlungsfehler vorgeworfen. Beweismittel seien manipuliert worden, und die Ex-Frau Joes habe wohl nur aus Eifersucht ihren früheren Mann beschuldigt.

Und heute? An der Geschichte über Joes Kampf gegen die Hinrichtung arbeiten inzwischen etliche Roman- und Filmautoren. Bald will auch Hollywood den juristischen Thriller ins Kino bringen. Joe selbst möchte in seinem neuen Leben, das er in Spanien verbringen will, eine Stiftung zum Kampf gegen die Todesstrafe ins Leben rufen.

Ralph Schulze

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